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Immer wieder aufstehen: Alba Berlins Basketballer im BBL-Finale
Trotz Verletzungsmisere will Alba den FC Bayern München im Finale um die deutsche Meisterschaft ärgern
Johannes Thiemann streckte seine Arme aus und ließ seine Muskeln spielen. Der Basketball-Weltmeister genoss bei seiner Auswechslung wenige Sekunden vor Spielende die Ovationen der Fans von Alba Berlin. Die hatten zwar von seinen Knieschmerzen vor der Partie gelesen, welches Drama sich jedoch in der Halbzeitpause abgespielt hatte, wusste zu dem Zeitpunkt kaum jemand. Mit 48:53 hatten die Berliner im fünften und entscheidenden Halbfinalspiel der Basketball-Bundesliga (BBL) gegen die Niners Chemnitz zurückgelegen, und Thiemann hielt die Entzündung seiner Patellasehne nicht mehr aus. »Er konnte sich nicht mehr bewegen, er war raus aus dem Spiel. Er hatte sich schon umgezogen«, berichtete sein Trainer Israel González später. »Und dann kam er doch noch mal zurück und sagte zu mir: ›Noch ein letzter Versuch. Ich will es probieren.‹ Unglaublich. Wenn du solche Spieler hast, folgen alle anderen.«
Am Ende gewann Alba die Partie mit 97:84 und steht nach einem Jahr Pause wieder im Finale, das mit Spiel eins beim FC Bayern München schon an diesem Samstag beginnt. Dass es der elfmalige deutsche Meister überhaupt bis dorthin geschafft hat, ist bemerkenswert, schließlich plagt die Berliner seit Monaten eine beispiellose Verletztenmisere. Mit Martin Hermannsson war nach Spiel vier der Halbfinalserie auch noch der dritte etatmäßige Aufbauspieler für den Rest der Saison ausgefallen. Das gleiche Schicksal hatte vorher bereits die großen Talente Matteo Spagnolo und Žiga Samar getroffen. Und am Donnerstag kam auch also noch der Kapitän dazu.
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»Dieser Finaleinzug hat für mich einen größeren Wert als so mancher Titel. Wir hatten sechs, sieben tolle Jahre. So etwas hält nicht ewig. Und eigentlich stecken wir gerade mitten im Neuaufbau«, erinnerte Sportdirektor Himar Ojeda an die widrigen Umstände in dieser Saison. »Dann verlieren wir mittendrin all unsere Talente. Und jetzt sitzt Johannes in der Kabine mit Tränen in den Augen. So habe ich ihn vorher nie gesehen. Dass er es trotzdem noch mal versucht hat, zeigt das Herz und die Leidenschaft im Team. So etwas misst sich nicht in Titeln.«
Unterhaltungsbranche Spitzensport liebt leidende Helden
Der Leistungssport ist voller Geschichten wie die des Johannes Thiemann: Schmerzen werden überwunden für das große Ziel, die Teamkollegen, die Medaille. Medizinisch ist es höchst fragwürdig, wenn das primäre Warnsignal des Körpers ignoriert wird. Auch in Sachen Vorbildfunktion ist dieses Verhalten eher kontraproduktiv, doch die Unterhaltungsbranche Spitzensport und seine Fans lieben solche Momente, erheben die Leidenden zu Helden.
Thiemann steuerte in der zweiten Hälfte noch mal sechs Punkte und zwei Vorlagen bei, in eben jener Phase, in der das Spiel kippte. Auch wenn der US-Amerikaner Matt Thomas mit 24 Punkten und sechs getroffenen Dreiern der beste Werfer der Partie werden sollte, war Thiemanns Präsenz nicht zu unterschätzen. Mit ihm auf dem Feld machte Alba 26 Punkte mehr als Chemnitz, der Wert von Thomas lag in dieser Statistik nur bei sechs.
Den Erfolg nur an einem Spieler festzumachen, wäre dennoch zu kurz gegriffen. Wie schon in Spiel vier drehte auch Albas zweiter im vergangenen Sommer verpflichteter US-Amerikaner Sterling Brown auf und erzielte 16 Punkte. Er war somit maßgeblich daran beteiligt, den 1:2 Rückstand in der Serie noch zugunsten der Berliner zu drehen. Zum stillen Helden mauserte sich nicht zuletzt Khalifa Koumadje. Der 2,21 Meter große Hühne, der in dieser Saison mehrfach wegen physischer Auseinandersetzungen des Feldes verwiesen worden war, wurde in der entscheidenden Phase zum Anker von Albas Defensive. Trainer González hatte von Mann- auf Zonenverteidigung umgestellt, und Koumadje machte den Raum unterm Korb dicht. Punkte gelangen ihm zwar nicht, aber seine zehn Rebounds waren immens wertvoll für Berlin.
»Es hat viele Diskussion in der Öffentlichkeit über Sterling Brown und Matt Thomas gegeben, ob sie gut zu uns passen würden. Aber wir haben an ihnen festgehalten«, erinnerte Sportdirektor Ojeda an schwache Phasen, vor allem in der Euroleague. »Und nach Khalifas Disqualifikationen wäre es das Leichteste in diesem Business gewesen, wenn wir uns von ihm getrennt hätten. Stattdessen redeten wir viel mit ihm, analysierten in Ruhe. Er hat seine Fehler erkannt, und am Ende haben wir auch an ihm festgehalten. Wir lassen unsere Leute nicht fallen, wir helfen ihnen. Und das hat sich heute ausgezahlt.«
Beste Chemnitzer Saison endet jäh
Widrigkeiten, die zusammenschweißen. So lässt sich Albas zweite Saisonhälfte überschreiben. Egal, wie oft die Berliner fielen, sie standen immer wieder auf. Vor einem Jahr waren viele, titelsatte Stars schon im Viertelfinale gescheitert, als sie die Intensität des späteren Meisters aus Ulm nicht mitgehen konnten. Die meisten verließen Berlin danach.
Die starken Chemnitzer hatten nun das Zeug dazu, eine weitere Überraschung zu schaffen, doch diesmal hielten die Berliner dagegen. »Wir sind noch mehr zusammengerückt. Jeder auf dem Feld wusste, dass er dem Team irgendwas geben muss. Es gab keine Ausreden mehr, keine Ersatzleute«, fasste Malte Delow die Stimmung zusammen. Er selbst war als Aushilfsspielmacher eingesprungen und sammelte 17 Punkte im Entscheidungsspiel, ein persönlicher Playoff-Rekord.
Dem gegenüber standen enttäuschte Chemnitzer, deren beste Spielzeit ein jähes Ende gefunden hatte. »Das war eine verdammt gute Saison, doch es wird eine Weile brauchen, diese Niederlage sacken zu lassen«, sagte Kapitän Jonas Richter dem »nd«. Schon früh in der Saison habe der Ur-Chemnitzer, der nie für einen anderen Verein gespielt hat, das Potenzial der aktuellen Mannschaft erkannt. Der Gewinn des Europe Cups und der erstmalige Einzug ins BBL-Halbfinale wurden später Beweis dafür. Das denkbar knappe Scheitern mit 2:3 in der Serie gegen Alba machte das Ende jedoch »sehr bitter«. Albas Umstellung in der Abwehr sei der Schlüssel gewesen. »Koumadje hat die Zone zugemacht, und unsere Dreier sind nicht mehr reingegangen. Dann ist es schwer, so ein Spiel zu gewinnen«, sagte Richter. »Respekt an die Berliner, dass sie das so durchgezogen haben. Ihre Situation war nicht einfach.«
Ab in die Eistonne
Die Hochachtung gaben Albas Spieler unisono an die Sachsen zurück: »Chemnitz hat unglaublich guten Basketball gespielt. Wir schafften es nie, sie zu verteidigen. Erst als wir mit der Zone unsere Notlösung auspackten, hatten sie zum Glück keinen Plan dagegen. Ich bin heilfroh, dass wir weiter sind«, meinte Berlins Flügelspieler Tim Schneider auf dem Weg in die Eistonne. »Wir sind alle ganz schön K.o.«
Viel Zeit zur Regeneration aber bleibt nicht. Schließlich stehen schon an diesem Samstag und am Montag in München die ersten beiden von maximal fünf Finalpartien an. »Gegen die Bayern haben wir nur eine Chance, wenn wir ihnen weglaufen können. Wir müssen übers Tempo kommen, denn physisch wird das verdammt hart«, erinnerte sich Schneider an vier Duelle in dieser Saison, von denen die Bayern drei gewannen.
Nun fehlen auch noch drei Spielmacher und der Kapitän kann kaum laufen. »Es wird darauf ankommen, Schmerzen und Müdigkeit auszublenden. Wir haben die Fähigkeit zu kämpfen. Damit werden wir jetzt nicht aufhören, nur weil uns neue Steine in den Weg gelegt werden«, hoffte Trainer González auf weitere Energieleistungen. »Das ist ein besonderes Team. Irgendwie finden wir immer einen Weg.«
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