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Homophobie per Gesetz
Uganda macht queeren Menschen das Leben schwer
Die Straßen in Ugandas Hauptstadt Kampala sind wegen der Regenzeit kaum noch befahrbar, die vielen großen Schlaglöcher erschweren die Unterhaltung im Taxi erheblich. Mein ugandischer Begleiter hatte mich allerdings ohnehin darauf hingewiesen, meine Stimme im Beisein des Taxifahrers zu senken, damit wir uns keiner Gefahr aussetzen. Denn wir befinden uns auf dem Weg zu einem geheimen Treffen mit ugandischen LGBTQ-Aktivist*innen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans und queere Personen). Mein Begleiter wird mich bis zum Zielort begleiten, aus Sicherheitsgründen jedoch nicht am Gespräch teilnehmen.
Manchen Teilnehmer*innen des Treffens bin ich zuvor online begegnet, andere kenne ich nicht. Aber alle wollen unbedingt dabei sein, um ihre Erfahrungen mit mir – und damit einem internationalen Publikum – zu teilen. Ich will von ihnen erfahren, wie das Leben der Betroffenen und die Gesellschaft sich seit der Einführung des Anti-Homosexualität-Gesetzes verändert haben. Es wird ein langer Abend, an dem wir uns gemeinsam auf eine sehr emotionale Reise begeben, die von traumatisierenden Erfahrungen geprägt ist. Immer wieder halten wir einander fest, um in der Realität zu bleiben.
Drastische Gesetzesverschärfung
Vor einem Jahr unterzeichnete der ugandische Präsident, Yoweri Museveni, ein Gesetz, das Homosexualität kriminalisiert. Es gilt als eines der härtesten weltweit und sieht für »schwere Homosexualität« sogar die Todesstrafe vor. Aber auch Menschen, die sich für Homosexuelle einsetzen, können mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft werden. Strafbar machen sich selbst jene, die von homosexuellen Handlungen wissen und diese nicht zur Anzeige bringen. Kurz: Das Gesetz kriminalisiert alles, was irgendwie mit Homosexualität in Verbindung gebracht werden kann. Da dieser Teil des Gesetzes juristisch bewusst nicht eindeutig definiert ist, bietet sich der Strafverfolgung ein riesiger Handlungsspielraum.
Aktivist*innen versuchen, wie mir einer meiner Gesprächspartner mitteilt, gegen das Gesetz vorzugehen. Er ist Teil einer Gruppe von Anwälten, die eine Verfassungsklage gegen das Gesetz eingereicht haben. Trotz anfänglicher Hoffnung folgte das Verfassungsgericht ihrer Argumentation jedoch nicht; es erklärte stattdessen, im Gesetz keinen Widerspruch zu den in der Verfassung verankerten Menschenrechten erkennen zu können. Eine erneute Klage beim Obersten Gerichtshof wird derzeit vorbereitet, ihre Erfolgsaussichten gelten indes als gering.
In Uganda, das seit 38 Jahren von Präsident Museveni regiert wird, gibt es – trotz seiner repressiven Politik – eigentlich eine relativ breit organisierte und aktive Zivilgesellschaft, die, solange nicht der Präsident oder Mitglieder seiner Familie kritisiert werden, durchaus öffentlich in Erscheinung treten und politische Entscheidungen beeinflussen kann. Die Einführung des Gesetzes traf im Mai 2023 dennoch auf keinen nennenswerten Widerstand, im ugandischen Parlament gab es nur eine Gegenstimme. Das liegt daran, dass die Gesellschaft Ugandas stark homophob geprägt ist – was wiederum nicht zuletzt auf die langjährige Einflussnahme radikaler evangelikaler Gruppen im Land zurückzuführen ist.
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung unterhält mehr als zwei Dutzend Auslandsbüros auf allen Kontinenten. Im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit »nd« berichten an dieser Stelle regelmäßig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Entwicklungen in den verschiedensten Regionen. Alle Texte auf: dasnd.de/rls
Ein queerfeindlicher Irrgarten
Das gegen Homosexuelle gerichtete Gesetz hat fatale Auswirkungen auf die Sicherheit und das Leben der Betroffenen. Seine Wirkung geht allerdings noch weit darüber hinaus, denn aufgrund des juristisch schwammig formulierten Gesetzestextes unterliegt die Definition, was als »Förderung von Homosexualität« gelten kann, massiver Willkür. Inzwischen zeichnen sich jedoch klare Muster der Gesetzesanwendung ab. So haben viele Betroffene von ihren Vermieter*innen und/oder Arbeitgeber*innen fristlose Kündigungen erhalten; etliche sind selbst von ihren Familien verstoßen worden. Im vergangenen Jahr wurde dadurch ein Großteil der Betroffenen wohnungs- und arbeitslos. LGBTQ-Einrichtungen sind nicht mehr sicher und können nur noch im Geheimen arbeiten; queere Personen werden auf offener Straße ungestraft angegriffen und zusammengeschlagen. Auch das Eingreifen von Zivilpersonen ist in derartigen Fällen kaum möglich, da diese sich dann dem Vorwurf aussetzen, Homosexualität zu unterstützen.
Der von religiösen Führern massiv geschürte Hass auf LGBTQ-Personen ist vor allem in ländlichen Gebieten verbreitet. Insbesondere Trans-Personen gelten hier – wie letztlich alle Personen, die nicht dem heteronormativen Stereotyp entsprechen – als Provokation, die Gewalt rechtfertigt. Gelangen die Angegriffenen dann ins Krankenhaus, kann ihnen das medizinische Personal sogar die Behandlung verweigern – zumeist indem die Angestellten, wie mir ein Krankenhausmitarbeiter berichtet, einfach die Behandlungszimmer verlassen, mit der Begründung, dass ihre Kultur beziehungsweise Religion eine Behandlung der betroffenen Personen nicht erlaube.
Dass, wie erwähnt, bereits Gespräche über Homosexualität als gesetzeswidrig gelten, dient dem Zweck, öffentliche Solidaritätsbekundungen mit der queeren Gemeinschaft zu verhindern. Binnen eines Jahres ist so ein System aus Angst, Gewalt, Denunziation und gegenseitigem Misstrauen entstanden. Es scheint, dass alles, was irgendwie anders ist, geächtet, denunziert und bestraft wird. Unter dem Schutz des Gesetzes fühlen sich manche gar berechtigt, Vergeltung gegenüber missliebigen Mitmenschen zu üben und ihnen auf diese Weise »eins auszuwischen« – auch deshalb ist die Zahl der Anzeigen zuletzt so stark gestiegen.
Die Einführung des Gesetzes hat auch dazu geführt, dass Vergehen der als besonders homophob geltenden Polizei gegen queere Personen kaum noch verfolgt werden. Sollten Personen dennoch Anzeige erstatten, gelten sie als Gegner*innen des Gesetzes und machen sich damit ebenfalls strafbar. Das bedeutet, dass die Polizei nunmehr ungehindert in private Räume eindringen kann, um bei Verdachtsfällen nach Indizien für homosexuelle Handlungen zu suchen. Dabei kann bereits der Besitz von Kondomen, Körperölen oder Dildos als hinreichender Beweis dienen. Ein Gesprächspartner berichtet, dies bedeute in der Praxis, dass Beschuldigte sich nach erfolgter Durchsuchung gegen eine hohe Geldzahlung an die Polizei »freikaufen« müssen.
Meine Gesprächspartner*innen berichten mir außerdem, dass die Polizei in sozialen Medien gezielt nach Feierlichkeiten Ausschau halte, auf denen sie queere Menschen vermutet, um unter Androhung von Haftstrafen Schmiergeldzahlungen zu erwirken. Wer nicht zu zahlen in der Lage ist, landet meist im Gefängnis. Dort können Personen bis zu 60 Tage ohne Anklageerhebung festgehalten werden – in der Praxis übersteige die Untersuchungshaft oftmals noch diese Frist.
Durch das Verbot jeglicher Form der Aufklärung ist das Themenfeld Homosexualität insgesamt von eklatanter Desinformation geprägt. Zugleich legalisiert und systematisiert das Gesetz die Homophobie; Homosexualität wird geradezu dämonisiert und immer wieder in den Kontext von Sodomie, Pädophilie und sogar Nekrophilie gestellt. Gefälschte Studien zum Thema, die Homosexualität als Krankheit beschreiben, die »geheilt« werden könne, werden verbreitet – Priester, aber auch medizinisches Personal führen entsprechende »Konversionstherapien« durch, oftmals ohne Einwilligung der Betroffenen. Diese »Therapien« können unfassbar brutale Formen annehmen. So berichten meine Gesprächspartner*innen von einer lesbischen Frau, deren Eltern von der lokalen Gemeinschaft genötigt wurden, ihre Tochter in einen Raum zu sperren, um sie »zur Heilung« einer Massenvergewaltigung auszusetzen.
Der Einfluss der Evangelikalen
Bereits seit Langem bekannt ist die massive Einflussnahme von Kirchengemeinden und Sekten auf die Entwicklung des Anti-Homosexualität-Gesetzes in Uganda. Diese überwiegend aus den USA stammenden evangelikalen und pfingstlerischen Gruppen vertreten hinsichtlich der Geschlechterrollen extrem wertkonservative Überzeugungen. Ihren Einfluss gewinnen sie über die gezielte ideologische Beeinflussung der ugandischen Kirchengemeinden. So gilt beispielsweise der US-amerikanische Pastor Scott Lively als federführend bei einer früheren Version des Gesetzes.
Ein zweiter Faktor ist das Geld, das von Non-Profit-Organisationen wie Family Watch Africa und Family Watch International stammt, die über ausgezeichnete Verbindungen zur First Lady Ugandas verfügen sollen.
Seit ein paar Jahren steht auch Russland im Verdacht, die Anti-LGBTQ-Politik von Regierung und Kirchen zu unterstützen. Insider vermuten, dass inzwischen bereits mehr Geld aus Russland ins Land fließe als aus den USA. Das ist kein Zufall, denn das ugandische Gesetz entspricht Putins Politik. So wurde in Russland bereits 2013 ein Gesetz eingeführt, das – ähnlich wie das »Propagandaverbot« in Uganda – positive Äußerungen über Homosexualität (etwa in den Medien) unter Strafe stellt. Während die demokratischen Staaten, insbesondere in Europa, die menschenrechtsverachtende Gesetzgebung in Uganda scharf verurteilen, baut Putin auf das gemeinsame, extrem heteronormative Wertesystem. Damit gelingt es ihm, eine politische Nähe und Verbindlichkeit herzustellen, die sein Regime geopolitisch für seine Agenda zu nutzen versucht.
Im Laufe unserer Gespräche wird mir mit großer Dringlichkeit vermittelt, dass es für queere Menschen in Uganda keine Sicherheit und keinen Schutz mehr gebe. Viele seien bereits mehrfach in Haft gewesen und stehen unter permanenter Beobachtung durch die Behörden. Der Raum, in dem sie sich bewegen können, werde täglich enger, und die Gefahr, der sie sich aussetzen, größer. Für viele Betroffene wurde der Druck durch die andauernde Gefahr so groß, dass sie das Land inzwischen verlassen haben.
Aber eigentlich, auch da besteht große Einigkeit, wollen sie ihr Land nicht verlassen. Wer soll ihre Arbeit fortführen, wenn sie gehen? Wer kümmert sich dann um die vielen Traumatisierten? Manchmal gehe es auch nur darum, sich eine Zeit lang in Sicherheit zu befinden, um Kraft zu schöpfen, um anschließend den Kampf weiterführen zu können. Aber für die Ausreise benötige man ein humanitäres Visum, das gegenwärtig kaum zu beschaffen sei.
Auf dem Rückweg vom Treffen stehe ich noch ganz unter dem Eindruck des Mutes der Aktivist*innen, die selbst unter derart widrigen Umständen nicht aufgeben, sondern ihren Kampf fortsetzen. Und sie haben deutlich gemacht, wie wichtig internationale Solidarität für sie und ihre Arbeit ist – eine Aufforderung, die wir uns alle zu Herzen nehmen sollten.
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