Rohstoffjagd in der Tiefsee

Umweltschützer warnen vor massiven Schäden für das Ökosystem

Rund um solche Thermalquellen, auch Schwarze Raucher genannt, lagern sich für die Industrie wertvolle mineralische Rohstoffe ab.
Rund um solche Thermalquellen, auch Schwarze Raucher genannt, lagern sich für die Industrie wertvolle mineralische Rohstoffe ab.

Der Druck auf die Internationale Meeresbodenbehörde ISA nimmt zu. Konzerne und einige Staaten wollen während der 29. Jahrestagung die bisherigen Beschränkungen für den Tiefseebergbau aufheben. Schließlich wachse der Energie- und Rohstoffhunger. Auf Jamaika tagt bis Freitag der Rat, der die Weichen für die folgende Versammlung der Mitgliedstaaten stellen wird. Es geht um Regeln für einen künftigen Tiefseebergbau oder um eine vorsorgliche Pause. Umweltschützer warnen vor massiven Schäden für das Ökosystem.

Mit dem zunehmenden Bedarf an Rohstoffen und Edelmetallen, insbesondere für IT-Technologien und -Produkte, sind in den letzten Jahren auch die mineralischen Rohstoffe in der Tiefsee ins Visier von Staaten und Unternehmen gerückt. Dabei geht es um radioaktive Manganknollen, die in den Tiefseeebenen vorkommen, um kobalthaltige Krusten an den Hängen von Seebergen und mit Metallen angereicherte Sulfide, die sich rund um Thermalquellen in mehreren Tausend Metern Wassertiefe ablagern.

Bereits heute sind von der ISA zahlreiche Lizenzen zur Erkundung dieser Rohstoffe auf einer Fläche von mehr als 1,5 Millionen Quadratkilometern an zwei Dutzend Staaten vergeben. Auch Deutschland hat solche Explorationslizenzen erworben, die später in Abbaulizenzen übergehen könnten. Im Auftrag der Bundesregierung erkundet die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) seit 2006 ein Lizenzgebiet für Manganknollen im äquatorialen Nordostpazifik und seit 2015 ein Lizenzgebiet für Sulfide im westlichen Indik.

Ein kommerzieller Abbau dieser Ressourcen hat bisher nicht begonnen, da sich die 168 Mitglieder der ISA bislang nicht auf ein Regelwerk einigen konnten. Nun ist 2023 die Stillhaltephase abgelaufen, und es könnte eigentlich losgebaggert werden. Einige Staaten und Unternehmen machen Druck auf die ISA, Abbaulizenzen zu vergeben – trotz fehlenden Regelwerks.

»Eine Batterie in einem Stein«, so wirbt etwa die kanadische Metals Company, deren Aktien an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq gelistet sind, für den Abbau von Manganknollen. Diese liegen wie Pflastersteine auf dem Meeresboden. Besondere Begehrlichkeiten weckt die Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik zwischen Mexiko und Hawaii. Dort befänden sich »die reinsten Ressourcen für Batteriemetalle auf dem Planeten«, umwirbt die Metals Company die ISA und ihre Mitgliedstaaten. Auch in Deutschland gibt es mit Blick auf E-Mobilität und Energiewende wirtschaftliche Begehrlichkeiten.

Allerdings wäre der Abbau derzeit unwirtschaftlich, da zu kostspielig. Zugleich sind die ökologischen Bedenken erheblich. Die Tiefsee umfasst mehr als die Hälfte der Erdoberfläche und bildet mit der darüberliegenden Wassersäule viele verschiedene Lebensräume. »Die Tiefsee ist gekennzeichnet durch absolute Dunkelheit, Kälte und einen sehr hohen Druck«, beschreibt die Umweltorganisation WWF die Lage.

Unter diesen Bedingungen haben sich unzählige, hoch spezialisierte Arten entwickelt. Sie ernähren sich von abgestorbenem organischen Material, das zu Boden sinkt, oder auch in Symbiose mit Bakterien. Viele Arten haben spezielle Anpassungen an die Dunkelheit entwickelt, wie die Erzeugung von Licht, um Beute oder Geschlechtspartner anzulocken. »Das Tiefsee-Ökosystem stellt einen zentralen Teil der Nahrungsnetze im Meer dar – hier jagen Wale und große Fische nach ihrer Beute – sie sind daher essenziell für das gesamte Leben in den Ozeanen«, warnt der WWF. Außerdem seien die Ökosysteme in der Tiefsee wichtige CO2-Senken und für die globale Klimaregulierung unerlässlich.

Die Regierungen haben bislang immer für eine Verlängerung der Stillhaltephase geworben, um weitere Forschungen durchzuführen. Schließlich wisse man weniger über die Tiefsee als über die Oberfläche des Mondes. Konzerne wie Google, Samsung und VW gehören zu einer Gruppe von rund 50 Unternehmen, die sich ebenfalls für ein Moratorium ausgesprochen haben. Andererseits hat auch Bergbau an Land oft negative Folgen für Mensch und Umwelt.

Die Meeresbodenbehörde ISA ist eine internationale Organisation mit Sitz in Kingston. Sie wurde 1994 als Teil des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen gegründet. Sie hat den Auftrag, Bodenschätze der Tiefsee als »gemeinsames Erbe der Menschheit« zu verwalten. Bisher haben sich 24 der 168 ISA-Mitglieder gegen die Genehmigung von Abbauanträgen ausgesprochen.

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