Gegen den Hass ist nicht mehr drin

Ein Gedicht zur Zeit

  • Franz Dobler
  • Lesedauer: 4 Min.
Tel Aviv, vergangenen Samstag: Protest gegen Netanjahu, für die Freilassung der Geiseln, die die Hamas in ihrer Gewalt hat.
Tel Aviv, vergangenen Samstag: Protest gegen Netanjahu, für die Freilassung der Geiseln, die die Hamas in ihrer Gewalt hat.

Es heißt du sollst

deinen Humor niemals verlieren, egal wie

mies oder lebensgefährlich die Umstände sind.

Weil er unsere einzige Waffe ist gegen den Hass.

Denn wenn wir ihn verlieren

wird auch uns der Hass zerfressen

der die stärkste Waffe der anderen ist

deren Herz von nichts als Hass besetzt ist.

*

Es gibt sechs Millionen Gründe

meinen deutschen Humor nicht zu vergessen

und seit dem 7. Oktober 23

sind es (schon wieder) viele Gründe mehr.

*

Ich verstehe, dass es wichtig ist

ihn nicht zu verlieren.

Aber ich finde, es ist schwierig.

Du kannst ihn nicht erzwingen, nicht runterladen

nicht trainieren, nicht kaufen, nicht klauen.

Und beten tu ich nicht mehr.

Kann nur versuchen und hoffen,

eine Spur davon zu finden.

Denn bloß kein Hass, das seh ich ein.

Ich versuch’s – und spiel Musik rein:

Denn fight for your right to party

soll auch nicht vergessen sein.

*

Die Hamas-Killer (ich denke »Killer« ist kein

Hasswort, sondern popkulturell vielseitig)

die Hamas-Killer haben an diesem 7. Oktober 23

(tapfer wie sie sind) keine militärischen Einrichtungen

sondern auch (und besonders symbolmächtig)

Besucher-Innen eines Musikfestivals

attackiert: Mehr als 200 ermordet

vergewaltigt, verbrannt, dabei gefilmt

und als Geiseln genommen

*

und dafür viel Beifall bekommen

von Musikfans aus aller Welt

vor allem von den Verbindungen

DJs for Palestine und

DJs against Apartheid und

Berlin Nightlife Workers Against Apartheid.

*

Ich glaube, da ist irgendwo etwas Humor begraben:

Ich glaube, diese DJs werden jetzt für Hamas-Partys gebucht

und als Support-Acts bei Frauen-Hinrichtungen im Iran

*

und wohl deshalb der Beifall für die Hamas-Killer

auch von der Alliance of Internationalist Feminists:

Diese Allianz hat die Vergewaltigungen der tapferen

Hamas-Killer als Propaganda-Behauptung bezeichnet

mit der das (wie sie es nennen) faschistische

israelische Regime seine völkermörderische

und Apartheid-Politik zu rechtfertigen versuche.

*

Was sagt Pnina Tamano-Shata zur Apartheid in Israel?

Die äthiopische Jüdin, die als Kind

mit ihrer Familie nach Israel geflüchtet ist

Ministerin für Einwanderung und Integration von 2020 bis 22

heute Vorsitzende des israelischen Parlaments-Ausschusses

für die Förderung der Stellung der Frau

und die Gleichstellung der Geschlechter – was

bekanntlich aber doch nichts Besonderes ist!

*

Das sind doch Posten, die in den Staaten

die Israel von der Landkarte bomben möchten

schon lange mit Frauen besetzt sind

die ebenfalls nicht so weiß und

Oberschicht sind wie Judith Butler

die gute Freundin der Hamas-Killer, die sie

(popkulturell wirkungsvoll) Freiheitskämpfer nennt.

*

Hallo?: Ich finde, der ist nicht total schlecht ...

*

Ich frage mich: Was könnte man

diesen DJ- und Frauen-Verbindungen raten?

Dann geht doch rüber?

Aber das wäre doch zuviel Hass:

Das würden sie doch nicht überleben.

Sie wissen nicht, was sie tun

aber sie sollen doch leben.

Dafür gibt es doch mehr

als sechs Millionen gute Gründe.

*

Und ich stelle mir einmal mehr die alte Frage:

Wer hat uns verraten? Jetzt auch noch Linke!

Ich finde, der ist nicht sooo schlecht ...

Obwohl nicht ganz richtig – ich korrigiere:

Jetzt auch noch und noch mehr angebliche Linke.

*

Tut mir leid – mehr ist nicht drin.

*

Ich korrigiere: Es tut mir nicht leid

dass nicht mehr drin ist.

Franz Dobler ist ein Schriftsteller, der in Augsburg lebt, wo er im Frühjahr dieses Gedicht vorgetragen hat, auf einer Veranstaltung der Initiative »Artists Against Antisemitism Augsburg«. Im Frühjahr erschien auch Franz Doblers neuer Roman »Ein Sohn von zwei Müttern« bei Tropen.

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