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Olympia für alle: Der Traum von Teilhabe

Martin Krauß erzählt den Sport als eine Geschichte, die oft auch von Ausgrenzung und Ignoranz handelt

Es gibt Autoren, die behaupten, dass sie für die Suche nach einem Buchtitel länger gebraucht haben als für das Verfassen ganzer Kapitel. Dem Berliner Autor Martin Krauß ist dieses harte Los erspart geblieben, die Idee zu »Dabei sein wäre alles« kam ihm schon in der Frühphase eines Schreibprozesses, dem auch bei den folgenden 450 Seiten Erfolg beschieden war.

Bücher, die die Diskriminierungsformen im Sport thematisieren, sind zuletzt gehäuft erschienen. Eine systematische historische Aufarbeitung liegt nun mit Krauß’ Buch vor. Und das bei aller Seriosität in unterhaltsamer Form – im besten Sinne. Dass Krauß ein außergewöhnlich guter Stilist ist, weiß indes bereits jeder, der seine Kolumnen »Über den Ball und die Welt« in der »Taz« kennt. Besonders plastisch sind die Kapitel, die die systematische Diskriminierung von Frauen belegen, ein Phänomen, das bis in die Vor- und Frühgeschichte des Sports zurückreicht. En passant räumt Krauß mit dem auch in sich aufgeklärt wähnenden Milieus verbreiteten Glauben auf, dass Männer per se im Sport besser seien. Dabei wurden allein im Schwimmen »etwa zu Beginn der 2020er Jahre 14 der 23 Ausdauerrekorde von Frauen gehalten.«

Wie die Fische im Wasser

Aufschlussreich auch die angeführten Quellen aus dem 15. und 16 Jahrhundert, in denen europäische Schiffsleute voller Staunen berichten, dass sie an afrikanischen Küsten Menschen vorgefunden hätten, die sich »wie die Fische« im Wasser fortbewegten. Krauß fragt sich, wie es dann zu erklären sei, dass heute fast ausschließlich weiße Schwimmerinnen und Schwimmer zur Weltelite zählen. Seine Antwort: Im Zeitraum zwischen den 1940er und 60er Jahren verließen 90 bis 95 Prozent der weißen Schwimmer einen öffentlichen Pool, sobald Schwarze ihn betraten. Das – und die marode Infrastruktur in vielen US-Vororten – hatte Folgen.

Was also hilft gegen Ignoranz und Dummheit? Krauß gibt implizit ein paar Antworten. Zum Beispiel Zivilcourage, wie sie Tennisspielerin Naomi Osaka an den Tag legte, die 2020 bei den US-Open bei jedem Turniertag einen anderen Namen eines Opfers von Polizeigewalt auf ihre Corona-Maske schrieb und die Vorbilder hatte: »Revolutionär veränderten die Amerikanerinnen Alice Marble und Althea Gibson den Sport«, schreibt Krauß. Die Erstgenannte, eine engagierte Bürgerrechtlerin, ebnete der Zweiten, einer Afroamerikanerin, den Weg, um zwischen 1956 und 1958 vier Grand-Slam-Turniere zu gewinnen. Und die Schwarze Tennislegende Serena Williams wies in diesem Jahrhundert immer wieder darauf hin, wie wirkmächtig Rassismus und Misogynie noch heute sind.

Dankenswerterweise tappt Buchautor Martin Krauß dabei allerdings nicht in die Alarmismus-Falle, in der einige Kolleginnen und Kollegen geradezu lustvoll ihre Pirouetten drehen. Der Glaube, dass die Beschreibung eines deratigen Phänomens nur dann legitim ist, wenn sie mit Wendungen wie »immer mehr« und »zunehmend« angeteasert wird, ist fatal, weil er dem Eindruck der Menschen widerspricht, die – im Gegensatz zu vielen Autoren – allwöchentlich Sportveranstaltungen besuchen. Und die aus dieser Dynamik die Motivation ziehen, die vielen immer noch unhinterfragten Diskriminierungsformen im Sport aufzubrechen.

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Wie viel da noch zu tun ist, erfährt, wer »Dabei sein wäre alles« liest.

Martin Krauß: Dabei sein wäre alles. Wie Athletinnen und Athleten bis heute gegen Ausgrenzung kämpfen. Eine neue Geschichte des Sports. C. Bertelsmann, 448 S., geb., 28 €.

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