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Die Utopie ist Vergangenheit
Vier Jahre Kunstprojekt »Utopolis« in Lübbenau finden keine Fortsetzung – ein Film dokumentiert das Geleistete
Die lesefreundlich gestaltete Broschüre des Kulturhofs Lübbenau informiert über vier Jahre Kunst und Nachbarschaft in der Stadt im Spreewald. Doch es ist auch ein Abschied. Gleich auf der ersten Seite heißt es: »Dankbar und schweren Herzens nehmen wir Abschied vom Modellprojekt Utopolis, welches die Stadt Lübbenau/Spreewald um eine Vielzahl kultureller und künstlerischer Angebote für die Nachbarschaft bereicherte, bis die Förderung auf Bundesebene endete und kommunal ausblieb.«
Am Donnerstagabend gab es noch einmal einen wehmütigen Rückblick auf vier Jahre Kulturarbeit. Denn da wurde der Film »Varieté Utopolis – oder einige Meter Autobahn« in Lübbenau gezeigt, der dafür sorgt, dass das Projekt Utopolis nicht ganz in Vergessenheit gerät. Der Berliner Regisseur Matthias Coers hat die 16 Stadtquartiere besucht, in denen vier Jahre lang soziokulturelle Projekte unterschiedlicher Art angeboten wurden, deren Finanzierungsgrundlage das Utopolis-Bundesprogramm bildete. Es handelt sich durchweg um Stadtteile, in denen Menschen mit geringem Einkommen leben und sich Theater, Kino und andere kulturelle Angebote oft nicht leisten können.
Das »Gleis 3« hinter dem Lübbenauer Bahnhof ist ein solcher Ort der Soziokultur. Auf der einen Seite gibt es die romantische Altstadt, in die investiert wird, um den Tourismus zu fördern. Auf der anderen Seite der Gleise liegt die Neustadt, die in den 50er Jahren für die Beschäftigten des 1959 in Betrieb gegangenen Braunkohlekraftwerks Lübbenau errichtet wurde. 1996 ging dieses Kraftwerk vom Netz.
»Die Arbeitsstellen waren weg, die Leute waren weg, es gab super Leerstand, es war hier wirklich nicht schön, alle Leute waren frustriert«, beschreibt Susann Köbernick die Situation, mit der sich das von ihr geleitete Lübbenauer Utopolis-Projekt befasste. »Wir haben Malaktionen gemacht, zehn Meter lange Papierleinwände, wo die Kinder dann mit Besen und Reisigbesen gemalt haben«, berichtet Köbernick.
Lübbenau zählte zu DDR-Zeiten rund 25 000 Einwohner*innen. Heute sind es nur noch etwa 15 000. »Was sicherlich neben den Fähigkeiten der Kulturschaffenden vom ›Kulturhof‹ und ›Gleis 3‹ ein entscheidender Grund war, dass Lübbenau für das Utopolis-Projekt ausgewählt wurde«, erklärt Regisseur Matthias Coers.
In der Filmaufführung sieht Coers eine Möglichkeit für den Kreis der im Modellprojekt Aktiven und für weitere Zuschauer*innen, die eigene Arbeit auch im Abgleich mit anderen bundesweiten Projekten zu reflektieren. Durch das Auslaufen der Förderung ist allerdings der Kontakt zu den Jugendlichen, die an den Projekten beteiligt waren, deutlich reduziert. Nur wenige kamen zur Filmvorführung.
Nach Lübbenau wurde der Film auch in Dresden und Weimar gezeigt. In beiden Städten wurde die Notwendigkeit betont, für soziokulturelle Projekte eine finanzielle Ausstattung einzufordern, die sich an dem orientiert, was die Beteiligten brauchen. Das ist besonders schwierig, da viele Kommunen zunehmend nur über eingeschränkte finanzielle Mittel verfügen.
Der intensive Film ist ein Beitrag dazu, dass die Menschen diskutieren, was sie für eine Utopolis, die Stadt für alle, benötigen und wie sie dafür kämpfen können. Diese Fragen sind in Lübbenau genauso aktuell wie in dem ebenfalls von Deindustrialisierung betroffenen Städtchen Neunkirchen im Saarland oder den abgehängten Stadtteilen in Flensburg oder Nürnberg, die der Film vorstellt. In all diesen Städten wird er in den nächsten Wochen zu sehen sein. Es wäre zu wünschen, dass der Film eine bundesweite Debatte auslöst über die Frage, warum solche Projekte wie Utopolis nach vier Jahren eingestellt werden, weil das Geld fehlt, obwohl das Interesse der Menschen vorhanden ist. Geld für Kultur statt für Militär und Rüstung, das ist eine Forderung, die sich da schnell einstellt.
Der Film »Varieté Utopolis – oder einige Meter Autobahn« ist zu sehen in Berlin, im Kino »Moviemento«, Kottbusser Damm 22, am 26. Juni um 19.30 Uhr und im »Lichtblick«, Kastanienallee 77, am 13. Juli, ebenfalls um 19.30 Uhr.
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