Donald Trump: Die Leere hinter dem Bild

Einst Symbol linker Bewegungen, ist die erhobene Faust bei Donald Trump nur Selbstinszenierung. Seine Show lenkt von Entwicklungen im Hintergrund ab

  • Jakob Berding
  • Lesedauer: 5 Min.
Der Schuss kam unerwartet, die Pose sitzt trotzdem: Donald Trump kurz nach dem Attentat auf ihn am 13. Juli im US-Bundesstaat Pennsylvania
Der Schuss kam unerwartet, die Pose sitzt trotzdem: Donald Trump kurz nach dem Attentat auf ihn am 13. Juli im US-Bundesstaat Pennsylvania

Donald Trump ist nach dem Attentatsversuch auf ihn wieder einmal ein Meisterwerk der politischen Kommunikation gelungen. Mit gereckter Faust und blutendem Ohr rief er seinen Anhängern mehrfach »Fight!« zu, bevor die ihn abschirmenden Mitarbeiter des Secret Service ihn von der Bühne bugsieren konnten. Daraus entstanden ist ein ikonografisches Foto. So ikonografisch, dass man fast die absolute Leere dahinter vergessen könnte.

Viele sahen in der geistesgegenwärtigen Reaktion Trumps auf den Attentatsversuch das Genie eines Instinktpolitikers, der sich in Sekundenschnelle der Bedeutung eines historischen Moments bewusst wurde und sich diesen zunutze machte. Dabei ist die erhobene Faust schon seit Jahren fester Bestandteil von Trumps Repertoire. Er zeigte sie zu seinem Amtsantritt, nach überstandener Corona-Infektion, im Senat und überhaupt bei so ziemlich jeder Gelegenheit. Es ist die langjährige Aneignung und gleichzeitige Sinnentleerung eines Symbols, das auf eine lange Geschichte zurückblickt.

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Im 19. Jahrhundert gewann die erhobene Faust als Zeichen der Arbeiterbewegung an Bedeutung. Spätestens mit der berühmten Fotomontage »Alle Fäuste zu einer geballt« (1934) von John Heartfield ging sie fest in die Symbolik revolutionärer linker Bewegungen ein. Im Spanischen Bürgerkrieg hoben die internationalen Brigaden im Kampf gegen die Putschisten um General Franco die Faust zum Gruß, in Italien galt sie als die antifaschistische Antwort auf den Römischen Gruß Benito Mussolinis. Bei den Olympischen Spielen 1968 hoben die afroamerikanischen Sprinter Tommie Smith und John Carlos während ihrer Siegerehrung die Faust zum Black-Power-Gruß, um gegen Diskriminierung und Rassenhass in den USA zu protestieren. Die Frauenbewegung machte sich die Faust in Kombination mit dem Venussymbol als grafisches Emblem zu eigen. Die gereckte Faust war dabei stets Symbol des Widerstands, oft der Machtlosen gegen die Mächtigen. Die gereckte Faust zeigten die, die bereit waren, für eine Vision oder Utopie einer gerechteren Welt zu kämpfen.

In diesem Sinne ist die erhobene Faust des Multimilliardärs und Ex-Präsidenten Trump deren vereinnahmte Perversion. Eine Geste von Mächtigen für Mächtige. Donald Trump inszeniert sich als zwar Freund der Arbeiter – doch in Wahrheit kämpft er für nichts als sich selbst und weist dabei den Totengräbern der amerikanischen Demokratie den Weg.

So pathetisch die erhobene Faust vor der wehenden US-Flagge, so groß die Leere, die sich dahinter verbirgt. Trump hätte genauso gut eine neue Schuhkollektion oder ein Update für das nächste iPhone ankündigen können. Pathos und Personenkult reichen längst aus, um die Anhängerschaft in Jubel ausbrechen und den Rest der Welt, allen voran die Demokraten, in Schockstarre verharren zu lassen. Weder die einen noch die anderen kämen auf die Idee, mit dieser Geste die Forderung nach einer besseren Welt zu verbinden. Doch der Bildsprache des Medienprofis Trump haben linke Kräfte in den USA derzeit nur wenig entgegenzusetzen, vom altersschwachen Joe Biden ganz zu schweigen.

Durch seine mediale Dauerpräsenz hat der Ex-Präsident es geschafft, einem großen Teil der Öffentlichkeit sein geistiges Innenleben aufzupfropfen. Aus dem Mikrokosmos Trump ist ein Makrokosmos unter Beteiligung der Weltöffentlichkeit geworden, in dem jede verfügbare Ressource dem stets im Zentrum stehenden Trump zufließt. Und so wird die ganze Kraft, die die Ikonografie eines solchen Augenblicks in einer Gesellschaft entwickeln kann, von dem Ego eines einzelnen Mannes aufgesogen. Ein tragischer Zustand, denn im geistigen Vakuum, das um Trump und seine Anhängerschaft entstanden ist, hat sich längst ein radikal-konservatives Projekt formiert, das sich anschickt, in Zukunft jegliche Chance auf gesellschaftlichen Fortschritt in den USA im Keim zu ersticken. Der unter dem Namen »Project 2025« firmierende und über 900 Seiten lange Plan der libertär-konservativen Heritage Foundation hat es in sich. Staatliche Behörden sollen unter der nächsten republikanischen Präsidentschaft eingestampft und mit Loyalisten besetzt, Steuern für Reiche gesenkt und für kleine Einkommen erhöht werden. Das minimale staatliche Gesundheitssystem, durch das die ärmsten Amerikaner versorgt werden, soll zusammengestrichen, Arbeitnehmerrechte sollen abgebaut werden. Der Klimaschutz soll gleich ganz abgeschafft, Ölbohrrechte sollen massiv ausgeweitet werden. Pläne zu Abtreibung, Bildungssystem und Militär sind da noch gar nicht erwähnt. Es ist kurzum eine Wunschliste der Superreichen und erzkonservativen Elite Amerikas, die über Think Tanks wie die Heritage Foundation schon seit jeher bequem an den Hebeln der Macht sitzt.

Deren Chef Kevin Roberts selbst versteht seine Pläne als »Revolution«, die »unblutig bleibt, wenn die Linke es zulässt«. Mit einer Revolution im Sinne einer Umkehrung der Machtverhältnisse hat der Tross an Forderungen, der da im Windschatten Trumps ins Weiße Haus einziehen möchte, jedoch wenig gemein. Er sieht letztendlich die massive Zementierung und Ausweitung bestehender Machtverhältnisse vor. Dass Trump sein Publikum in Pennsylvania, wo sich mutmaßlich wenige Profiteure seiner Politik finden, nach dem missglückten Attentat mit erhobener Faust zum Kampf aufforderte, hat angesichts dessen fast schon etwas Makabres, so als ließe man die Trojaner das Pferd auch noch selbst bauen. Es ist eine leere Gegenwart, die schon bald von einer düsteren Zukunft abgelöst werden könnte. Die Amerikaner müssen wieder einmal der Versuchung widerstehen, diese große Leere mit der Show eines einzelnen Mannes zu füllen.

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