Thüringer Linke: Zugpferd Ramelow

Zum Auftakt des Landtagswahlkampfs der Thüringer Linken sprach ihr Spitzenkandidat und Ministerpräsident auffällig intensiv über den Frieden

Bodo Ramelow spricht sich – entgegen der Parteilinie der Linken – immer wieder für Waffenlieferungen in der Ukraine aus. Jetzt sind von ihm auch andere Töne zu hören.
Bodo Ramelow spricht sich – entgegen der Parteilinie der Linken – immer wieder für Waffenlieferungen in der Ukraine aus. Jetzt sind von ihm auch andere Töne zu hören.

Auch die Thüringer Linke ist in der Bredouille. Die in zwei Landtagswahlen stärkste Partei – 31 Prozent 2019, 28 Prozent 2014 – hat dramatisch an Zustimmung verloren. In den jüngsten Umfragen lag sie in Thüringen nur noch bei 11 bis 15 Prozent. Das Bemerkenswerte im Freistaat: Der Linke-Ministerpräsident und Spitzenkandidat Bodo Ramelow ist noch immer mit Abstand beliebtester Politiker. Einer Umfrage von Mitte Juni zufolge sind 52 Prozent der Bürger mit seiner Arbeit zufrieden. Auf Platz zwei folgt mit gerade mal 23 Prozent CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt und erst auf dem dritten Rang AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke (21).

Folgerichtig hat Die Linke ihre am Mittwoch präsentierte Kampagne zur Landtagswahl voll auf den Landesvater zugeschnitten. Dabei kündigte er an, sich nach der Wahl am 1. September als Hausherr der Thüringer Regierungszentrale erneut selbst beerben. Hier residiert er nun mit kurzer Unterbrechung bereits seit fast zehn Jahren.

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Wie sehr die Linke-Abspaltung BSW für Nervosität in der Linken sorgt – ihr wird derzeit in Thüringen ein Wahlergebnis von 20 bis 21 Prozent vorhergesagt –, zeigt ein Seitenhieb des Ministerpräsidenten auf Parteigründerin Sahra Wagenknecht. »Nein, wir werden nicht die Partei Die Linke umwandeln in Bündnis Bodo Ramelow«, verspricht der Linke-Spitzenkandidat.

Das wirkt insofern unfreiwillig komisch, als bei der Präsentation der Kampagne in Erfurt etliche Menschen im Raum sind, auf deren T-Shirts »Team Bodo Ramelow« steht. Auch auf allerlei Wahlwerbematerial, das auf bereitgestellten Tischen liegt, prangt dieser Schriftzug. Selbst auf den Rückseiten der Sprechzettel, die der Ko-Landesvorsitzende Christian Schaft in der Hand hält, sind die Worte zu lesen. Dazu passt, dass vor der Tür des Veranstaltungsortes »Zughafen« ein großes Plakat mit Ramelows Konterfei hängt; ein Parteilogo fehlt darauf völlig.

Aber ja: Auf anderen Plakaten, die Die Linke in den nächsten Wochen überall im Freistaat aufhängen und aufstellen wird, sind auch andere Menschen zu sehen: die Direktkandidaten zum Beispiel, die für die Partei in allen Wahlkreisen antreten werden.

Dazu diverse Slogans. »Wir bauen Brücken«, lautet einer davon. Dabei gehe es unter anderem um Verbindungen zwischen den Generationen, sagt die Ko-Landesvorsitzende Ulrike Grosse-Röthig. Doch selbst in diesem Zusammenhang kommt sie nicht ohne einen Verweis auf den Spitzenkandidaten aus: »Brücken bauen heißt, Gräben überwinden – das, was Bodo Ramelow verkörpert.«

Doch nicht nur aus seinem Seitenhieb auf das BSW darf man schließen, dass der 68-Jährige selbst weiß: Will er den Freistaat weiterhin regieren, muss er vor allem im Lager der BSW-Anhänger versuchen, Stimmen für seine Partei zurückzugewinnen. Das merkt man auch daran, dass er an diesem Tag auffällig intensiv über den Frieden redet. Über jenes Thema also, das gerade in Ostdeutschland so viele Menschen umtreibt. Und das eben vor allem jenen wichtig ist, die sich von der Linken ab- und zum BSW hingewandt haben. Weil sie finden, dass Die Linke, gerade in Thüringen, in dieser Frage keine konsequente Position mehr beziehe.

Bei der Vorstellung der Wahlkampagne sagt Ramelow, die deutsche Debatte um Kriegstauglichkeit müsse endlich enden. »Friedenstauglichkeit, das muss der Auftrag sein«, schiebt er nach. Als deutscher Politiker hat er diesbezüglich genau wie Wagenknecht zwar nur eine ausgesprochen begrenzte Wirkmacht. Aber das heißt ja nicht, dass er – so wie die Ex-Linke – nicht versuchen kann, damit Wähler für seine Partei zu gewinnen.

Das Gleiche gilt für seine Botschaft, er sei Christ, Sozialist und Ministerpräsident. Statt des Parteilogos der Linken stehen diese drei Worte auf dem großen Plakat mit seinem Porträt vor der Tür des Zughafens. Drinnen sagt er zum Thema: »Ein Sozialist kann auch Christ sein. Aber ein Christ muss Sozialist sein, finde ich.«

Ramelow steht innerparteilich dafür in der Kritik, dass er sich im Gegensatz zu Programm und Beschlüssen der Linken immer wieder auch für deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen hatte. Dies bekräftigte er auch aktuell gegenüber dem »Stern«. Und betonte: »Frieden entsteht nicht dadurch, indem der einen Partei keine Waffen mehr geliefert werden, aber die andere Partei hemmungslos ihre Waffen zum Einsatz bringt.«

Zugleich aber hob er die Dringlichkeit diplomatischer Initiativen hervor. Ausdrücklich begrüßte Ramelow die Reisen des neuen EU-Ratspräsidenten Viktor Orbán in die Ukraine, nach Moskau und Peking. Auf Facebook schrieb er am Dienstag: »Um Russland zu einem Waffenstillstand im Krieg gegen die Ukraine zu bewegen, müssen Länder wie China an Bord, um Druck auf Putin zu machen.« Orbán, dessen Politik er »in allen anderen Fragen durchweg ablehne«, habe getan, was die Bundesregierung hätte »schon längst tun müssen«.

Die EU-Kommissionspräsidentin, so Ramelow, solle Orbán jetzt aktiv unterstützen. Vertreter der Nato sollten sich mit öffentlicher Kritik zurückhalten und stattdessen »der Diplomatie den notwendigen Raum zum Verhandeln geben«.

Zugleich hatte sich der Ministerpräsident im Onlinedienst X und auf Facebook ratlos über den künftigen Umgang mit den 256 000 ukrainischen Männern geäußert, die sich derzeit in Deutschland aufhalten. Ihr Aufenthaltsstatus ist insofern aktuell unklar, als sie ihre Pässe nur noch mittels einer Reise in die Heimat verlängern können und nicht mehr in der Botschaft in Berlin. In der Ukraine droht ihnen aber die sofortige Rekrutierung durch die Armee.

Ramelow fragte: »Wie sollen sich deutsche Behörden denn verhalten, wenn sie ihre Papiere nicht verlängern und sie dann ohne gültige Papiere bei uns leben?« Darauf müsse er den Behörden in seinem Bundesland eine Antwort geben. Bislang hat die Bundesregierung erklärt, ukrainische Männer könnten vorerst auch ohne aktuelles Dokument bleiben. Dies wird aber von Vertretern verschiedener Parteien immer wieder in Frage gestellt, der formale Status der Ukrainer ist ungeklärt.

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