Linke steuert auf Führungswechsel im Herbst zu

Klare Signale gesucht: Der Parteivorstand startete auf Krisenklausur die Vorbereitungen für die inhaltliche und personelle Neuaufstellung

Janine Wissler (l) ist seit 2021 Parteivorsitzende der Linken. Mit Martin Schirdewan bildet sie seit 2022 die Führungsspitze.
Janine Wissler (l) ist seit 2021 Parteivorsitzende der Linken. Mit Martin Schirdewan bildet sie seit 2022 die Führungsspitze.

Nach der schweren Niederlage bei der Europawahl steuert die Linkspartei auf einen Führungswechsel zu. Der Vorstand der Linken setzte bei einer Krisenklausur am Wochenende eine Arbeitsgruppe ein, die unter Leitung der beiden Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan und mit Vertretern der Landesverbände die inhaltliche, strukturelle und personelle Neuaufstellung der Partei beim Parteitag im Oktober vorbereiten soll, wie »nd« aus Teilnehmerkreisen erfuhr. Es habe während der Klausurtagung keine Forderungen nach sofortigen Rücktritten gegeben, so ein Teilnehmer gegenüber »nd«, aber beim Parteitag sollen auch auf personeller Ebene »klare Signale« ausgesandt werden. Es gehe dann um ein »breit getragenes Tableau«. Wie es heißt, hätten Wissler und Schirdewan ihre Offenheit für einen Führungswechsel deutlich gemacht.

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In diesem Zusammenhang sei im Linke-Vorstand der Ruf der früheren Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi und Dietmar Bartsch nach einem Führungswechsel kritisiert worden. Man wolle die Personalfragen in Ruhe bis zum Parteitag klären und nicht jetzt forcieren. In einem Beschluss vom Sonntag heißt es dazu, Die Linke erscheine auch deshalb »vielen potenziellen Wähler*innen als profillos oder mit unklarem Profil«, weil in der Bundestagsfraktion viele Fragen nicht geklärt worden seien. Bartsch als Fraktionschef hatte sehr lange und über alle Kritiken und gravierenden Differenzen hinweg an einem Bündnis mit dem Flügel um Sahra Wagenknecht festgehalten, bis dieser die Abspaltung vollzog.

Bei der Europawahl Anfang Juni hatte die Linke mit nur 2,7 Prozent das mit Abstand schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte bei bundesweiten Wahlen erzielt. Das seinerzeit schon als Rückschlag empfundene Ergebnis der Europawahl von 2019 wurde noch einmal halbiert. Auch bei den gleichzeitigen Kommunalwahlen in zahlreichen Bundesländern musste Die Linke spürbare Verluste hinnehmen.

Der Vorstand habe am Wochenende eine »kritische und harte Debatte« über den Europawahlkampf geführt, so ein Teilnehmer gegenüber »nd«. Allen sei klar, dass dem Parteivorstand eine besondere Verantwortung für die Niederlage zukomme. In einem Beschluss vom Sonntag heißt es, das Wahlergebnis sei ein schwerer Schlag, und man müsse feststellen, dass das Wahlkampfkonzept nicht aufgegangen sei. Der Wahlkampf sei von den Themen Außenpolitik bzw. Ukraine-Krieg sowie Migration dominiert worden; Die Linke habe es nicht geschafft, sich mit ihren Schwerpunktthemen soziale und Klimagerechtigkeit Gehör zu verschaffen.

Als Schlussfolgerung aus diesen Defiziten wurde nun die Absicht formuliert, deutlicher zu beschreiben, wie eine humane Migrationspolitik im Unterschied zur herrschenden Flüchtlingsabwehr Abschottungspolitik aussehen könnte. In der Sozialpolitik will Die Linke ihre Forderungen zuspitzen, in der Friedenspolitik will sie wieder deutlich wahrnehmbar werden. Das dürfte sich auch auf eine Bemerkung in der Wahlstrategie beziehen, das Friedensthema nicht zu forcieren, weil seit Beginn des Ukraine-Kriegs die Linke-Wählerschaft hier verunsichert und gespalten sei.

Wohl auch in diesem Zusammenhang debattierte der Vorstand nach Teilnehmerangaben selbstkritisch, dass nicht geklärte programmatische Fragen aufgeschoben worden seien. Das ist ein Hauptvorwurf parteiinterner Kritiker. Mit Blick auf die Migrationspolitik stellt der Linke-Vorstand fest, dass das Bündnis Sahra Wagenknecht rechte Stimmungen in der Bevölkerung aufgegriffen habe und daher »Teil der generellen gesellschaftlichen Rechtsentwicklung« sei.

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