Cannabis-Legalisierung: Waage gesucht

Seit zwei Monaten darf in Deutschland gekifft werden, die Regeln werden noch nachjustiert

Das ist doch kein Katzengras.
Das ist doch kein Katzengras.

Zwei Monate darf in Deutschland mittlerweile legal gekifft werden. Am 1. April trat das Cannabisgesetz in Kraft. Der Weg zur Legalisierung war mit aufgeheizten Debatten verknüpft, quasi bis zur letzten Minute zitterten Befürworter*innen. Die Argumente der Kritiker*innen schienen doch zu schwer zu wiegen. Hoher Aufwand für die Polizei und Ordnungsbehörden, sowie eine Überlastung der Justiz wurden befürchtet. Jetzt ist davon nur noch wenig zu hören. Auch sonst gibt es kaum Meldungen, die auf negative Auswirkungen der Hanffreigabe schließen lassen. Aber es wird darum gerungen, wo gekifft und gepflanzt werden darf und auch die Behörden stehen mancherorts vor Rätseln.

25 Gramm Cannabis dürfen alle Menschen mit sich spazieren tragen. Ein Menge, mit der durchschnittliche Cannabis-Konsumenten sogar einen ausgedehnten Urlaub überstehen dürften. Im Alltag dürften Polizist*innen oder Mitarbeiter*innen von Ordnungsbehörden nicht ganz so oft Menschen mit so einer Menge oder mehr treffen. Aber was, wenn doch? Vor dem 1. April war das einfach. Auch die kleinste Knolle Gras wurde beschlagnahmt und auf der Polizeiwache gewogen. Und jetzt? 25 oder 28 Gramm? Strafloser Besitz oder nicht? Das will direkt auf der Straße überprüft werden. Dafür bräuchte es allerdings Feinwaagen. In der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Kierspe stellt das ein Problem für die Stadtverwaltung dar. Die lokale »Meinerzhagener Zeitung« berichtete kürzlich über Abstimmungsgespräche im Rathaus. Man habe darüber diskutiert wie Cannabis, das man eventuell bei Kontrollen findet, gewogen werden kann. Im Gespräch sei das Kraut mit Oregano verglichen worden, doch das wiege in der Küche niemand ab. Haushaltswaagen kämen also nicht infrage. Feinwaagen müssen her. Doch seit dieser Entscheidung steht die Verwaltung des 17 000-Einwohner-Städtchens vor einem neuen Problem. »Wir wollten dann ein entsprechendes Gerät anschaffen, aber momentan ist der Markt leergefegt«, erklärt die Stellvertreterin des Bürgermeisters.

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Vielleicht wird die Kiersper*innen trösten, dass sie mit diesem Problem nicht alleine sind. Über Berlin meldete der »Tagesspiegel«, dass die Polizei in ihren Streifenwagen keine Feinwaagen mit sich führe. In anderen Bundesländern handelt man. Sachsen-Anhalt beschafft Waagen für alle Streifenwagen.

Im Handeln gegen das Rauschkraut ist man in Bayern traditionell ganz weit vorne. Das Bundesland will es Cannabisnutzer*innen erklärtermaßen besonders schwer machen. Das treibt auch absurde Blüten. In Aschheim bei München hat die Stadt extra einen Spielplatz errichtet, um eine Anbauvereinigung zu verhindern.

Wenzel Cerveny hat schon Ende vergangenen Jahres einen alten Supermarkt in der Gemeinde angemietet. Er betreibt dort einen Hanfladen. Große Teile der Fläche sollen aber bald einer Anbauvereinigung zur Verfügung stehen. Groß ist der Spielplatz nicht. Ein Zaun, zwei wippende Tiere und eine kleine blaue Hütte. Aber er könnte ausreichen, um den Cannabisclub zu verhindern, denn der muss mehr als 200 Meter entfernt von Jugendeinrichtungen sein. Cerveny ärgert sich gegenüber dem »ZDF« über die Gemeinde: »Ein Spielplatz ist eine tolle Sache, aber wenn man ihn baut, um etwas zu verhindern, dann ist das Missbrauch.« Ob die Cannabisvereinigung und die Stadt sich vor Gericht sehen, ist unklar. Cerveny pocht darauf, dass seine Pläne älter sind als die Spielplatzpläne. Ob ein Spielplatz eine Anbauvereinigung verhindern kann, werden sicherlich auch cannabiskritische Mitarbeiter*innen in anderen Stadtverwaltungen beobachten.

Wer aufgrund dieser Zustände möglichst schnell aus Bayern verschwinden möchte, sollte vorsichtig mit dem Joint am Bahnhof sein. Der war nämlich nur einen Monat lang legal. Zum 1. Mai hat die Deutsche Bahn ein Kiffverbot für ihre Bahnhöfe erlassen. Man habe sich damit an die Regelungen für Fußgängerzonen angepasst, heißt es von dem Unternehmen. Seit diesem Monat will man das Verbot auch ahnden. Im schlimmsten Fall drohen Hausverbote.

Verbote haben auch die Veranstalter von zahlreichen Volksfesten wie dem Münchener Oktoberfest oder der Düsseldorfer Rheinkirmes ausgesprochen. Ein Sprecher der Düsseldorfer Schausteller erklärte dazu, man sei eine »Familienveranstaltung«, deswegen habe man sich so entschieden.

Auch an einem Ort, an dem man gewöhnlicherweise über Grünzeug erfreut ist und an dem eine reiche Ernte eigentlich zum guten Gelingen gehört, ist Cannabis nicht willkommen: im deutschen Kleingarten. Der Bundesverband der Kleingartenvereine hatte sich schon früh geäußert und erklärt, dass er den Anbau von Cannabis im Kleingarten grundsätzlich für nicht möglich hält. Der Verband führte vor allem Sicherheitsbedenken dagegen an. Vom Hanfverband wurde er dafür wiederum kritisiert und zu mehr Gelassenheit und der Suche nach Lösungen aufgefordert. Die Lösung, nicht im Sinne des Hanfverbands, kommt nun vom Gesetzgeber, das Cannabisgesetz wird präzisiert. Im Kleingarten anbauen darf nur, wer dort seinen offiziellen Wohnsitz hat. Das dürfte nur wenige Altfälle betreffen, denn seit 1983 ist im Bundeskleingartengesetz geregelt, dass der Kleingarten kein Wohnsitz ist.

So viel Ärger, so viele Komplikationen und bis die Anbauvereinigungen ihre Aktivitäten aufnehmen dürfen vergeht auch noch ein Monat. Da wäre es ja die einfachste Lösung, selbst anzubauen. Terrasse, Balkon, Fensterbank – Hanf kann man überall zum Blühen bringen. Schlecht nur, dass viele Menschen gerade auf diese Idee kommen. Wer etwa bei »Sensi Seeds« bestellt hat, einem traditionsreichen Cannabiszüchter und Samenhändler, schaut gerade allzu oft umsonst in den Briefkasten. Hunderte Besteller*innen haben sich schon im Netz beschwert und warten teilweise seit Wochen auf ihre Bestellungen. Das Unternehmen entschuldigte sich mehrfach und verwies auf den riesigen Ansturm von deutschen Hobbygärtner*innen, mit dem man in dieser Form nicht gerechnet habe.

Deutschland übt sich noch im Umgang mit dem legalen Cannabis. Mancher echter Regelbedarf ist nach zwei Monaten zu Tage getreten. Anderes wirkt eher wie von Vorurteilen geleitete Schikane.

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