- Kultur
- Ezzes von Estis
Moschiach (II)
War der Messias schon da? Oder kommt er noch? Oder ist er schon da, nur nicht jetzt?
Wenn der Moschiach kommt, dann tut er gut daran, auch der wahre Moschiach zu sein. Falsche hatten wir schon oft. Und einer davon war sogar so überzeugend, dass ihn bis heute viele für den wahren halten. Vielleicht war er sogar tatsächlich der wahre. Nur: Für einen falschen Moschiach war er zwar gut, weil ihn so viele für den wahren hinnahmen; für einen wahren Moschiach wäre er hingegen ziemlich miserabel gewesen, weil ihn noch mehr für den falschen hielten.
Jedenfalls: Falsche Moschiachs gibt es viele, aber den wahren nur einmal. Man muss schon sagen: Das ist ein ziemlich unschönes Verhältnis. Viel schöner wäre es, wenn es viele wahre Moschiachs gäbe und nur einen falschen. Da es allerdings nur einen Moschiach gibt, wäre der falsche Moschiach in dem Fall der wahre, weil nur er einer wäre und die richtigen viele.
Alexander Estis, freischaffender Jude ohne festen Wohnsitz, schreibt in dieser Kolumne so viel Schmonzes, dass Ihnen die Pejes wachsen.
Wer jetzt denken sollte, er sei vollends verwirrt, der könnte recht haben. Und wer jetzt verwirrt sein sollte, der darf gern fragen, was das alles bedeutet, allerdings nicht den Moschiach, weil der noch nicht da ist, und auch nicht den Propheten Elias, obwohl er fast schon da sein könnte, sondern den Rabbi. Unser Rabbi sagt immer: »Bevor der Moschiach kommt, wird sich nichts ändern, aber wenn sich nichts ändert, wird der Moschiach auch nicht kommen.« Und dann sagt er noch, wir sollten darauf hoffen, dass der Moschiach kommt, aber nicht darauf warten. Denn der Moschiach sei schon da, nur nicht jetzt. Und dann sagt er auch noch: Solange wir auf die Ankunft des Moschiach hoffen, sollen wir aber bereits mit dem Moschiach leben.
»Beseder, in Ordnung«, sagen wir dann, verständig schauend, und kommen eine Woche später wieder – mit denselben Fragen. Anders als der Moschiach, der nicht wiederkommt, weil er noch gar nicht da war, aber auch nicht einfach nur kommt, obwohl er, wie gesagt, ruhig mal auftauchen könnte. Das würde niemanden stören, höchstens die alte Klara, die zu allem nur eins sagt, nämlich nichts, und dazu auch noch ein Gesicht macht, das auch nichts sagt, so wenig Ausdruck hat es, ganz als wäre es gar kein Gesicht, sondern etwas anderes, was auch keinen Ausdruck hat, wie zum Beispiel ein Popes oder ein Toches oder ein Hintern, was alles ein und dasselbe ist, auch wenn es unterschiedlich heißt.
Aber was hat ein Toches mit dem Moschiach zu tun? Genauso wenig wie ein Popes oder ein Hintern. Und das ist noch weniger als gar nichts. Denn der Toches ist immer da, sowohl im wörtlichen Sinne als auch im übertragenen, während der Moschiach nie da ist, weder in dem einen Sinn noch in dem anderen, sondern in keinem von beiden.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Wobei der Toches vielleicht doch etwas mit dem Moschiach zu tun hat. Denn es heißt, dass die Menschen auferstehen werden vom Steißbein aus, letztlich also mit dem Toches voran. Und warum mit dem Hinterteil voran? Nu: Sein Leben lang geht der Mensch mit der Vorderseite voran – und wo kommt er am Ende hin?
Gut, aber warum auferstehen ausgerechnet vom Steißbein aus? Weil es schließlich für irgendwas da sein muss, das Steißbein – und wofür sonst wäre das Steißbein gut, wenn nicht für die Auferstehung? Insofern ist es fast schon möglich zu behaupten, dass der Toches mehr mit dem Moschiach zu tun hat als gar nichts, was zugleich mehr wäre, als die alte Klara sagt, und mehr, als ihr Gesicht ausdrückt.
Klara würde also ein Gesicht machen, so lang, wie der Moschiach gebraucht hat, um aufzutauchen. Denn der Moschiach ist auch nicht anders als jeder andere Besuch: Erst kommt er viel zu spät – und dann will er nicht mehr gehen. Deshalb wird Klara ein langes Gesicht machen, und der Moschiach wird Angst kriegen vor Klara und schnell alles aufessen und sich bedanken und sich vom Acker machen.
Am Ende war der Moschiach also doch schon da?
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.