Hafenplatz: »Zeit, den kommunalen Weg zu gehen«

Gaby Gottwald (Linke) zu den Ermittlungen gegen Ioannis Moraitis und den Folgen für den Berliner Hafenplatz

  • Interview: Günter Piening
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Plan, das Wohnquartier am Hafenplatz abzureißen, wird vorerst durch das Ermittlungsverfahren gegen Ioannis Moraitis durchkreuzt.
Der Plan, das Wohnquartier am Hafenplatz abzureißen, wird vorerst durch das Ermittlungsverfahren gegen Ioannis Moraitis durchkreuzt.

Frau Gottwald, Sie verfolgen seit 2017 die Entwicklung von Ioannis Moraitis und seinen Unternehmen. Wie würden Sie das Geschäftsmodell von Moraitis beschreiben?

Sein erstes Geschäftsmodell war, Altbauten aufzukaufen, sie auch an Partner weiterzureichen, die dann über Modernisierung die Mieter*innen rausdrängten und anschließend in Eigentumswohnungen umwandelten. Das funktionierte nicht mehr so lukrativ, als 2019 die Gesetze verschärft wurden. Dann ist er in den Neubau eingestiegen. Er hat viele kleine und mittelgroße Projekte begonnen und mit hübschen Webseiten angepriesen – bisher habe ich aber nicht gesehen, dass er irgendetwas fertiggestellt hat. Der Hafenplatz ist eine große Investition. Es war lange Zeit nicht bekannt, dass Moraitis da drinhängt, übrigens zu 89,9 Prozent, ein klassischer steuersparender Share Deal also. Ich habe es Anfang 2022 zufällig entdeckt. Nach dem Ankauf wies die Bilanz der Projektgesellschaft 80 Millionen Euro Verbindlichkeiten auf.

Wo kriegt er all das Geld her?

Es ist nicht ungewöhnlich, solche großen Projekte mit Krediten zu finanzieren. Problematisch ist, wenn mit Krediten andere Kredite finanziert werden. Das erinnert schon an Benko und sein Signa-/Karstadt-Imperium. Im Detail weiß man wenig. Moraitis schweigt sich zu seiner Finanzstruktur aus. Er müsste die Bilanz 2022 der Projektgesellschaft schon im April veröffentlicht haben. Sie liegt im Register noch nicht vor. Was wir aus der Presse wissen ist, dass er hohe Kredite bei einem Finanzierungsfonds mit einer Verzinsung von 15 Prozent aufgenommen hat. Wenn er solche Konditionen akzeptiert, könnte das ein Indiz für Kapitalmangel sein.

Interview

Gaby Gottwald (Linke) war von 2017 bis 2021 Abgeordnete im Berliner Landes­parlament. Danach wechselte sie in die Bezirks­verordneten­versammlung Friedrichshain-Kreuzberg. Sie ist stadt­entwicklungs­politische Sprecherin der Fraktion. Seit 2017 versucht Gottwald, durch Auswertung von Geschäfts­berichten, Handels­register­auszügen und Medien­berichten die Unter­nehmen von Ioannis Moraitis zu durchleuchten.

Und jetzt erhebt die Staatsanwaltschaft Hamburg auch noch Betrugsvorwürfe.

Das »Handelsblatt« berichtet, dass Moraitis einer Bank falsche Belege vorgelegt haben soll, um an einen großen Kredit zu kommen. Das wäre keine Kleinigkeit. Er soll es mit mehreren zusammen gemacht haben, dann könnte es auf organisierten Betrug hinauslaufen. Aber da müssen wir die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten.

Sind das nicht alles Indizien dafür, dass Moraitis längst pleite ist?

Ich wäre nicht überrascht, wenn auch wegen Insolvenzverschleppung ermittelt würde. Aber da muss man vorsichtig sein – Moraitis ist sehr klagefreudig, behaupten würde ich es also nicht.

Undurchsichtige Finanzen, Klagen von Mieter*innen und Handwerker*innen, Mieterverdrängung – die Missstände waren jahrelang bekannt. Trotzdem zog der Bezirk nicht die Reißleine. Man scheint in Berlin ein Urvertrauen in Investoren zu haben, egal wie kaputt die Projekte und wie undurchsichtig die Investoren sind. Wie kommt das?

Beim normalen Bebauungsplanverfahren ist völlig egal, wer das Bauvorhaben betreibt, wem das Areal gehört und wie das Projekt finanziert wird. Ein Grund ist die Gesetzeslage. Wesentliche Informationen wie der Finanzierungsplan oder die finanzielle Potenz des Investors müssen nicht vorgelegt werden. So ist es auch beim Hafenplatz. Deswegen habe ich schon frühzeitig im Ausschuss gesagt, ich bewege mich keinen Millimeter, wenn ich nicht weiß, welche Finanzierung dahintersteht.

Ioannis Moraitis

Der Unternehmer hat ein verschach­teltes Immobilien-Imperium aufgebaut und sorgte zum ersten Mal mit dem Kauf des Kreuz­berger Gemüse­ladens Bizim Bakkal für Negativ­schlagzeilen. Er ist Geschäfts­führer der Hedera Bauwert, die Mehrheits­eigentümerin des Hafenplatz-Areals ist. Das Wohnquartier in Kreuzberg mit verhältnismäßig günstigen Mietwohnungen soll abgerissen werden, an dessen Stelle soll ein neuer Wohn- und Gewerbekomplex treten. Letzte Woche berichtete das »Handels­blatt«, dass die Staats­anwalt­schaft Hamburg gegen Moraitis ermittelt. Kurze Zeit später teilte Florian Schmidt (Grüne), Bau­stadtrat in Friedrichs­hain-Kreuz­berg, mit, er habe kein Vertrauen mehr zu Moraitis, und kündigte Konse­quenzen für das Bebauungs­plan­verfahren Hafen­platz an.

Da überrascht es schon, dass Kreuzbergs Baustadtrat eine 180-Grad-Wende macht und die Kooperation mit Moraitis nun infrage stellt.

Nachdem die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bekannt geworden sind, ist Vorsicht geboten. Und mit dieser unglaublich aktiven Hafenplatz-Initiative gibt es seit einem halben Jahr einen neuen Akteur, der das bisherige Verfahren aufmischt und die politische Öffentlichkeit gegen das geplante Bauprojekt aufbringt. Auch daran kommt man nicht vorbei.

Bietet die Situation auch neue Chancen für den Hafenplatz?

Es ist eine schwierige Lage. Der Totalabriss ist wohl ein Stück weit vom Tisch, es gibt ja keinen mehr, der bauen will oder kann oder darf. In dieser Konstellation ruht derzeit das Verfahren zum Bebauungsplan. Aber wir können nicht einfach nichts machen. Diese Häuser sind über Jahre vernachlässigt worden, Sanierung wird also teuer. Wenn man die Mieterschaft dort halten will – und das will die Mehrheit der BVV –, braucht es ein Umdenken, und die Wohnraumversorgung muss Priorität bekommen. Bisher war die oberste Maxime die Rentabilität, also die Grundstückskosten durch Abriss und möglichst viel Baumasse rentabel zu machen. Die Wohnraumversorgung bleibt dabei auf der Strecke. Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel. Der Staat hat sich jahrelang nicht darum gekümmert, was in dem Komplex passiert, hat zugeschaut, wie schon 2018 ein erheblicher Teil der Mieter*innen rausgedrängt wurde. Wer so fahrlässig die Menschen nicht schützt, der muss irgendwann mal die Verantwortung für sein Nichthandeln übernehmen und bezahlen. Jetzt scheint mir der Punkt gekommen, wo man den kommunalen Weg einleiten muss.

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