»Festiwalla«: Den Stimmlosen eine Stimme geben

»Keine Angst! Klassenkampf!« ist das Motto des Kulturfests »Festiwalla«. Veranstalter ist das Berliner Theater X

»Bleib ängstlich, bleib sicher« heißt das Stück des »Club Al Hakawati«: Wie kann Angst in kollektive Formen des Klassenkampfes verwandelt werden?
»Bleib ängstlich, bleib sicher« heißt das Stück des »Club Al Hakawati«: Wie kann Angst in kollektive Formen des Klassenkampfes verwandelt werden?

Bei politischem Theater denken viele an peinliches Kabarett oder an Claus von Wagner und Max Uthoff, die in der »Anstalt« zu später Stunde ein bildungsbürgerliches Publikum bespaßen. Auch beim Theater X wird gelacht, geweint, getanzt und gestritten – mit gesellschaftskritischem Anspruch. Die Stücke schreiben und spielen jedoch junge Menschen, meist mit migrantischer Lebensgeschichte: Es geht um Selbstoptimierung auf Social Media, um Rassismus an der Schule und um Rechte, die mit einer Politik der Angst auf Stimmenfang gehen.

Seit Mittwoch veranstaltet das Theater X mit Sitz im Ortsteil Moabit das siebte »Festiwalla«, ein Kulturfest, das dieses Jahr in der Volksbühne stattfindet. Auf dem Rosa-Luxemburg-Platz und in der Volksbühne finden Performances, Rap, Theater, Gespräche, Workshops und vieles mehr bis 14. Juli statt. Das Motto lautet »Keine Angst! Klassenkampf!«.

»In den Jugendzentren: Da sind Kanaks überall. Theater ist ihre Möglichkeit, sich auszudrücken.«

Ahmad Mitbegründer des Theater X

»Kriege, Krisen, Klimakatastrophe. Polizeikontrollen auf den Straßen. Schule macht Druck. Der Späti nebenan muss zumachen. Urlaub ist zu teuer und der Döner auch. Arbeiten müssen und trotzdem kein Cash. Bürokratie-Krieg beim Amt. Die Entscheidungen der Reichen gehen immer auf unsere Kosten! Von uns Schülerinnen, Auszubildenden und Arbeiterinnen – und wir können nicht mitreden. Das macht wütend und hoffnungslos!«, schreibt das Theater X in der Ankündigung des Programms.

Khaled ist Pressesprecher für das »Festiwalla« und führt »nd« vor Eröffnung durch die Ausstellung im Foyer, kuratiert vom Theaterkollektiv »Club Al Hakawati«, das Teil des Theater X ist. Ein Abschnitt der Ausstellung widmet sich dem Klassenkampf aus queerer Perspektive: Zu sehen sind unter anderem Fotos, die Westberliner Demonstrierende zeigen: »Gegen Berufsverbot für Schwule« lässt sich auf den Transparenten lesen.

Ein anderer Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit der Fluchtgeschichte Rojins aus Damaskus. 2015 begab sich das damals 12-jährige Mädchen auf den Weg nach Deutschland. Die Fluchtroute führte über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Österreich. Heute lebt Rojin in Berlin und schreibt: »Ich weiß es nicht, ich bleibe fremd dort und hier, wie dieses ungeschickt übersetzte Gedicht.«

Das »Brecht-Musical«, wie Khaled es nennt, namens »J. from the Block« des Theaterkollektivs Next Generation wird im Rahmen des »Festiwalla« zu sehen sein. In der Ausstellung ist die Schaffensgeschichte des Stücks auf verschiedensten Plakaten und Gedankenschnipseln erzählt. Es geht um die Streiks der Lieferdienstfahrenden in Berlin. Dabei ließ sich das Ensemble von Brecht und Arbeitskämpfen vor 100 Jahren inspirieren. »Aber wer kommt 2024 unter die Räder? Wie steht es heute um unser Klassenbewusstsein?«, fragt es.

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Zwischen seinen Proben spricht Ahmad, der die künstlerische Leitung im Theater X innehat, mit »nd«. Angefangen habe die Geschichte des Theaters vor 20 Jahren, als ein »clash of cultures« infolge des 11. September herrschte. »Für migrantische Jugendliche gab es damals nur das Vorbild ›Gangster‹ oder ›Extremist‹«, erzählt Ahmed. Als Gegenangebot startete er das Theater für migrantische Jugendliche.

»Zusammenbringen statt spalten« lautet damals wie heute das Anliegen dieser Jugendarbeit, 2010 nahm sie lokale Formen an: Das Theater X fand in Berlin Räume. Seit 2016 veranstaltet es das »Festiwalla«, dieses Jahr mit Fokus auf den Klassenkampf. »Wir wollen zeigen, dass es in erster Linie Klassenverhältnisse sind, die unsere Beziehungen und Emotionen prägen.«

Auch wenn die Verhältnisse der Arbeiter*innenklasse immer prekärer werden, braucht es laut Ahmad politisches Theater. »Playtime for activists« nennt er es: einen Raum, sich zu regenerieren, zu reflektieren und zu experimentieren, insbesondere für Migrant*innen. Es gehe im Sinne des berühmten afroamerikanischen Bürgerrechtlers Malcom X (daher der Name des Theaters) darum, den Stimmlosen eine Stimme zu geben: »In den Jugendzentren: Da sind Kanaks überall. Theater ist ihre Möglichkeit, sich auszudrücken.«

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