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Bundeshaushalt: Wieder zulasten der Schwachen
Haushaltsentwurf der Ampel: Stark verkleinertes Budget für Bürgergeld und Milliardenkürzung bei Entwicklungshilfe
Gut 480 Milliarden Euro will die Bundesregierung im kommenden Jahr ausgeben, acht Milliarden weniger als in diesem Jahr. Das sieht die Einigung des Kabinetts zum Etatentwurf 2025 vor. Damit kommt es tatsächlich zu deutlich weniger Kürzungen in den Haushalten der einzelnen Ressorts als zunächst von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gewünscht. Sein erster Entwurf hatte lediglich 450 Milliarden Gesamtausgaben vorgesehen. Für den Düsseldorfer Ökomomen Jens Südekum ist das Gesamtwerk nicht nur deshalb akzeptabel, wenngleich er anmerkte, dass man damit unter einem angemessenen Inflationsausgleich bleibe. Aber: Lindner habe sich für seine Verhältnisse kompromisbereit gezeigt, sagte Südekum dem Deutschlandfunk.
Die Schuldenbremse im Grundgesetz soll mit einer geplanten Netto-Neuverschuldung in Höhe von knapp 44 Milliarden Euro formal eingehalten werden. Allerdings dürfte es, sollte die angenommene Konjunkturprognose der Regierung nicht eintreffen, auch im nächsten Jahr einen Nachtragshaushalt geben. Soeben hat das Kabinett zusammen mit dem Etatentwurf für 2025 einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr in Höhe von 11,3 Milliarden Euro beschlossen, der über zusätzliche Schulden finanziert sind. Das ist wegen des geringen Wirtschaftswachstums ebenfalls im Rahmen der Schuldenbremse-Regelungen möglich. Das Geld soll unter anderem Mehrbedarfe beim Bürgergeld auffangen und das im Vergleich zur Planung geringere Steueraufkommen ausgleichen.
Gerade beim Bürgergeld dürfte es 2025 wohl ähnlich laufen wie jetzt. Denn das Bundesarbeitsministerium soll bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit rund 5,5 Milliarden Euro weniger auskommen als im laufenden Jahr 2024. Das berichtete die »Welt« am Freitag unter Berufung auf den detaillierten Entwurf. Danach seien für 2025 im Bürgergeld Gesamtausgaben von rund 45 Milliarden Euro vorgesehen.
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Dieser Ansatz im Haushaltsentwurf beruht allein auf der Annahme der Regierung, dass durch laut der ebenfalls am Mittwoch beschlossenen »Wachstumsinitiative« vorgesehenen Verschärfungen im Umgang mit Bürgergeldbeziehern wie auch durch das geschätzte Wirtschaftswachstum »viele tausend« Menschen (Lindner) mehr in Arbeit kommen. Kürzungen bei den Regelsätzen sind jedenfalls nicht geplant.
Dass die Schätzung eintreffen wird, ist allerdings ansgesichts des andauernden Krieges in der Ukraine, für dessen Fortsetzung die Bundesregierung erhebliche Mittel bereitstellt, kaum absehbar. Denn mit 1,13 Millionen ist die Zahl der unkrainischen Geflüchteten im Bürgergeldbezug anhaltend groß, unter ihnen sind besonders viele Kinder, Alte und alleinerziehende Mütter, die dem Arbeitsmarkt nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen.
Insgesamt haben Ende Juni 5,6 Millionen Menschen die Leistung bezogen, unter ihnen werden knapp vier Millionen als erwerbsfähig eingestuft. Von diesen wiederum sind bereits rund 800 000 erwerbstätig und stocken ihre niedrigen Löhne mit Bürgergeld auf. Die Kürzungen beim Bürgergeld, das Aus für die Kindergrundsicherung und die minimale Anhebung des Kindergelds für Normal- und Geringverdiener im kommenden Jahr haben Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Die Linke scharf kritisiert.
Gemessen an ihren Gesamtbudgets müssen nach wie vor das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und das Auswärtige Amt (AA) im Bereich der Mittel für die humanitäre Hilfe die größten Kürzungen hinnehmen. Beim von Svenja Schulze (SPD) geführten BMZ werden im Vergleich zum laufenden Jahr 937 Millionen, also fast eine Milliarde Euro, gestrichen – bei einem geplanten Gesamtetat von 10,3 Milliarden. Das Budget von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrumpft um 836 Millionen. Gegen diese Kürzungen haben am Mittwoch vor dem Kanzleramt Vertreter von Entwicklungshilfeorganisationen protestiert.
Deren Lobby wird indes immer schwächer. Medial läuft eine Kampagne gegen vermeintlich überdimensionierte und der Bundesrepublik nichts nützende Projekte. Befeuert wird die Debatte darüber nicht nur von Vertretern der AfD, sondern auch von CDU und CSU sowie von FDP-Finanzminister Christian Lindner persönlich. Als Beleg wird meist ein einzelnes Radwegprojekt in Peru aufgeführt.
Von links werden viele Projekte des BMZ ebenfalls kritisiert. Denn viele sind an Zusagen von Partnerregierungen in Sachen Eindämmung der Migration etwa aus westafrikanischen Ländern in Richtung Europa geknüpft. Außerdem gibt es in diesem Bereich offenkundig eine besondere Anfälligkeit für Korruption, wie aktuelle Recherchen zeigen. Begünstigte sind oft international agierende Konzerne. Die Investitionen schaden dabei nicht selten Menschen, Umwelt und Klima.
Gleichwohl kritisierte Cornelia Möhring, Sprecherin der Linken im Bundestag für Entwicklungspolitik, die Kürzungen mit Blick auf die Rekordzahl von 120 Millionen Menschen auf der Flucht weltweit scharf. Dass in dieser Lage im drittreichsten Land der Welt die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit um 25 Prozent und für humanitäre Hilfe um 30 Prozent »historisch zusammenkürzt« werde, sei »ein Einknicken vor dem Rechtsrutsch im Lande, unmenschlich und verantwortungslos«, erklärte sie.
Wie verärgert BMZ-Chefin Schulze über die drastischen Einschränkungen in ihrem Bereich ist, ließ sie in einem Interview durchblicken. Gegenüber den Zeitungen der Gruppe Ippen Media (Freitagausgaben) plädierte sie zudem für eine Steuer von zwei Prozent auf Milliardenvermögen. Für Superreiche gebe es in Deutschland viele »Privilegien und Schlupflöcher«, kritisierte die Ministerin. Es sei »nicht fair«, wenn ein Milliardär prozentual weniger Steuern zahle als eine Lehrerin oder eine Reinigungskraft.
Kürzungen musste indes auch das von Robert Habeck (Grüne) geführte Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Dort sind Minderausgaben von 833 Millionen vorgesehen, obwohl Habeck sich ein großes Investitionsprogramm für die »Transformation« der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität gewünscht hatte. Deshalb will Habeck ein Sondervermögen dafür 2025 zum Wahlkampfthema machen. »Ich selbst hielte Investitionen für richtig, wie sie etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie vorgeschlagen hat – 400 Milliarden über ein länger laufendes Sondervermögen, klar umgrenzt für den Standort Deutschland, für Schienen, Schulen, Kitas und Klimaschutz«, sagte er der »Wirtschaftswoche«.
Die Bundesregierung spricht derweil von Ausgaben für Investitionen auf »Rekordniveau«. Sie steigen laut Webseite der Regierung »von knapp 53 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 57 Milliarden Euro im Jahr 2025«. Hinzu kämen Ausgaben aus dem bereits bestehenden Klima- und Transformationsfonds sowie Zuschüsse zur Entlastung beim Strompreis in Höhe von rund 40 Milliarden. Dort sind offenbar auch Ausgaben für die Verteidigung mit eingerechnet.
Wehrminister Boris Pistorius (SPD) ist allerdings alles andere als zufrieden mit dem im Vergleich zu seinen Forderungen geringen Anstieg beim Bundeswehretat 2025. Dass die Verteidigungsausgaben grundsätzlich weiter drastisch steigen sollen, vor allem in der Finanzplanung ab 2028, wenn das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Truppe aufgebraucht ist, darüber sind in der Ampel-Koalition alle einig. Vor allem dafür und für die militärische Unterstützung der Ukraine fordern SPD und Grüne die Schuldenbremse erneut auszusetzen.
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