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Israelischer Spionagechef drohte Chefanklägerin mit Kompromat
Ministerpräsident Netanjahu wollte offenbar Untersuchung zu Kriegsverbrechen verhindern
Der frühere Mossad-Direktor Yossi Cohen soll persönlich in einen geheimen Plan verwickelt gewesen sein, die damalige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) Fatou Bensouda unter Druck zu setzen. Darüber berichtet der britische »Guardian« in einer Vorabmeldung zu Enthüllungen des israelisch-palästinensischen Investigativmagazins +972 über einen »verdeckten Krieg« israelischer Geheimdienste gegen den IStGH.
Ziel dieser über Jahre dauernden Anstrengungen sei es gewesen, Ermittlungen zu Kriegsverbrechen gegenüber Palästinensern zu verhindern. Laut dem Bericht könnte dies einen Verstoß gegen Artikel 70 des Römischen Statuts, dem Vertrag zur Gründung des Gerichtshofs, darstellen.
Der Mossad ist der israelische Auslandsgeheimdienst. Hintergrund der Operation gegen Bensouda soll eine Entscheidung von 2021 gewesen sein, nach ihren 2015 begonnenen Vorermittlungen eine formelle strafrechtliche Untersuchung mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den besetzten palästinensischen Gebieten einzuleiten. Anlass für die Vorermittlungen Fensoudas war der Gaza-Krieg vom Sommer 2014.
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Diese Untersuchung zu Vorfällen im Gazastreifen, im Westjordanland und in Ostjerusalem mündete vergangene Woche in der Ankündigung von Bensoudas Nachfolger Karim Khan, einen Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wegen Verbrechen im Gaza-Krieg zu beantragen. Damals wie heute geht es auch um Verbrechen der Hamas und anderer bewaffneter Palästinensergruppen.
Die Aktivitäten Cohens in der Operation gegen den IStGH seien auf höchster Ebene genehmigt und mit der Begründung gerechtfertigt worden, dass der Gerichtshof eine Bedrohung für Militärangehörige darstelle, berichtet der »Guardian« unter Berufung auf einen hochrangigen israelischen Beamten. Ziel sei es gewesen, die Staatsanwältin zu kompromittieren, soll eine andere Quelle ausgesagt haben. Cohen habe als dazu als »inoffizieller Bote« Netanjahus fungiert, so eine dritte Quelle.
Zur fraglichen Zeit war Cohen einer der engsten Verbündeten des Ministerpräsidenten und soll sich persönlich an einer fast ein Jahrzehnt andauernden Kampagne des Landes zur Untergrabung des Gerichts beteiligt haben, schreibt der »Guardian«. Zu dieser Zeit war Cohen noch Leiter des Nationalen Sicherheitsrats, bevor ihn Netanjahu 2016 zum Mossad-Chef machte.
Cohens erste Begegnung mit Bensouda soll auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2017 erfolgt sein. Später habe Cohen Bensouda »in einer bizarren Episode« in einer Hotelsuite in Manhattan »überfallen«, berichteten dem »Guardian« verschiedene Quellen. Dabei soll Cohen Unterstützung von Joseph Kabila, dem ehemaligen Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo, erhalten haben.
Bensouda hatte sich 2018 im Rahmen eines offiziellen Besuchs in New York wegen laufender Ermittlungen des IStGH zu mutmaßlichen Verbrechen in Kongo mit Kabila getroffen. Dieses Treffen in dem Hotel in Manhattan sei womöglich ein abgekartetes Spiel gewesen, schreibt der »Guardian«: Nachdem Bensoudas Mitarbeiter den Raum verließ, habe Cohen überraschend den Raum betreten. 2022 wurde bekannt, dass Cohen als Mossad-Direktor in dieser Zeit ungewöhnliche und geheime Reisen in die Demokratische Republik Kongo vornahm. Diese sollen teilweise mit der IStGH-Operation zusammengehangen haben.
In einem anderen Fall soll Cohen der Staatsanwältin gegenüber angedeutet haben, dass die Entscheidung, eine umfassende Untersuchung einzuleiten, ihrer Karriere schaden würde. Der Mossad-Chef soll Bensouda deshalb gedroht haben, kompromittierende Aufnahmen ihres Mannes oder von Familienmitgliedern zu veröffentlichen. »Du solltest uns helfen und uns auf dich aufpassen lassen«, soll Cohen zu ihr gesagt haben. Bensouda habe dieses Verhalten gegenüber Mitarbeitern als »Stalking« bezeichnet. Hochrangige IStGH-Beamte hätten zudem den Verdacht gehegt, dass der Mossad Informanten innerhalb der Strafverfolgungsabteilung des Gerichts, dem sogenannten Büro des Anklägers, angeworben hat.
Die Entscheidung des IStGH von letzter Woche, Haftbefehle gegen Netanjahu und den israelischen Verteidigungsminister Joaw Gallant zu beantragen, war das erste Mal, dass das Gericht gegen die Führer eines Landes vorging, das eng mit den USA und Europa verbündet ist. Diese Linie hatte schon Bensouda vertreten, indem sie etwa im März 2020 mit einem Vorbericht den Weg für Ermittlungsverfahren zu möglichen US-Kriegsverbrechen in Afghanistan freimachte. Darin war die Rede von Folter und Vergewaltigungen durch amerikanische Soldaten. Der damalige US-Präsident Donald Trump hatte daraufhin eine Verfügung veröffentlicht, wonach in den USA neben Visabeschränkungen auch Finanzsanktionen gegen Bensouda und andere Mitarbeiter des Gerichtshofs verhängt wurden.
Wie die USA erkennt auch Israel den Strafgerichtshof nicht an. Netanjahu hatte auf den Antrag des IStGH-Chefanklägers auf Haftbefehle ebenfalls heftig reagiert. Der Ministerpräsident nannte Karim Khan vergangene Woche einen »der großen Antisemiten der Moderne«. Auch die USA nahmen ihren Verbündeten gegen die Vorwürfe in Schutz. »Entgegen den Anschuldigungen des Internationalen Gerichtshofs gegen Israel handelt es sich nicht um Völkermord«, sagte US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus anlässlich einer Feier für die Errungenschaften amerikanischer Juden in den die USA.
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