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Pflichtversicherung: Doch noch ein Gesprächsversuch
Die Länder wollen noch einmal verhandeln und bereiten gleichzeitig eine Bundesratsinitiative vor
Nachdem die Regierungschefinnen und -chefs der Länder die Bundesregierung auch bei ihrem jüngsten Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht dazu bringen konnten, die Blockade des Bundes gegen die Einführung einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung aufzugeben, wollen sie nun zweigleisig fahren. Einerseits sei ein weiteres Spitzengespräch zu dem Thema vereinbart worden, sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Freitag in Erfurt dieser Zeitung. In diesem Rahmen würden sich demnächst zwei oder drei Ministerpräsidenten noch einmal mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sowie Scholz treffen. Andererseits würden die Ländern nun eine gemeinsame Bundesratsinitiative vorbereiten, um eine solche Versicherungspflicht auch gegen den Willen der Bundesregierung durchzusetzen.
Er hoffe, dass der Bund in diesem Streit doch noch nachgeben werde, so Ramelow. Allerdings seien die Länder bereit, ihre Haltung auch gegen die Bundesregierung durchzudrücken. »Das ist wie mit Autofahren und Sicherheitsgurt«, sagte Ramelow. Zwar hoffe jeder Autofahrer, dass er nicht in einen Unfall verwickelt werde und ihn deshalb nicht brauche. Trotzdem lege jeder verantwortungsvolle Autofahrer einen Sicherheitsgurt an, um für den Fall der Fälle vorbereitet zu sein.
Schnell wird eine mögliche Bundesratsinitiative allerdings kaum zu konkreten Ergebnissen führen. Er rechne damit, dass die formalen Arbeiten daran bis zu einem Jahr lang dauern könnten, sagte Ramelow. »Also ich denke, dass wir von zwölf Monaten Begleitmusik jetzt reden.«
Seit Jahren wird in Deutschland darüber diskutiert, ob Hausbesitzer verpflichtet werden sollen, eine Elementarschadenversicherung abzuschließen, die dann greifen würde, wenn ihre Immobilien etwa in Folge von starken Niederschlägen unter Wasser stehen oder sie durch Schlammlawinen beschädigt werden. Die entsprechende Debatte war zuverlässig nach so ziemlich jeder größeren Naturkatastrophe wieder aufgetaucht. Konkrete Ergebnisse hat sie bislang aber nie gehabt. Nachdem vor Kurzem in Süddeutschland mehrere Regionen infolge von Dauerregen überflutet worden sind, wird diese Debatte erneut geführt.
Alle Landesregierungen sprechen sich inzwischen einhellig für die Einführung einer solchen Pflichtversicherung aus. Die Bundesregierung lehnt das auf Druck der FDP bislang ab, den innerhalb des Kabinetts von Scholz vor allem Buschmann ausübt.
Für die Ministerpräsidentenkonferenz am vergangenen Donnerstag hatten die Länderchefinnen und -chefs geplant, Scholz und Buschmann doch noch davon zu überzeugen, dass eine verpflichtende Elementarschadenversicherung unbedingt nötig ist. Damit sind sie allerdings gescheitert. Buschmann will Versicherungen lediglich verpflichten, Hausbesitzern ein Angebot zum Abschluss einer solchen Police zu machen. Ob die Menschen sie annehmen oder nicht, sollen sie am Ende selbst entscheiden dürfen. Ramelow hatte bereits vor Beginn der Ministerpräsidentenkonferenz angekündigt, sollte der Bund seine Blockadehaltung in dieser Sache nicht aufgeben, würden die Länder eines Gesetzesinitiative über den Bundesrat – und damit vorbei an der Ampel-Koalition im Bund – auf den Weg in den Bundestag bringen, um eine verpflichtende Elementarschadenversicherung in Deutschland durchzusetzen.
Unterstützung für das Nein zu einer Pflichtversicherung bekommen Buschmann und die Bundes-FDP von den Thüringer Liberalen. Er halte es für richtig, dass jedem Hausbesitzer ein Angebot zum Abschluss einer Elementarschadenversicherung gemacht werde, sagte der FDP-Vorsitzende im Freistaat, Thomas Kemmerich. Es müsse aber die freie Entscheidung des Einzelnen bleiben, ob er – in Kenntnis des Risikos – dieses Angebot annehme oder nicht. »Wer’s falsch riskiert, riskiert’s halt falsch.« Manche Häuser stünden allerdings in Regionen, in denen es nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit gebe, dass es dort zu Naturkatastrophen komme, sodass es für den ein oder anderen wahrscheinlich unwirtschaftlich sei, eine solche Versicherung abzuschließen, sagte Kemmerich.
Die Befürworter einer Pflichtversicherung bestreiten allerdings genau diese Annahme: Dass es in Zukunft noch Regionen gibt, für die sich zuverlässig voraussagen lässt, dass es dort nur eine sehr geringes Risiko für von der Natur verursachte Schäden an Immobilien gibt. In den Zeiten des Klimawandels gehe es nicht nur darum, Überschwemmungen zu versichern, die durch Flüsse verursacht werden, die über die Ufer treten, sagte Ramelow. Heftige Regenfälle, die ganze Landstriche unter Wasser setzten, könne es überall geben. Eine verpflichtende Elementarschadenversicherung werde deshalb auch dafür sorgen, dass nach solchen Naturkatastrophen nicht immer wieder der Steuerzahler für die Schäden an den beschädigten oder zerstörten Häusern aufkommen müsse.
In der Vergangenheit war regelmäßig öffentliches Geld genutzt worden, um Menschen zumindest teilweise zu entschädigen, die durch Naturkatastrophen erheblich geschädigt worden sind, aber keine Elementarschadenversicherung hatten.
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