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Klage gegen Klimaaktivisten: Will Leag Angst verbreiten?
Der Kohlekonzern Leag bleibt mit seiner Unterlassungsklage am ersten Prozesstag erfolglos
Am Dienstag begann im Landgericht Cottbus das Verfahren um eine Unterlassungsklage des Braunkohlekonzerns Leag gegen zwei Klimaaktivisten. Sie waren im Februar 2019 an der Besetzung von Kohlebaggern beteiligt. Zu einer Einigung kam es am ersten Prozesstag nicht.
Ein wichtiger Aspekt wird vor Gericht indes nicht behandelt: Missbraucht Leag den Prozess, um die Klimabewegung einzuschüchtern? Solche Verfahren nennen sich SLAPPs: »Strategic Lawsuit Against Public Participation« – zu Deutsch: strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung.
Ein Indiz dafür sieht Marie Bohlmann von der Umweltrechtsorganisation Green Legal Impact in der Geldsumme, die als Streitwert bei den Verhandlungen angesetzt ist. Dieser liegt bei 200 000 Euro. Der Streitwert bildet die Grundlage für die Berechnung der Prozesskosten. Ob es sich tatsächlich um einen »SLAPP« handelt, sei jedoch schwierig zu beurteilen. Denn in Deutschland fehlt es an einem Gesetz dazu. Zwar hat die EU im März eine Anti-SLAPP-Richtlinie verabschiedet, doch die Mitgliedsstaaten haben zwei Jahre Zeit diese umsetzen.
Bis dahin lässt sich nur auf die Kriterien der EU-Richtlinie verweisen. Dazu gehört die »Unbegründetheit einer Klage«, erklärt Bohlmann. Auch dafür gebe es im Cottbusser Verfahren Hinweise. Denn die verhandelte Unterlassungserklärung umfasst zwei Teile: Die Leag fordert von den Aktivisten nicht nur, darauf zu verzichten, den Tagebau zu betreten, sondern auch das Kraftswerksgelände. Die Besetzung fand 2019 aber nur im Tagebau statt – mehrere Kilometer vom Kraftwerk entfernt.
»Die Klage soll kritische Stimmen mundtot machen.«
Jana Alt Klimaaktivistin
Eine den Tagebau betreffende Unterlassungserklärung haben beide Beklagten bereits vor Verhandlungsbeginn unterzeichnet, sagt die Aktivistin Jana Alt dem »nd«. Sie begleitet den Prozess. »Die Leag möchte auch den zweiten Teil der Unterlassungserklärung durchdrücken«, sagt sie. »Das bestätigt, dass es sich um eine strategische Klage handelt, die nur dazu dient, Aktivist*innen fernzuhalten und kritische Stimmen mundtot zu machen.« Auch die Juristin Bohlmann sieht in der geforderten Unterlassungserklärung für das Kraftswerksgelände ein Indiz dafür, dass die Klage »mindestens teilweise unbegründet« sei.
Doch es gibt auch andere Stimmen: Kyrill-Alexander Schwarz, Professor für öffentliches Recht, schätzte die Situation dem »nd« gegenüber so ein: »Die Leag macht in legitimer Weise von ihrem Hausrecht Gebrauch; ein Unterlassungsanspruch gegen eine drohende, wiederholte Störung ist nicht per se missbräuchlich.« Darüber hinaus würde der Kohlekonzern keine Schadensersatzansprüche geltend machen, um die Aktivisten durch das Prozessrisiko und die Kosten mundtot zu machen. Sein Fazit: »Es handelt sich bei dem Verfahren um keine SLAPP-Klage.«
Allerdings ist die Frage, warum überhaupt drohen sollte, dass die beiden Aktivisten das Kraftwerksgelände betreten. Schließlich ist das schon 2019 nicht passiert. Das monierte auch der Richter des Landgerichts. Vorbeugende Unterlassungserklärungen müssen gut begründet sein. Aus Sicht des Richters hat Leag noch nicht ausreichend dargelegt, warum eine sogenannte »Erstbegehungsgefahr« vorliegt. Er gab dem Konzern bis Ende August Zeit, das nachzuholen.
Die Organisationen Ende Gelände und Robin Wood werteten das als Erfolg. In einer Pressemitteilung schreiben sie: »Nicht einschüchtern lassen!« Eingeschüchtert wirkten die Klimaaktivisten am Dienstag ohnehin nicht. Vor Prozessbeginn fand eine Demonstration mit 20 Teilnehmenden statt, von denen auch die meisten im Gerichtssaal Platz nahmen. Laut »Tagesschau« gab es höhnische Lacher über Erklärungen der Leag-Anwältin und in einem Fall musste der Richter zur Ruhe rufen.
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