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Um die Erde kreisende Holzkästen
Ein japanischer Baukonzern hat einen Satelliten entwickelt, der weniger Weltraumschrott verursachen soll
Er hat die Größe einer Kaffeetasse und sieht aus wie ein kleines Vogelhäuschen, aber der Eindruck täuscht. Dieser Kasten aus hellem Holz soll im September dieses Jahres in die Erdumlaufbahn geschickt werden – als Satellit. Und dass das eine gute Idee ist, daran besteht mittlerweile kein Zweifel mehr, sagt Kenji Kariya: »Unseren Holzsatelliten haben wir schon ab 2022 zehn Monate lang im All getestet. Da konnten wir bestätigen, dass Holz im Weltraum stabil bleibt.«
Kenji Kariya arbeitet für Sumitomo Ringyou, einen japanischen Baukonzern, der sich auf den Werkstoff Holz spezialisiert hat. Zusammen mit der Universität Kyoto erforscht der promovierte Ingenieur seit 2020 die Möglichkeit, Holz auch im Weltall einzusetzen. Jetzt ist er aufgeregt: »Wir bereiten gerade die letzten Schritte vor.« Im All soll der Holzsatellit zunächst beweisen, dass er sich dort überhaupt halten kann, auch werde er für Amateurfunker erreichbar sein. Und dann den Weg in eine nachhaltigere Zukunft ebnen?
Einen Satelliten aus Holz zu entwickeln, hätte vor Kurzem noch nach Träumerei geklungen. Die Apparate, auf die die Menschheit seit Jahrzehnten für Fernsehbilder, Wettervorhersagen und alle möglichen GPS-Signale angewiesen ist, bestehen bisher aus Kunststoff und Metall. Allerdings verursachen Satelliten dadurch auch viel Elektroschrott. Wenn sie nach Ende ihrer Gebrauchszeit wieder in die Atmosphäre eintreten, sorgen sie zudem für schädliche Gase. Bei Holz, so die Erwartung, wäre dies nicht der Fall.
Idee eines Astronauten
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»Die Idee, einen Satelliten aus Holz zu bauen, hatte ursprünglich der japanische Astronaut Takao Doi, der heute bei der Universität Kyoto arbeitet«, erklärt Kenji Kariya, dessen Arbeitgeber seit zwei Jahrzehnten mit der Hochschule kooperiert und zu diversen anderen Themen rund um Holz gearbeitet hat. »Daher ist uns bekannt, dass sich Holz positiv auf das Wohlbefinden von Menschen auswirkt. Außerdem ist es natürlich ein nachhaltiger Stoff, der nachwächst.«
So war man beim Holzbaukonzern von der Idee, an einem Satelliten mitzutüfteln, sofort begeistert. Was aber das mentale Wohlbefinden, Satelliten und Holz miteinander zu tun haben sollen? Womöglich sehr viel. Weltweit wird immer mehr daran gearbeitet, dass das Weltall in nicht allzu ferner Zukunft zu einem von Menschen bewohnbaren Raum werden könnte. Vieldiskutierte Szenarien reichen von Tourismus bis zu Kolonien dort lebender Menschen. Sumitomo Ringyou sieht im Weltall daher einen künftigen Markt.
»Für Wohngebäude hat es Holz als Baustoff in Japan immer gegeben. Aber für größere Gebäude war es lange nicht vorgesehen«, sagt Rin Fukunaga, die beim Konzern für Kommunikation zuständig ist. Vorbehalte gegenüber Holz hatten auch mit der in Japan hohen Gefahr von Erdbeben zu tun, wodurch im Zusammenspiel mit Kurzschlüssen oder Herden oft Feuer auftreten konnte. »Nach der Jahrtausendwende haben sich Regulierungen und Gewohnheiten geändert, weil wir Holz nun besser verstehen.«
Das wolle man jetzt nutzen. Um die Potenziale von Holz auszutesten, eigne sich ein Forschungsprojekt im Weltall besonders. Denn kaum irgendwo sind die Umstände für Materialien von der Erde derart widrig: Temperaturen variieren sehr stark, Sauerstoff gibt es praktisch nicht, dafür reichlich kosmische Strahlung. So war man bisher davon ausgegangen, dass Holz im All starke Deformationen und Risse erleiden würde.
Das im Jahr 2022 begonnene zehnmonatige Experiment, das Magnolienholz auf der Internationalen Raumstation testete, veranlasst das Forscherteam nun zu Optimismus. Kenji Kariya resümiert: »In Holz stecken eigentlich um die 15 Prozent Wasser. Aber im All geht dies verloren. Und wir waren überrascht, dass das Holz danach trotzdem überhaupt keine Schäden erlitten hatte.« Dass Holz und Weltall ausgerechnet in Japan zusammengedacht werden, ist dabei kaum Zufall. Nicht nur hat das Land eine lange Tradition von Holz als Baustoff.
Auch ist der Nachhaltigkeitsgedanke in Japans Weltallforschung prominent. »Das Entfernen von Schrottobjekten ist ein Thema, das auch in Japan stark auf der nationalen Agenda steht«, sagt Chiara Manfletti, Professorin für Raumfahrtantriebe und Mobilität an der TU München. Und Weltraumschrott sei ein ernstzunehmendes Problem: »Wir haben schon einige Objekte im All, die nicht mehr kontrollierbar sind. Das kann zu Kollisionen führen, was Mutterobjekte zersplittert.«
Verglühen muss noch erforscht werden
Holzsatelliten können wiederum dabei helfen, dass kein neuer Schrott entsteht. Denn am Ende ihrer Lebenszeit würden sie beim Wiedereintritt in die Atmosphäre einfach verglühen. Wobei Chiara Manfletti hier warnt, dass die Wissenschaft erst am Anfang steht: »Wir wissen noch nicht komplett, was die Interaktionen sind von den Partikeln, die dann in der Atmosphäre bleiben. Was ist der Unterschied zwischen in der Atmosphäre verglühendem Metall und Holz? Das wissen wir nicht.«
Für das japanische Forscherteam soll der neue Satellit namens LignoSat3 dennoch dazu beitragen, die Weltraumtechnologie zukünftig nachhaltiger zu machen. Wobei er bisher nur zu rund 20 Prozent aus Holz besteht. »Am liebsten hätten wir schon alles aus Holz gemacht, aber bisher braucht es zum Beispiel noch Aluminium an einigen Stellen«, sagt Kenji Kariya. »Der Computer im Gehäuse ist auch aus Plastik. Vielleicht in 30 Jahren könnte es einen Satelliten geben, der fast ausschließlich aus Holz besteht.«
Eine andere Erkenntnis aus dem Forschungsprojekt sei, dass Holz auch als Gehäuse für Elektronik dienen könnte, da es gut vor äußeren Einflüssen schütze. Damit könnte es laut Kenji Kariya auch beim Bau von Supercomputern, Datenzentren, Halbleitern oder Smartphones eingesetzt werden. Solche Aktivitäten seien im Baukonzern aber erst mal nicht geplant. Stattdessen interessiert man sich für das Leben im All. Im nächsten Schritt werde erforscht, unter welchen Umständen Bäume im All wachsen könnten.
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