Angriffe auf NS-Gedenkorte: Regierung weiter ahnungslos

Linke-Anfrage zu Angriffen auf Gedenkorte für Faschismus-Opfer nur lückenhaft beantwortet

Seit Jahren beklagen die Leitungen von KZ-Gedenk­stät­ten eine spürbare Zunahme von Übergriffen. Hier ein Vorfall von 2021 an der Außenstelle des Konzentrationslagers Ravensbrück.
Seit Jahren beklagen die Leitungen von KZ-Gedenk­stät­ten eine spürbare Zunahme von Übergriffen. Hier ein Vorfall von 2021 an der Außenstelle des Konzentrationslagers Ravensbrück.

Es war nicht das erste Mal, dass Linke-Abgeordnete von der Bundesregierung Informationen zu Zahl und Charakter von Straftaten gegen Gedenkorte für die Opfer der Naziherrschaft anforderten. Aber noch immer werden diese nicht adäquat erfasst. Das offenbart die bereits nachgebesserte Antwort des Bundesinnenministeriums auf die jüngste Anfrage zum Thema.

Hintergrund der Anfrage: Seit Jahren beklagen die Leitungen von KZ-Gedenkstätten im ganzen Land eine spürbare Zunahme von Übergriffen. Das fängt beim Kapern von Führungen durch rechte »Fragesteller« an und hört beim Beschmieren von Denkmälern mit Hakenkreuzen längst nicht auf.

Bei der Regierungsantwort, die »nd« vorliegt, fällt ins Auge, dass in der langen Liste der Einzelfälle auch viele Sachbeschädigungen an »Kriegerdenkmalen« und Grabstätten von Nazis auftauchen. Diese Taten werden als »links« motiviert eingeordnet.

Dazu erklärt die Bundesregierung wie schon bei früheren Anfragen von Jan Korte, Petra Pau, André Hahn und anderen Linke-Abgeordneten, der Begriff »NS-Gedenkstätte« sei kein »bundesweit abgestimmtes Angriffsziel« im Katalog des »Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität«. Man könne daher keine Angaben darüber machen, wie viele NS-Gedenkstätten angegriffen wurden. Alternativ sei auf das Angriffsziel »Gedenkstätte« zurückgegriffen worden.

Da die erste Antwort vom 8. Juli besonders lückenhaft war, forderte der Parlamentarische Geschäftsführer der Gruppe Die Linke im Bundestag, Christian Görke, eine Vervollständigung an. Diese enthält aber noch immer nicht die verlangten genauen Namen der angegriffenen Gedenkorte.

Insgesamt wurden zwischen dem 2. Januar 2019 und dem 17. Juni dieses Jahres 1742 Delikte erfasst. Darunter waren 991 Sachbeschädigungen und 127 Fälle von Volksverhetzung. In 381 Fällen wurden Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet. Nur 155 Delikte wurden aufgeklärt, was einer Quote von 8,9 Prozent entspricht.

»Diese Bundesregierung möchte offenbar weiter in Unkenntnis bleiben, da ansonsten womöglich irgendein Handlungsdruck entstünde.«

Jan Korte Linke-Bundestagsabgeordneter

1019 Straftaten wurden als rechts (59 Prozent), 395 als links motiviert eingeordnet (23 Prozent). 159 Angriffe konnte die Polizei nicht zuzuordnen (9 Prozent).

Der bei der Anfrage federführende Bundestagsabgeordnete Jan Korte findet es »bezeichnend, dass die Bundesregierung noch immer nicht sagen kann oder will, wie viele und welche NS-Gedenkstätten genau angegriffen wurden«. Angesichts dessen müssten Erfassung und Statistik »so schnell wie möglich« überarbeit werden. »Doch diese Bundesregierung möchte offenbar lieber weiter in Unkenntnis bleiben, da ansonsten womöglich irgendein Handlungsdruck entstünde«, moniert der Politiker.

Laut Bundesregierung ist eine »weitergehende Ausdifferenzierung des Oberangriffsziels ›Gedenkstätte‹ (...) mit Blick auf die derzeitigen Fallzahlen aktuell nicht geplant«.

Korte findet das angesichts von »1019 eindeutig rechten Straftaten gegen Gedenkorte in den letzten fünfeinhalb Jahren, also fast 200 jedes Jahr« skandalös. Zumal die Dunkelziffer »vermutlich noch viel höher« liege. Denn die meisten Angriffe blieben von der Öffentlichkeit und oft nicht gut geschulten Polizisten unbemerkt. Auch die niedrige Aufklärungsquote sei besorgniserregend.

Korte erwartet, dass Bund und Länder »deutlich mehr unternehmen, um das Problem in den Griff zu kriegen«. Denn: »Wer antifaschistische Gedenkorte angreift und schändet, der vergeht sich quasi ein zweites Mal an den Opfern und verunglimpft diejenigen, die im Kampf gegen den NS-Terror ihr Leben, ihre Gesundheit und ihre Freiheit eingesetzt haben.«

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