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Mietendeckel? Nix da!
Recht auf Wohnen: FDP-Justizminister gegen jede Marktregulierung
Den Mangel an Wohnraum wolle er unbedingt überwinden, beteuerte Bundesjustizminister Marco Buschmann. Am Mittwochabend war der FDP-Politiker zum Karlsruher Verfassungsgespräch eingeladen, das zum 24. Mal am Vorabend des Jahrestags der Verkündung des Grundgesetzes stattfand. Mit der Zukunftsforscherin Christiane Varga, dem Architekten Ole Scheeren, aber vor allem der ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) diskutierte er im Sitzungssaal des Gerichts über die »Herausforderung Wohnen«.
Mittel zu deren Bewältigung ist, wenig überraschend, das Bauen. Die Mietpreise steigen, weil Menschen in Ballungsräume ziehen, und der beste Schutz vor all den Nöten, die das so mit sich bringt, sei es, das Angebot auszuweiten, so Buschmann als Anhänger der alten neoklassischen Theorie.
Neue Wohnungen gehen nur teuer
»Die Knappheitssituation für den Teil der Bevölkerung, um den es mir geht, wird dadurch aber nicht überwunden«, entgegnete Däubler-Gmelin. Denn gebaut würden vor allem hochpreisige Wohnungen, die sich »Normalverdiener« nicht leisten könnten. Tatsächlich können selbst Standard-Mietwohnungen angesichts der Preissteigerungen beim Material heute nur kostendeckend gebaut werden, wenn anschließend Kaltmieten von 18 Euro je Quadratmeter verlangt werden.
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Buschmann erklärte dazu, serielles Bauen könne Abhilfe schaffen, weil die Kosten so um die Hälfte reduziert werden können. Eine weitere Stellschraube sei der Bürokratieabbau. Bereits zuvor hatte Buschmann diese Woche in einem Interview für weniger Normen beim Bauen geworben.
Buschmann setzt auf private Investoren
Däubler-Gmelin hingegen scheint sich indes geradezu radikalisiert zu haben nach den Sitzungen der von ihr geleiteten Expertenkommission, die im vergangenen Jahr über den Berliner Vergesellschaftungs-Volksentscheid beraten hat. Das Problem sei nicht nur die Baukostensteigerung. Vielmehr machten die extrem hohen Bodenpreise das Bauen so teuer. Die frühere Bundesministerin sieht deshalb bei den Profiteuren Handlungsbedarf. »Wir haben eine ganz große Zahl von auf Gewinn ausgerichteten Vermarktungsorganisationen, und da sollten wir uns schon überlegen, ob wir nicht in der Zeit der Knappheit etwas machen sollten.«
Doch Buschmann warnt: »Ohne die ungeliebten großen Unternehmen werden wir das Problem auch nicht lösen können.« Der Staat müsste stattdessen private Investitionen in den Wohnungsbau stimulieren. Wenn man die Botschaft setze, sie enteignen zu wollen, »werden diese Leute keine große Motivation mehr haben, Wohnraum zu schaffen«.
Däubler-Gmelin passt das gar nicht. Immer heiße es, der Vergesellschaftungsartikel 15 des Grundgesetzes sei nichts wert, Vergesellschaftung generell unklug. »Aber jede Begrenzung des Kapitals wird von dieser Seite als nicht klug angesehen«, konstatiert sie. Ein Satz wie er auch von der Vergesellschaftungsinitiative selbst hätte stammen können.
Zukunftsforscherin: Menschen haben neuen Wohnbedürfnis
Buschmann hat einen anderen Tipp für Berlin parat: »Wenn wir heute noch über Traufhöhen sagen, dass man sich in Berlin an 22 Metern Gebäudehöhe orientieren sollte, dann ist das für eine der attraktivsten Metropolen in Europa vielleicht ein bisschen zu klein gedacht.« Bauland sei endlich, da müsse man sich überlegen, in die Höhe zu bauen.
Zukunftsforscherin Christiane Varga sprach derweil von neuen Wohnbedürfnissen und der zunehmenden Bedeutung neuer Wohnformen, bei denen sich Nachbarn Gemeinschaftsräume teilen. Architekt Ole Scheeren erzählte von »dynamischen Systemen«, die es bräuchte. Und so verging eine Diskussion zur drängenden Gegenwartsfrage des urbanen Wohnens, auf der ein entscheidender Aspekt nicht einmal thematisiert wurde: eine Mietenregulierung, die über die unzureichende Mietpreisbremse hinausgeht.
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