Das Merz-Prinzip

Der CDU-Chef schlägt am Beispiel der Bahn eine neue Strategie vor: Was nicht funktioniert, lässt man weg

Eurofighter-Copilot Friedrich Merz
Eurofighter-Copilot Friedrich Merz

Dass Friedrich Merz etwas von Verkehrspolitik versteht, wusste man noch gar nicht. Es ist immerhin eine günstige Gelegenheit, sich hervorzutun, denn sowohl der amtierende Verkehrsminister Wissing von der FDP als auch seine zahlreichen Vorgänger von der CSU haben die Latte nicht besonders hoch gelegt.

So saß Merz also im TV-Sommerinterview und sprach, wenn die Bahn überfordert sei, müsse man eben das Angebot reduzieren. Boah (Ausruf der Verblüffung), wie jüngere Menschen sagen würden. Auf diesen großen Wurf können die in Details befangenen Fachleute gar nicht kommen (Achtung: Betriebsblindheit!), sondern nur unbelastete, frische Seiteneinsteiger: Weniger Strecken, weniger Fahrten, weniger Probleme. Weniger ist – nun ja, nicht mehr, aber eben, also, weniger.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Und vor allem: Dieses geniale Prinzip lässt sich auf andere Bereiche übertragen. Natürlich nicht auf die Bundeswehr, um hier gleich Unflatstürmen vorzubeugen; die muss gepäppelt werden. Aber sonst – überall. Beispielsweise im Gesundheitswesen. Wenn es überlastet ist, wird es eben gestutzt. So lange, bis das wenige, das übrig bleibt, irgendwie sein Pensum schafft. Und wer keinen Arzttermin bekommt – soll er doch Privatpatient werden. Schon in der DDR wusste man: Privat geht vor Katastrophe. Das war zwar damals anders gemeint (die Jüngeren mögen die Älteren fragen und die Wessis die Ossis), aber: Auch heute ist das eine elementare Lebensweisheit. Schicke Privatschule statt marode städtische Lehranstalt. Und so weiter.

Es war die französische Königin Marie Antoinette, der ein legendäres Zitat zugeschrieben wird. Dass sie wirklich die Urheberin ist, wird von Historikern bezweifelt, aber selbst wenn es ausgedacht ist, ist es doch sehr schön erfunden: »Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie Kuchen essen.« Das sei, heißt es, nicht korrekt übersetzt. Sie habe nicht von Kuchen gesprochen, wie wir ihn heute kennen, sondern von Brioche, einem einfachen Hefegebäck. Aber immerhin, der Spruch gilt als Beweis inniger Volksverbundenheit einer im Paralleluniversum der Paläste lebenden Aristokratin.

Fridericus Merz animiert zu einer weiteren Variation des königlichen Credos: Wenn die Bahn nicht fährt, dann sollen sie doch den Eurofighter anfordern. Das geht; Merz gönnte sich neulich eine entsprechende Mitfluggelegenheit bei der Luftwaffe im Wert von 100 000 Euro. Kostenlos. Natürlich wird ihm der Volkszorn keines der verbliebenen Haare krümmen; ganz anders als bei der später guillotinierten Regentin. Es würde schon reichen, wenn man ihn bei der nächsten Wahl einfach nicht ankreuzt. Soll er doch seine Blackrock-Pension verzehren, wenn er nicht Kanzler wird!

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.