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Millionen umverteilt: Guter Rat ist teuer
Die Entscheidung ist gefallen. Ein Bürgerrat verteilt in Österreich 25 Millionen Euro aus dem Erbe von Marlene Engelhorn
Am Dienstag war es so weit: Im Wiener Presseclub Concordia, dem Clubhaus der ältesten bestehenden Journalistenvereinigung weltweit, versammeln sich vier Vertreter*innen des sogenannten »Guten Rats für Rückverteilung«. Sie sollten die Entscheidung verkünden: Wohin fließen 25 Millionen Euro von Marlene Engelhorns Erbe? Sechs Wochenenden hatte das Gremium getagt. Es ist eine lange Liste, die die Vier präsentieren.
Mit 1 632 400 Euro bekommt der Naturschutzbund Österreich den höchsten Betrag. Die geringste Summe, 40 000 Euro, erhält das Klimadashboard, ein Verein zur Förderung von Bewusstseinsbildung zur Klimakrise. Dass beide Vereine dem Umweltbereich entstammen, ist Zufall. Insgesamt erhalten 77 Organisationen aus den Bereichen Gesundheit, Soziales, Wohnen, Integration, Bildung, Demokratisierung und Klima Geld vom »Guten Rat«.
Engelhorn selbst glänzte bei der Verkündung der Ergebnisse durch Abwesenheit. Sie habe im Vorfeld mitgeteilt, sie wolle dem Rat nicht »die Show stehlen«, erklärte das Team. Schließlich gehe es bei dem Bürgerrat auch darum, Macht umzuverteilen.
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Engelhorns Familie hatte den 1817 in Stuttgart gegründeten Pharmakonzern Boehringer Mannheim Ende der 90er für eine Summe zwischen neun und elf Milliarden an die Schweizer Roche Holding verkauft. Engelhorn spricht selbst meist über »zu viele Milliarden«. Sie erbte davon einen zweistelligen Millionenbetrag, für den sie in Österreich keine Steuern zahlen muss. Die Erbschaftssteuer wurde dort 2008 durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben.
Seit einigen Jahren macht sich Engelhorn deswegen einen Namen als Aktivistin für Umverteilung. Sie ist Mitbegründerin der europäischen Bürgerinitiative »Tax the Rich«, die eine europäische Vermögenssteuer fordert, und will nun mit dem Bürgerrat 90 Prozent ihres Erbes »rückverteilen«. Das tut sie, weil »der Staat seine Aufgabe nicht erfüllt«, wie sie es formuliert.
Der »Gute Rat« war vom Forschungsinstitut Foresight zusammengesetzt worden und weicht, laut Eigenauskunft, in Bezug auf Alter, Einkommen, Geschlechtsidentität, Region, Bildung, Beschäftigung, Migrationshintergrund und der Einstellung zur Verteilung von Vermögen nur zwei Prozent von der österreichischen Gesamtgesellschaft ab.
»Unsere Entscheidungen sind exemplarisch dafür, was man tun könnte, wenn es eine faire Besteuerung gäbe.«
Dietmar Feurstein Ratsmitglied
Seit Januar beschäftigte sich der 50-köpfige Rat mit der österreichischen Vermögensverteilung. Er teilte sich in sechs Arbeitsgruppen auf, die jeweils höchstens vier Millionen Euro verteilen durften. Wissenschaftler*innen und Expert*innen aus unterschiedlichen Bereichen berieten die Ratsmitglieder dabei, Entscheidungen wurden nach dem Konsensprinzip getroffen, erklärt Projektleiterin Alexandra Wang den Prozess.
In einer Pressemitteilung spricht Engelhorn den Ratsmitgliedern ihre Dankbarkeit aus. Diese hätten sich »einem demokratischen Prozess gestellt« und dadurch die »gesellschaftlichen Debatten über Demokratie und Mitbestimmung, über Steuergerechtigkeit und soziale Ungleichheit angetrieben«. Damit hätten sie dazu beigetragen, die Themen international zu einem medialen Schwerpunkt werden zu lassen.
In Zahlen lässt sich dieser Schwerpunkt aber nicht übersetzen, auch wenn Ratsmitglied und Handelsangestellte Elisabeth Klein bei der Verkündung der Ergebnisse betonte: »Eine sinnvolle Kombination von Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögensteuern ist notwendig, wobei der Großteil der Menschen von diesen Steuern gar nicht betroffen wäre.« Deswegen würde der Rat Organisationen wie das Tax Justice Network, das zu Steuerhinterziehung arbeitet, die globalisierungskritische NGO Attac oder das World Inequality Lab, das zu Ungleichheit forscht und informiert, fördern.
Auf Nachfrage, warum der größte Betrag nun an den Naturschutzbund fließt, erklärte Ratsmitglied Angelika Taferner, eine Büroangestellte aus Niederösterreich: »Wir dachten uns, da das so ein großes Projekt ist, braucht es auch viel Geld. Dass es dadurch den größten Betrag erhält, wussten wir im Prozess nicht.« Zu ihren Lehren aus dem Bürgerrat betonen die Ratsmitglieder die Vorteile des demokratischen Prozesses dieses Gremiums.
Das Thema Umverteilung kommt dagegen nur auf Rückfrage zur Sprache. Mit 25 Millionen werde die Armut nicht verringert, sagt das Ratsmitglied Dietmar Feuerstein, Rentner aus Vorarlberg. Und ergänzt: »Unsere Entscheidungen sind exemplarisch dafür, was man tun könnte, wenn es eine faire Besteuerung gäbe.«
Engelhorn betont, jetzt sei die Politik gefordert, dem Beispiel gerecht zu werden. Ob ein Bürgerrat das bezwecken kann, bleibt offen. Prinzipiell hält sich jedenfalls die Regel von Armutsforscher Chistoph Butterwegge: Verteilungspolitisch auf eine »Sozialpartnerschaft« zwischen Armen und Reichen zu hoffen, ist illusorisch. Auch, oder vielleicht gerade, in einem Land wie Österreich, das sich selbst gerne für seine gelebte Sozialpartnerschaft rühmt.
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