»Urbanliner« der BVG: Längste Tram rollt an

BVG stellt den längsten Straßenbahnwagen der Berliner Geschichte vor

Ohne Fahrgäste versprühen die neuen Straßenbahnen fast Tanzsaalatmosphäre.
Ohne Fahrgäste versprühen die neuen Straßenbahnen fast Tanzsaalatmosphäre.

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) freut sich »wahnsinnig«, für Betriebesenatorin Franziska Giffey (SPD) ist es »ein ganz besonderer Moment«, für BVG-Betriebsvorstand Rolf Erfurt und Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) ist es ein »Stolzmoment«.

Es geht um die neue, fast 51 Meter lange Straßenbahn für die Berliner Verkehrsbetriebe, die am Mittwochvormittag auf dem Gelände des Betriebshofs Lichtenberg an der Siegfriedstraße vorgestellt wird. Nach den Politikerreden rollt der Zug aus der Halle an den provisorischen Bahnsteig und zumindest für Kai Wegner dürfte es einer der seltenen Momente sein, bei denen er dieses Verkehrsmittel von innen sieht. Ihm ist wichtig, dass das bisher längste Fahrzeug im Netz der BVG etwas »Besonderes« ist. »Darunter machen wir Berliner es nicht.«

Man sieht dem Fahrzeug, das großteils im Bautzener Werk des französischen Herstellers Alstom gefertigt ist, die Verwandschaft mit dem Vorgänger Flexity an, dessen letzter Zug 2022 ausgeliefert wurde. Damals hieß der Hersteller noch Bombardier. Der Schienenfahrzeugteil des kanadischen Mischkonzerns wurde inzwischen von den Franzosen geschluckt.

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Die Front des »Urbanliner« getauften Nachfolgers ist etwas schnittiger – und auch innen hat sich etwas getan. Der Boden ist wesentlich ebener, die Schrägen an den Fensterplätzen sind weggefallen. Die Durchgänge an den acht Gelenken, die die neun Wagenteile verbinden, sind etwas großzügiger geworden.

Müslüm Yakisan, Alstom-Chef für die deutschsprachigen Länder, hebt die gemeinsam mit der BVG weiterentwickelten Fahrwerke hervor, in denen die Räder sitzen. »Wir haben gemeinsam dafür gesorgt, dass der Verschleiß der Trasse, aber auch die Vibrationen und die Geräuschentwicklung so weit minimiert werden, dass dieses Produkt die Infrastruktur in Berlin nicht so stark belastet wird wie in der Vergangenheit.«

Derzeit stehen deutlich mehr der Flexity-Bahnen in den Werkstätten als geplant, weil der Verschleiß an den Rädern größer ist als eingeplant. Die Fahrgäste bekommen das zu spüren, weil nun oft 30 oder nur 27 Meter lange Züge kommen statt der nötigen 40-Meter-Wagen. Auch bei der U-Bahn hapert es derzeit an einsatzbereiten Fahrzeugen, dort führt das zu schmerzhafteren Ausfällen.

»Ich glaube, da müssen wir eine andere Haltung bekommen. In anderen Städten fährt die U-Bahn alle zehn, alle 15 Minuten.«

Ute Bonde (CDU) Verkehrssenatorin

Die BVG-Aufsichtsratsvorsitzende Franziska Giffey geht auf die aktuelle Lage kurz ein: »Wenn einmal wirklich ein, zwei Minuten länger gewartet werden muss, der Berliner wird ja schon nervös, wenn eine Fünf steht in der Anzeigetafel, dann ist das auch schmerzhaft.« Sie versichert, »dass wir alles dafür tun, dass die BVG ein gutes Leistungsangebot bereithält«.

Auch Verkehrssenatorin Bonde räumt ein: »Vereinzelt regen wir uns darüber auf, wenn der Bus mal ein bisschen später kommt oder die Straßenbahnen oder die U-Bahn.« Sie hält eine Forderung für die Fahrgäste parat: »Ich glaube, da müssen wir eine andere Haltung bekommen. In anderen Städten fährt die U-Bahn alle zehn, alle 15 Minuten.«

Der BVG-Straßenbahnchef ist derweil gespannt auf die anstehenden Testfahrten mit dem neuen Fahrzeug. »Ist es so leise wie versprochen? Ist es so infrastrukturschonend wie versprochen? Kann es so gut beschleunigen wie bestellt und auch zugesagt?«, nennt er einige der Fragen.

Die Tests und die Abnahme sollen im ersten Quartal 2025 so weit fortgeschritten sein, dass die Züge in den Fahrgastbetrieb auf der Linie M4 kommen können. Sie sollen mit einer Kapazität von 312 Fahrgästen die derzeit eingesetzten Doppeltraktionen von 27 Meter langen Fahrzeugen ablösen. Sie fassen 300 Passagiere. Immerhin handelt es sich bei der M4 mit 120 000 bis 130 000 Fahrgästen pro Tag um eine der meistgenutzten Linien. Laut Tramchef Rico Gast liegen die Fahrgastzahlen der Straßenbahn inzwischen höher als vor Corona.

Das ist auch einer der Gründe, warum statt 17 nun 20 der 50 Meter langen Fahrzeuge abgerufen werden. Ursprünglich hätten auch drei »Urbanliner« in der 30-Meter-Version geliefert werden sollen. Der Verzicht auf die Kurzversion ist laut Senatorin Bonde »gerade in Zeiten des Personalmangels auch ein sehr, sehr gutes Zeichen und zeigt, dass die BVG vorausdenkt und Maßnahmen ergreift«.

In diese Kerbe schlägt auch Kristian Ronneburg, Verkehrsexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Er fordert, dass die BVG bei künftigen Ausschreibungen auch 60 Meter lange Züge bestellen solle. »Die Weichen müssen richtig gestellt werden, denn aufgrund fehlenden Personals wird es immer schwieriger für die BVG, Takte zu verdichten«, sagt Ronneburg zu »nd«.

Rico Gast von der BVG ist durchaus offen dafür. »Es ist kein Geheimnis, dass ein Großteil der Haltestellen in Berlin heute schon für bis zu 60 Meter lange Fahrzeuge ausgelegt ist«, sagt er. Noch zehn Meter längere Fahrzeuge seien »die nächste logische Stufe, über die kann man diskutieren«.

Erstmal freut er sich über die 50-Meter-Züge. Wenn die M4 komplett damit ausgestattet ist, kann er sich als nächsten Kandidaten die M10 vorstellen, die ebenfalls über 100 000 Fahrgäste pro Tag zählt. Auch M5, M6 und M8 kämen in Betracht. Bei Vertragsschluss mit Alstom war für die »Urbanliner« eine Lieferung von 35 langen und 82 kurzen Zügen vorgesehen. Es werden also Verhandlungen nötig werden.

Für eine Irritation bei den Fahrgästen dürfte bei den neuen Zügen der Umstand sorgen, dass sich in ihnen zwar Entwerter, aber keine Fahrkartenautomaten finden. Diese sollen erst installiert werden, wenn eine neue Generation Ticketautomaten bei der BVG eintrifft. Es dürfte bis dahin schwer sein, bei Kontrollen Fahrgästen vorzuwerfen, dass sie absichtlich ohne Fahrkarte unterwegs sind. Denn ansonsten sind Automaten in der Tram die Regel.

BVG-Betriebsvorstand Rolf Erfurt spricht bei dem Termin noch ein leidiges Thema für Busse und Straßenbahnen an: Viel zu oft stehen sie im Stau zwischen »blöden Autos« oder vor roten Ampeln. Die Geschwindigkeit sinkt seit Jahren, was Personal- und Fahrzeugbedarf erhöht. »Ich setze auf die politische Unterstützung, gerade in den nächsten zwei Jahren, dass wir das gemeinsam schaffen, die großen Gelben hier schnell durch diese Stadt zu kriegen.«

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