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Jahn-Sportpark in Berlin: Alles muss raus

Anwohner und Sportler schrauben Sitze im Jahn-Sportpark als Andenken an das DDR-Stadion ab

Weg damit: Aus Mecklenburg-Vorpommern angereiste Sportbegeisterte nehmen sich Sitzbänke aus dem Jahn-Stadion mit.
Weg damit: Aus Mecklenburg-Vorpommern angereiste Sportbegeisterte nehmen sich Sitzbänke aus dem Jahn-Stadion mit.

»Es ist ein Teil der Stadtgeschichte. Ich finde es schade, dass das Stadion wegkommt, und auch falsch.« Tobias kommt gerade aus dem Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg. Auf seinem Fahrrad transportiert er bunte Plastiksitze, die er selbst abgeschraubt hat – als Andenken an das Stadion, das 1951 in der DDR eröffnet wurde. Dass nun ein weiteres Wahrzeichen der Ost-Architektur gehen muss, gefällt dem Anwohner, der seit 2001 in Prenzlauer Berg wohnt, überhaupt nicht.

Robert wohnt ebenfalls in der Nachbarschaft des Jahn-Sportparks, sieht dem Stadion-Abriss aber weniger kritisch entgegen. »Es ist schon ein bisschen traurig, weil es zu uns gehört. Aber ich freue mich auch, dass etwas Neues hinkommt. Man sieht schon, dass es aus der DDR ist.« Er selbst sei im Osten aufgewachsen und habe durchaus einen positiven Bezug zur DDR – nur mit der Architektur könne er nicht so viel anfangen. »Im Westen haben sie aber auch hässliche Sachen gebaut.«

Die Berliner*innen schaffen durch ihre Demontage-Arbeiten im Jahn-Sportpark Fakten, die rechtlich noch umstritten sind: Entgegen den Plänen des Senats entschied das Berliner Verwaltungsgericht im November, dass der Abriss des Stadions gestoppt werden muss. Denn der Senat habe nicht ausreichend Nistplätze für die geschützten Haussperlinge alias Spatzen geschaffen, die in den Gebäuden nisten. Bis März dürfen sie also laut Gericht nicht abgerissen werden. Die Naturfreunde Berlin, die das Eilverfahren am Verwaltungsgericht eingeleitet hatten, verweisen darauf, dass ein Abriss erst im Oktober 2025 möglich wäre. Denn die geforderten naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen müssen von den Spatzen erst angenommen werden, bevor ihre alten Brutplätze zerstört werden können. »Der Senat muss die Brutzeit abwarten«, sagt Uwe Hiksch von den Naturfreunden zu »nd«.

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Der Senat wiederum teilte schon im November mit, er werde mit den Rückbauarbeiten fortfahren – zunächst mit den Innenarbeiten, der Entkernung der Gebäude, denn davon seien die Brutplätze der Spatzen nicht betroffen. Außerdem habe man »Anfang der Woche einen sogenannten Abänderungsantrag beim Verwaltungsgericht eingereicht«, sagt Bauverwaltungs-Sprecher Martin Pallgen zu »nd«. Dieser beinhalte einen zwischen den Naturschutzbehörden abgestimmten Maßnahmenkatalog zum Schutz der Sperlinge. »Darüber berät zurzeit das Gericht. Seine Entscheidung müssen wir erst abwarten«, sagt Pallgen.

Einen »Taschenspielertrick« nennt das Hiksch. »Sie wollen sagen, dass sie die Maßnahmen schon umgesetzt haben. Aber dann dürfen sie trotzdem erst nach der nächsten Brutzeit abreißen.« Die andere Option wäre, dass die Bauverwaltung nur dort abreißt, wo es keine Nistplätze gibt, und den Rest erst später. »Dann müsste man aber genau schauen, ob die Bauarbeiten trotzdem schädlich für die Spatzen sind.«

Nachdem die Finanzierung der Arbeiten zunächst aus dem Haushalt für 2025 gestrichen worden war, kündigte Torsten Schneider (SPD) zuletzt an, die Regierungskoalition wolle die Mittel für den ersten Bauabschnitt und insgesamt zwölf Millionen Euro für das Jahr 2025 doch freigeben. Das ganze Bauprojekt samt Neubau, der speziell für inklusiven Sport geeignet sein soll, sollte zwischenzeitlich über 300 Millionen Euro kosten. Die Kosten sollen nach aktuellen Senatsplänen aber deutlich reduziert werden.

Hiksch hält es für nachhaltiger, das alte Stadion im Sportpark zu erhalten. »Aber der Senat ist wild entschlossen, es abzureißen. Er setzt auf Prestige-Projekte«, sagt er. Doch naturschutzrechtlich lasse sich der »in Beton gemeißelte Wahnsinn« nur aufschieben, nicht verhindern. Dennoch hält Hiksch es für einen Skandal, dass bereits die Sitzplätze aus dem Stadion abmontiert werden, bevor der rechtliche Konflikt um den Abriss des Jahn-Stadions gelöst ist.

»Es ist ein Teil der Stadtgeschichte. Ich finde es schade, dass das Stadion wegkommt, und auch falsch.«

Tobias Anwohner Jahn-Sportpark

Während zumindest der Zeitplan für den Abriss weiterhin in der Schwebe ist, fordern unter anderem die Grünen im Bezirk Pankow in einer Pressemitteilung »pragmatische Lösungen«, um eine Zwischennutzung des Stadions mit »Kunst, Kultur, Freizeit und Sport« umzusetzen, während »der Neubau des Stadions aufgrund juristischer und finanzieller Probleme immer weiter in die Ferne« rückt. »Es ist tragisch für alle Berliner*innen, die damit leben müssen, dass der Innenbereich des Jahn-Stadions wahrscheinlich auch im nächsten Jahr verschlossen bleiben soll«, sagt Axel Lüssow, Bezirksverordneter der Grünen.

Eine Zwischennutzung hatte zuvor Franziska Becker (SPD), Staatssekretärin für Sport, in der Sitzung des Sportausschusses des Abgeordnetenhauses am vergangenen Freitag bereits ausgeschlossen. Der Grund sei, dass der Rückbau in den Gebäuden weiterlaufe und die für Veranstaltungen notwendige Infrastruktur, also etwa Wasser, Strom, Umkleiden und sanitäre Anlagen, bereits demontiert oder stillgelegt seien. »Eine Reaktivierung des großen Stadions ist finanziell nicht darstellbar.«

Auch das Ehepaar Meenke hat sich am Mittwochmorgen einige Sitze aus dem Stadion gesichert. »Ich finde es schade, dass es abgerissen wird. Man weiß ja gar nicht, wie es weitergeht. Jetzt ist wieder kein Geld da. Es hätte in der Zwischenzeit weiter genutzt werden können«, sagt Gerd Meenke. Ihm liegt die DDR-Architektur am Herzen, seine Frau habe im Palast der Republik gearbeitet. »Das war auch sehr schade, dass er abgerissen wurde.« Immerhin dürfen sie sich noch etwas aus dem alten Stadion mitnehmen, darüber freuen sich beide.

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