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Wie grün sind grüne Geldanlagen?
Staat und Banken allein können die Klima-Transformation der Wirtschaft nicht finanzieren
In einem Punkt scheinen sich viele Umweltorganisationen mit der Wirtschaftslobby einig: Für den grünen Umbau der Industriegesellschaft kommt der Finanzierung eine entscheidende Rolle zu. »›Grünes Geld‹ – also nachhaltige Kapitalanlagen oder Kredite – sind unverzichtbar, um die Kosten zu stemmen«, sagte der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), Alexander Bonde, am Dienstag auf der Jahrespressekonferenz in Osnabrück. Die Finanzmärkte müssten im Kampf gegen Klima- und Artenkrise Teil der Lösung sein. Die mit einem Stiftungskapital von rund 2,5 Milliarden Euro durchaus ansehnlich ausgestattete Stiftung, die über 11 000 kleinere Projekte finanziert, beschäftigt sich bereits seit zwei Jahrzehnten mit nachhaltigen Kapitalanlagen. Auch das eigene Stiftungskapital wird in Teilen grün angelegt.
Um die politischen Ziele im Klimaschutz zu erreichen, müssten in Deutschland bis zum Jahr 2045 zusätzlich zu billionenschweren Ersatzinvestitionen in Leitungen, Schienenwege und Gebäude weitere zwei Billionen Euro investiert werden, rechnet DBU-Finanzexperte Michael Dittrich vor. Studien wie die aktuelle des französischen Thinktanks Institut Rousseau weisen für die Europäische Union insgesamt einen zusätzlichen Finanzbedarf von zehn Billionen Euro aus. Die angespannten öffentlichen Haushalte könnten nur einen kleinen Teil bereitstellen, warnt die DBU. Auch Banken stießen dabei an ihre Grenzen. Daher seien private Anleger, Versicherungen und Pensionskassen verstärkt gefragt.
DBU-Chef Bonde, früher Grünen-Umweltminister in Baden-Württemberg, zeigt sich optimistisch. Mit dem »Green Deal«, den Ursula von der Leyen (CDU) in ihrer ersten Amtszeit als Präsidentin der Europäischen Kommission vorangetrieben hat, sind Dutzende von Richtlinien und Regelwerke verbunden, die ökologische, soziale und unternehmerische Standards setzen. Seit diesem Jahr müssen mittlere und größere Unternehmen Daten über ihre Nachhaltigkeit sammeln. 2025 werden dann erstmals Berichte entsprechend der »Corporate Sustainability Reporting Directive« veröffentlicht werden. Das erhöht den Druck auf die Wirtschaft, ihren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Umweltberichte, die einerseits von Banken und Investoren kritisch beäugt werden dürften, die ebenfalls ihren eigenen Fußabdruck verkleinern müssen, und die andererseits die Nachfrage nach grünen Geldanlagen weiter erhöhen könnten.
Aber auch in der Bevölkerung, jedenfalls in dem Teil, der es sich leisten kann, wächst die Nachfrage nach grünen Geldanlagen. Wenngleich die Qualität der Produkte sehr unterschiedlich ist, wie der kürzlich veröffentlichte, diesjährige Marktbericht des Forums Nachhaltige Geldanlagen zeigt. Die meisten Anbieter beispielsweise von grünen Fonds setzen lediglich auf schwache Ausschlusskriterien wie Atomstrom, Rüstung oder fossile Energie. Zudem reagierten Banken, Versicherungen und Investmentgesellschaften auf Kritik am »Greenwashing« ihrer Produkte. Im Zuge der EU-Offenlegungsverordnung bieten sie statt dunkelgrüner Artikel-9-Fonds, die dazu beitragen, dass die UN-Entwicklungsziele nicht verletzt werden, und die transparent eine positive Nachhaltigkeitswirkung aufzeigen, nun lieber weniger streng gehandhabte Artikel-6-Produkte an.
Ein anderes Thema gewinnt in der Finanzbranche zunehmend an Bedeutung: Biodiversität. Davon zeigen sich sowohl die DBU als auch das Forum Nachhaltige Geldanlagen überzeugt. Dessen Marktbericht erfasst zwar nur einen Ausschnitt des Finanzmarktes in Deutschland und Österreich, aber immerhin ein Grüngeld-Volumen von über 600 Milliarden Euro. Doch während sich der Klimaschutz in einer einzigen Kennzahl erfassen lässt, der Reduzierung des CO2-Ausstoßes, ist der Schutz von Wasser, Luft und Artenvielfalt komplexer. Immerhin ein Drittel der befragten Finanzunternehmen integriere derzeit Biodiversitätsrisiken in ihre Investmentprozesse. Auch soziale Themen rückten vermehrt in den Fokus, heißt es.
Dennoch bleibt die Crux: Banken, Fonds und Anleger orientieren sich an Rendite und Risiko. Das Verhältnis beider muss aus ihrer Sicht stimmen. Das ist laut DBU bei Wind-, Solaranlagen und Leitungsnetzen gegeben, nicht aber bei Sektoren, für die es bislang keine wirtschaftlich rentablen Geschäftsmodelle gibt, wie »grünen« Zement oder Stahl. Auch Finanzierungen in Entwicklungs- und Schwellenländern, die für Klima- und Artenschutz unerlässlich sind, gelten als finanziell unattraktiv. Der Staat solle den Geldgebern daher Risiken durch Bürgschaften und Teilfinanzierungen abnehmen – damit die grüne Transformation hinreichend profitabel wird.
Es bleibt die Crux: Banken, Fonds und Anleger orientieren sich an Rendite und Risiko.
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