Aufschlag zur globalen Milliardärssteuer

Die brasilianische G20-Präsidentschaft treibt eine koordinierte Mindestbesteuerung der Superreichen voran

Das klare Motto der brasilianischen G20-Präsidentschaft: eine gerechte Welt und einen nachhaltigen Planeten schaffen
Das klare Motto der brasilianischen G20-Präsidentschaft: eine gerechte Welt und einen nachhaltigen Planeten schaffen

Die Idee einer Milliardärssteuer überstrahlt das routinemäßige Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) an diesem Donnerstag und Freitag in Rio de Janeiro. Der Kampf gegen Hunger, Armut und Ungleichheit stehen während der brasilianischen G20-Präsidentschaft in diesem Jahr ganz oben auf der Agenda. Präsident Lula da Silva hat die Gründung einer »Globalen Allianz gegen Hunger und Armut« ausgerufen. Der G20 gehören Staaten wie China, Russland und die USA, die EU sowie seit 2023 auch die Afrikanische Union an. Das informelle Gremium steht für zwei Drittel der Weltbevölkerung, für mehr als 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung und für den Großteil der globalen CO2-Emissionen.

Um die Ungleichheit zu verringern, sollen Milliardäre höhere Steuern zahlen. Lula hat den französischen Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman beauftragt, ein entsprechendes Konzept zu entwerfen. Dieser schlägt vor, dass die rund 3000 Reichsten der Reichen jährlich mindestens zwei Prozent ihres Vermögens an ihren Heimatstaat abführen. Das könne zu Einnahmen von bis zu 250 Milliarden Dollar führen, die zur Bekämpfung von Hunger und Konflikten, zur Pandemievorsorge und für Klimaschutz eingesetzt werden könnten. Weil vermögensbezogene Steuerinitiativen im nationalen Rahmen immer die Gefahr der Abwanderung und Verlagerung an andere Standorte bergen, schlägt Zucman in seinem 49-seitigen Papier »eine koordinierte Mindeststeuer für ultrareiche Individuen« vor. Wenn das alle Länder gemeinsam tun, so der Steuerexperte, werde es schwer, sich der Besteuerung zu entziehen.

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Politische Unterstützung erhält der Vorstoß bislang von Brasiliens Finanzminister Fernando Haddad, seinen Amtskollegen aus Südafrika und Spanien sowie von der deutschen Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). In einem gemeinsamen Beitrag, der in mehreren Medien gleichzeitig erschien, riefen sie unter der Überschrift »Besteuert die Superreichen!« zu einer globalen Milliardärsbesteuerung auf.

»Brasilien verdient als vorsitzendes Land der G20-Gruppe für den Vorschlag einer Mindeststeuer für Milliardäre große Zustimmung«, sagt der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel gegenüber »nd«. Die Betroffenen mit ihrer »Überheblichkeits-Arroganz« werde die Botschaft allerdings kaum erreichen. Dabei bedrohten Konflikte, Krisen, soziale Unruhen und Katastrophen am Ende auch die »Superpriviligierten«. Heute gebe es weltweit keinen Fluchtraum mehr.

Tatsächlich kommt das Projekt bei Neoliberalen in Wirtschaft und Politik nicht gut an. Sie halten an der Erzählung fest, dass niedrige Steuern Wirtschaftswachstum befördern, sodass am Ende alle etwas davon haben. Empirische Untersuchungen unter anderem von Gabriel Zucman zeigen aber das Gegenteil. Als sich die Globalisierung in den 1980er Jahren beschleunigte, war allen bewusst, dass es Gewinner und Verlierer geben wird, begründete Zucman kürzlich in einem Interview mit der »Neuen Zürcher Zeitung« seinen Plan. »Den möglichen Verlierern sagte man: ›Macht euch keine Sorgen, ihr werdet entschädigt, indem die Gewinner besteuert werden.‹« Doch dieses Versprechen sei nicht eingelöst worden. Im Gegenteil: Die größten Profiteure würden wegen des zunehmenden internationalen Steuerwettbewerbs immer weniger besteuert.

Bisher zahlen Milliardäre in vielen Staaten unverhältnismäßig niedrige Einkommensteuern. Im Verhältnis zu ihren Vermögen sind es laut einem aktuellen Report der Organisation »EU Tax Observatory« im Schnitt nur rund 0,3 Prozent. Rudolf Hickel hält denn auch die »Mindest-Milliardär-Steuer« nicht allein für wirtschaftlich zweckmäßig und einen Beitrag zur Stärkung der Demokratie, sondern auch in der Praxis für »gut machbar«.

Gleichzeitig werden internatioanl große Summen benötigt: Insbesondere seit der Covid-Pandemie hat die Armut weltweit wieder zugenommen, und das Erreichen der UN-Entwcklungsziele für 2030 ist in weite Ferne gerückt. Außerdem ist in Sachen Klimawandel die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen und des neuen Fonds für Schäden und Verluste im globalen Süden nicht gesichert.

Deutschlands FDP-Finanzminister Christian Lindner tritt im Vorfeld des Treffens indes auf die Bremse. Die Idee einer auf Ebene der G20 diskutierte Steuer für Milliardäre seit »nicht zielführend«, heißt es aus Lindners Ministerium. Auch international sei sie »nicht konsensfähig«. Das Finanzministerium setze sich stattdessen dafür ein, stärker grenzüberschreitend gegen Steuerumgehung vorzugehen. Lindner reist selbst nicht nach Rio, sondern lässt sich von Staatssekretär Heiko Thoms (FDP) vertreten.

Die Milliardärssteuer ist indes nicht das einzige umstrittene Thema, das aufgrund von Differenzen im gemeinsamen Abschlusskommuniqué ausgeklammert werden dürfte. Die unterschiedlichen Bewertungen der G20-Staaten zum Krieg in der Ukraine und zum Nahost-Konflikt sollen in einem gesonderten Papier des Gastgeberlandes aufgegriffen werden.

Die Milliardärssteuer ist damit aber nicht vom Tisch. Einmal in der Welt, dürfte die Idee auch den abschließenden Gipfel der Staats- und Regierungschefs im November noch bewegen. Und wie die Mindestbesteuerung großer mulitnationaler Unternehmen zeigte, brauchen G20-Steuervorstöße bis zur Einigung viele Jahre.

»Brasilien verdient für den Vorschlag einer Mindeststeuer für Milliardäre große Zustimmung.«

Rudolf Hickel Wirtschaftswissenschaftler
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