Richter mit Verzögerung gewählt: Was sind schon drei Jahre?

Neue Verfassungsrichter nach Jahren Verzögerung gewählt

»Respektlosigkeit«: Über Jahre hat es das Abgeordnetenhaus versäumt, neue Verfassungsrichter zu benennen.
»Respektlosigkeit«: Über Jahre hat es das Abgeordnetenhaus versäumt, neue Verfassungsrichter zu benennen.

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin bekommt sechs neue Richter. Sie wurden bei der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses gewählt und anschließend vereidigt. Die Aufregung war einigen der frisch gewählten Verfassungsrichter anzusehen: Florian Rödl vergaß, nach der Vereidigung einen Blumenstrauß mitzunehmen, Rosanna Sieveking ließ ein Blatt aus ihrer Ernennungsurkunde fallen.

Mit der Wahl endet eine jahrelange Hängepartie: Seit 2021 waren sechs der neun Verfassungsrichter nur noch kommissarisch im Amt. Weil die Neuwahl immer wieder verschoben wurde, mussten sie ihre Amtszeit überschreiten. Zunächst wollten die Abgeordneten die Berliner Parlamentswahl 2021 abwarten, dann wollten sie den Entscheidungsprozess zur Wahlwiederholung nicht stören. Anschließend verhinderten die monatelangen Sondierungen und Koalitionsverhandlungen die Wahl. Zuletzt konnten sich die Parteien nicht auf gemeinsame Kandidaten einigen.

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Zwei Richter hatten sich wegen der Verzögerungen bereits von ihren Posten zurückgezogen: Margarete von Galen bat im vergangenen Oktober um ihre Entlassung, im April dieses Jahres folgte Ahmet Alagün. Von Galen bezeichnete die verschleppte Nachfolgeregelung als »Respektlosigkeit des Abgeordnetenhauses gegenüber der Institution des Verfassungsgerichtshofs«. Wegen der Vielzahl von Vakanzen und nur kommissarisch besetzten Posten hatten Margret Diwell und Helge Sodan, beide ehemalige Vorsitzende des Verfassungsgerichtshofs, im Juni gegenüber dem RBB infrage gestellt, ob das Gericht noch rechtssichere Urteile fällen könne. Auch das Bundesverfassungsgericht hatte in einer Entscheidung zur Wiederholungswahl angedeutet, dass die überschrittenen Amtszeiten die Entscheidungsfähigkeit des Gerichts einschränken könnten.

Diwell sprach von »parteipolitischen Machtspielen«. »Das Parlament ist gesetzlich verpflichtet, Mitglieder zu wählen«, sagte Sodan. »Wenn es dieser Aufgabe nicht nachkommt, ist das schon ein Versagen.« Volksinitiativen wie der Volksentscheid Berlin autofrei hatten zudem beklagt, dass das monatelange Postengeschacher Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit ihrer Anliegen verzögere.

Mit Björn Retzlaff, Lucy Chebout, Juliane Pätzold, Florian Schärdel, Rosanna Sieveking und Florian Rödl wurden nun sechs neue Richter gewählt. Alle erreichten die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im ersten Wahlgang. Alle Parlamentsfraktionen mit Ausnahme der AfD hatten sich zuvor auf eine gemeinsame Vorschlagsliste geeinigt.

Mit Rödl gehört auch ein für viele Linke bekannter Name zu den Gewählten. Der Professor für Bürgerliches Recht an der Freien Universität gehörte der Expertenkommission an, die über die Umsetzung des Enteignungsvolksentscheids beriet. Die Kommission war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vergesellschaftung von Wohnungsbeständen verfassungsrechtlich möglich sei. Rödl vertrat diese Positionen auch in mehreren Anhörungen vor Ausschüssen des Abgeordnetenhauses.

Zu den weiteren Gewählten gehört Björn Retzlaff. Der Baurechtsexperte soll neuer Vizepräsident des Verfassungsgerichtshof werden. Auch gewählt wurde Lucy Chebout. Die Familienrechtsanwältin hat sich auf die Arbeit mit queeren Eltern spezialisiert. Weitere neue Verfassungsrichter sind der ehemalige Grünen-Bezirkspolitiker Florian Schärdel, die bislang am Bundesverwaltungsgericht tätige Rosanna Sieveking sowie Juliane Pätzold, die Vorsitzende der achten Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts. Dort hat sie sich mit Asyl- und Visumsfragen beschäftigt.

Eine andere Kandidatin war bereits vorab gescheitert: Die von den Grünen nominierte Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız schaffte es nicht auf die Kandidatenliste, weil die CDU den Vorschlag nicht mittragen wollte. Das berichtete der RBB. Die bekannte Rechtsanwältin vertrat die Familien von Opfern der rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund, verteidigte aber auch islamistische Terroristen. Im Jahr 2018 erhielten sie und ihre damals zweijährige Tochter Faxe mit Morddrohungen.

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