Protest in Oberschöneweide: Kein Uferweg in Sicht

Anwohnende müssen weiter durch die Spree schwimmen, um an Land gehen zu können

Schwimmend in der Spree wird dafür demonstriert, hier künftig am Ufer entlang laufen zu dürfen.
Schwimmend in der Spree wird dafür demonstriert, hier künftig am Ufer entlang laufen zu dürfen.

»Was wollen wir? Freie Ufer!« und »Vom Kaisersteg bis zur HTW: Ufer frei!« Am Samstagnachmittag hat sich eine außergewöhnlich laute Badegruppe in der Spree versammelt, um als Schwimm-Demonstration ihren Unmut auszudrücken. Denn sie müssen immer noch durch den Fluss schwimmen, um auf direktem Weg von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) zum Kaisersteg zu gelangen. Die 300 bis 400 Meter am Ufer der Spree entlang, die die Anwohner*innen eigentlich gerne an Land zurücklegen würden, sind durch einen Privateigentümer abgesperrt. Deshalb müssen sie einen großen Umweg über die Wilhelminenhofstraße auf sich nehmen.

»Die Wilhelminenhofstraße ist eine hässliche Straße, gerade mit den Kindern würden wir lieber am Ufer entlang gehen«, sagt Anwohnerin Elise in der Spree schwimmend zu »nd«. Marcus Laugsch schwimmt direkt neben ihr und stimmt zu. »Mit den Kindern wäre das super praktisch. Die fangen gerade an, Rad zu fahren.« Weil die Wilhelminenhofstraße von vielen Autos befahren werde, sei das gefährlich. »Es wäre viel entspannter am Ufer, das wäre eine ganz andere Lebensqualität«, sagt Laugsch.

Auch Jens Wagner ist ins Wasser gesprungen, um an Land gehen zu können. »Ich wohne hier und gehe bestimmt vier bis fünf Mal in der Woche im Kiez spazieren. Es nervt total, dass man hier nicht an der Spree entlanglaufen kann«, sagt er im Wasser zu »nd«. Schon als er an der HTW studiert habe, habe er sich sehr darüber geärgert, nur über den Umweg zur Hochschule gelangen zu können.

Schon vor 22 Jahren kämpften Anwohner*innen von Nieder- und Oberschöneweide in der Spree schwimmend erfolgreich für den Kaisersteg, der seit 2007 die beiden Stadtteile miteinander verbindet. Doch noch immer fehlt der Uferweg. Die für Stadtentwicklung zuständige Treptow-Köpenicker Bezirksstadträtin Claudia Leistner (Grüne) bedauert. Sie richtet sich auf dem Brückenfest auf dem Platz am Kaisersteg an die gerade aus dem Fluss gekletterten Demonstrierenden und drückt ihre »große Anerkennung« für den schwimmenden Protest aus. »In zwei Wochen ist ein weiteres Gespräch mit dem Eigentümer vereinbart«, sagt sie. Allerdings sagte die Stadträtin genau das auch schon im vergangenen Jahr zu den Schwimmer*innen.

»Der Eigentümer hat die Gespräche immer wieder abgesagt«, bedauert Leistner, dass es nicht vorwärts geht auf dem Landweg. Sie bemüht sich um eine Einigung mit dem Eigentümer, der auf dem Ufergrundstück eine Fabrik hat. Das Ufer – das ist vom Kaisersteg und auch von der Spree aus ersichtlich – scheint frei zu sein. Nur die Absperrungen des Eigentümers halten Fußgänger*innen vom Begehen ab.

Sollte sich der Eigentümer in der Frage nicht bewegen, dann müssten andere Mittel gewählt werden. Die Bezirksverordnetenversammlung jedenfalls hat sich für einen öffentlichen Uferweg ausgesprochen. Deswegen habe der Bezirk auch die Arbeit an einem Bebauungsplan für das Ufer wieder aufgenommen, der dem Bezirk das Planungsrecht zuerkennen würde, erklärt Leistner. »Das würde ein Enteignungsverfahren ermöglichen«, sagt sie zu den Demonstrierenden, die sich über diese Ansage freuen und »Enteignung jetzt« rufen. Allerdings dauere ein solches Verfahren sehr lange, erläutert Leistner. »Das ist keine kurzfristige Lösung für den Uferweg.« Schneller würde es gehen, sich mit dem Eigentümer zu einigen.

Michael Kleineberg von der Bürgerinitiative Schöneweider Ufer hält es für machbar, eine Lösung mit dem Eigentümer zu finden, von der alle profitieren. »Wenn das Spreeufer attraktiv und zugänglich ist, dann haben alle was davon«, sagt er. Dass aber bislang die Gespräche mit dem Bezirk noch zu keinem Fortschritt geführt haben, spreche dafür, dass der Eigentümer kein Interesse an einem öffentlichen Uferweg habe.

Der Weg über den Bebauungsplan dauere auch aus seiner Perspektive sehr lange. Bis tatsächlich der Uferweg da sei, könnten Jahrzehnte vergehen. »Bei Infrastrukturvorhaben braucht man einen langen Atem.« Ob mit oder ohne Eigentümer – für eine Veränderung brauche es auch den zivilgesellschaftlichen Einsatz, sagt Kleineberg. Deshalb freut es ihn, dass am Samstag 172 Menschen für den Uferweg mitgeschwommen sind. »Es waren viele Leute, vor allem viele Anwohner, die das Anliegen eines Uferwegs von der HTW bis zum Kaisersteg schwimmend unterstützt haben. Das ist bemerkenswert.«

»Der Eigentümer hat die Gespräche immer wieder abgesagt.«

Claudia Leistner Bezirksstadträtin
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