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Medizinforschungsforschungsgesetz: Standort aufpoliert
Das neue Medizinforschungsforschungsgesetz soll mehr Pharmaindustrie nach Deutschland locken
Das umstrittene Medizinforschungsgesetz wurde am vergangenen Mittwoch im Gesundheitsausschuss leicht geändert und am vergangenen Donnerstag im Bundestag verabschiedet. Tenor ist die Stärkung der Pharmaforschung in Deutschland. Unter anderem sollen Studien beschleunigt geprüft werden und am Ende Patienten schneller Zugang zu innovativen Arzneimitteln erhalten, so das Versprechen. So wird bei klinischen Prüfungen, die nur in Deutschland durchgeführt werden, die Bearbeitungszeit zur Genehmigung in Zukunft auf 26 Tage verkürzt.
Die größte Unruhe im Gesetzgebungsverfahren hatte die Einführung vertraulicher Erstattungspreise für die Hersteller ausgelöst. Diese Geheimpreise gibt es jetzt zwar, aber nicht für unendliche Zeiten. Sondern: Die Preise dürfen nur bis Ende 2028 unter Verschluss gehalten werden. Mindestens bis dahin erfahren die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung also nicht, für welche neuen Medikamente ihre Kasse wie viel Geld ausgibt.
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Für die Hersteller ist das eine große Chance, wenn sie vielleicht auch nur kurz besteht: Die Einkäufer auch auf nichtdeutschen Märkten können sich zeitweilig nicht an den deutschen Erstattungspreise orientieren. Wie die bald möglichen hohen Preise sich auf die Renditen auswirken, lässt sich vermutlich spätestens 2028 gut erkennen.
Die Berichterstatterin für Arzneimittel und Medizinprodukte der Grünen im Bundestag, Paula Piechotta, zeigte sich im Anschluss zufrieden damit, dass der »unsägliche Vorschlag« für geheime Arzneimittelpreise zumindest beschnitten wurde. Ergänzt wurde bei diesem Thema der Passus, dass bei Vertraulichkeit ein Zusatzrabatt von neun Prozent auf den Erstattungsbetrag fällig wird. Der Pharmaverband BPI sieht damit fast alle Felle davonschwimmen, die Regel würde so völlig unattraktiv. Natürlich lassen sich auch in einen vertraulichen Erstattungsbetrag neun Prozent recht einfach einpreisen.
In Sachen vertrauliche Erstattungsbeträge scheint sich zu bewahrheiten, was unter anderem Abgeordnete der Linke-Partei wie Kathrin Vogler schon eine Weile vermuteten: Das Gesetz könnte insbesondere auf Bedürfnisse des US-Pharmagiganten Eli Lilly zugeschnitten sein. Die Bundesregierung musste in der Antwort auf eine Linke-Anfrage bestätigen, dass es zum Beispiel bis November 2023 sechs Termine mit Vertretern des Unternehmens gegeben hatte – bei fast allen war es um die Geheimpreise gegangen. Beteiligt waren neben dem Bundeskanzleramt die einschlägigen Ressortleiter: Wirtschaftsminister Robert Habeck und Wissenschaftsministerin Bettina Stark-Watzinger. Im April gab es dann den ersten Spatenstich eines neuen Lilly-Werkes in Alzey (Rheinland-Pfalz), mit großem politischen Bahnhof, auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach legte Hand an.
Zwar wird die auch von Lilly vertriebene Abnehmspritze gegen Fettleibigkeit in Deutschland von den Krankenversicherungen nicht bezahlt, aber der gleiche Wirkstoff soll hierzulande als Diabetesmedikament auf den Markt kommen. Genau dieses Präparat soll unter anderem in Alzey hergestellt werden ebenso wie weitere injizierbare Medikamente.
Geändert wurden außerdem Neuerungen in Sachen Ethik-Kommissionen. Diese entscheiden, ob Studien überhaupt starten dürfen, dafür gibt es bislang in Deutschland mehr als 50 dieser Gremien. Sie prüfen vorab, ob eine Studien für die Teilnehmenden ethisch vertretbar ist, ihnen also absehbar zum Beispiel kein gesundheitlicher Schaden zugefügt wird. Laut Gesetzentwurf sollten zunächst weitere spezialisierte Kommisionen auf Bundesebene geschaffen werden. Die neu geplanten Kommissionen sollen in der Endfassung etwas weiter weg von Bundesinstitutionen entfernt entstehen und von den Bundesländern besetzt werden. Dazu empfiehlt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in einer Stellungnahme, doch erst einmal die Gründe für die Schaffung der neuen Kommissionen offenzulegen. Das Misstrauen gegenüber dem Sinn dieser Neuschöpfung kann vermutlich nur so ausgeräumt werden.
Zustimmung aus der Industrie betrifft etwa auch gestraffte Studiengenehmigungsverfahren und mögliche Mustervertragsklauseln statt überlanger Vertragsverhandlungen zu Studien zwischen Herstellern und Kliniken. Was die Industrie freut, könnte für gesetzlichen Kassen zu einer weiteren Belastung werden. Bisher gab es nämlich strikte Rabattvorgaben für die Preise neuer Präparate, wenn diese keinen nennenswerten Zusatznutzen hatten. Jetzt fallen die Rabatte schon dann weg, wenn fünf Prozent der klinischen Forschung an deutschen Zentren stattfanden. Das gilt aber zunächst nur für drei Jahre, es sei denn, das Unternehmen kann eine Arzneimittelforschungsabteilung und relevante eigene Projekte und Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen in der Forschung in Deutschland nachweisen.
Die bereits erwähnte Stellungnahme der Leopoldina zu dem neuen Gesetz fällt verhalten optimistisch aus. Darüber hinaus sei eine Gesamtstrategie für die Forschungs-Rahmenbedingungen nötig. Unter anderem müssten alle klinischen Studien vor dem Start registriert und deren Ergebnisse auch veröffentlich werden, allerdings ohne bürokratischen Mehraufwand für die Forschenden. Die Transparenz in diesem Feld lässt zu wünschen übrig: Hierzulande wurden zuletzt von 57 Prozent aller klinischen Studien zwei Jahre nach deren Ende keine Ergebnisse veröffentlich, fünf Jahre später nach Studienende fehlten immer noch bei 30 Prozent die Resultate. Das heißt, dass unter Umständen gleich Studien wiederholt durchgeführt werden, zu Lasten weiterer Probandengruppen. Auch andere Forschungsressourcen, wie die Arbeit der Beteiligten, werden so unnötig in Anspruch genommen.
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