Abschiebung von Robert A. nach Protest gestoppt

Robert A. kam 1994 als Baby nach Deutschland. Am Montag sollte er nach Serbien abgeschoben werden

Für die Chemnitzer Ausländerbehörde bleibt Robert A. ein ausreisepflichtiger Ausländer, obwohl der 31-Jährige fast sein ganzes Leben in der sächsischen Großstadt verbracht hat und nie im Herkunftsland seiner Eltern war.
Für die Chemnitzer Ausländerbehörde bleibt Robert A. ein ausreisepflichtiger Ausländer, obwohl der 31-Jährige fast sein ganzes Leben in der sächsischen Großstadt verbracht hat und nie im Herkunftsland seiner Eltern war.

Ein Fall, wie man ihn sich nicht vorstellen kann, und doch ist es bei weitem nicht der erste dieser Art: Am Montag sollte der 31-jährige Robert A. nach Serbien abgeschoben werden. Er kam 1994 als Baby nach Deutschland. Der Chemnitzer spricht nicht Serbisch, kennt das Land nicht und hat keine serbische Staatsbürgschaft. Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) ordnete in letzter Minute an, »die Rückführung des Robert A. nach Serbien zu unterbrechen«.

Der Flug von Frankfurt am Main für den späten Montagvormittag war schon gechartert, wie der Sächsische Flüchtlingsrat berichtet. Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei verlangten, nachdem die Organisation den Fall am Freitag öffentlich gemacht hatte, einen Stopp der Abschiebung. SPD und Grüne sitzen in Sachsen zusammen mit der CDU in der Landesregierung.

Laut Flüchtlingsrat flohen die Eltern des 31-jährigen Robert A. 1993 vor dem Jugoslawien-Krieg zunächst in die Niederlande. Dort sei dieser unter einem anderen Namen geboren worden und im Alter von acht Monaten nach Deutschland gekommen. Er habe in Chemnitz seinen Schulabschluss und eine Ausbildung gemacht.

Dennoch bekam Robert A. stets nur eine Duldung. Laut Flüchtlingsrat wurde er am Freitag in die Ausländerbehörde Chemnitz bestellt und dort in Gewahrsam genommen. Anschließend wurde er in die Abschiebehaftanstalt Dresden und von dort in der Nacht zum Montag nach Frankfurt gebracht.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Frank Richter erklärte: »Ich kann diese Praxis nicht akzeptieren. Sie ist nicht gerecht. Sie ist unmenschlich. Sie vergiftet unser gesellschaftliches Zusammenleben.« Richter forderte die Härtefallkommission des Freistaates auf, sich umgehend für A. einzusetzen. Die sächsische Abschiebepraxis stoße Robert A. »in ein Nichts«, empörte sich der Sozialdemokrat. »Als Angehöriger des Volkes der Roma dürften ihm in Serbien außerdem sehr viel Ablehnung und Diskriminierung drohen«, fügte er hinzu. Seine Abschiebung wäre »ein erneuter Tiefpunkt einer inhumanen Praxis, die letztlich der sächsische Innenminister zu verantworten hat«.

Richter hatte A. am Sonntag im Abschiebegefängnis besucht und danach berichtet, der Chemnitzer habe »alles Erdenkliche« getan, »um sich in Deutschland zu integrieren«. Die Behörden lehnten laut Flüchtlingsrat stets eine Arbeitserlaubnis ab, weil die Staatsangehörigkeit von A. ungeklärt war.

Dave Schmidtke, Sprecher des Flüchtlingsrats, hatte am Freitag umgehend eine Online-Petition gestartet. Diese war bis zum Montagnachmittag bereits von mehr als 25 000 Menschen unterzeichnet worden. »Seine Lebensgeschichte ist eine einzige Tortur, da er nie Sicherheit über seinen Aufenthalt besaß. Über Jahrzehnte muss er für Fehler seiner Eltern büßen und die zuständigen Behörden zeigen keinerlei Menschlichkeit in seinem Fall«, erklärte Schmidtke.

Unterstützer von Robert A. hatten seit Freitag alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Abschiebung zu stoppen. »Unter Hochdruck« seien erste rechtliche Schritte eingeleitet worden, so der Flüchtlingsrat. Neben einem Eilantrag auf Untersagung der Abschiebung beim Verwaltungsgericht Chemnitz wurde ein Antrag an die sächsische Härtefallkommission erstellt und am Montagmorgen eingereicht.

Nach Einschätzung von Schmidtke ist der vorläufige Stopp der Abschiebung zwar ein Erfolg. Doch die Gefahr sei »noch nicht gebannt«. Schmidtke fordert, Robert A. müsse »analog zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai diesen Jahres als faktischer Inländer« behandelt werden. Der Umgang mit ihm wie auch mit zahlreichen anderen Menschen sei ein Skandal. Den meisten Betroffenen fehle es an »fachkundiger Unterstützung in den aufwändigen Kämpfen um ein Aufenthaltsrecht«, sie lebten Jahre und Jahrzehnte in Angst vor der Abschiebung.

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