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Wenn nichts ist, wie es scheint

Über Träume und die Grenzen der Realität

Ein Fall für die Notaufnahme: Playmobil im elterlichen Fuß
Ein Fall für die Notaufnahme: Playmobil im elterlichen Fuß

Immer wieder derselbe anstrengende Albtraum, nach dem ich erschöpft aufwache: Ich gehe eine Treppe hinab, mit geschlossenen Augen. Ich sehe mich selbst im Traum, sehe mich die Lider geschlossen halten, wie eine Schlafwandlerin. Ich weiß nicht, warum ich mir selbst das Augenlicht verbiete.

Ich gehe also die Treppe hinunter, und während ich einen Fuß vor den anderen setze, werden die Stufen immer kleiner. Zuerst ist es nur eine Anmutung, die ich nicht zuordnen kann. Mir ist nicht klar, ob es meine Füße sind, die gewachsen sind, oder ob es tatsächlich die Stufen sind, die langsam schrumpfen. Mit jeder Stufe scheinen meine Schuhe ein Stückchen weiter über den Rand zu ragen.

Ich versuche mich an dem Handlauf festzuhalten, der sich links neben mir befindet. Meine Augen sind noch immer geschlossen, aber ich weiß, wo ich ihn vermuten kann. Im Traum bin ich ganz sicher, dass ich diese Treppe schon viele Male nach unten gestiegen bin – und nach oben sicher auch, aber daran erinnere ich mich nicht.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist, und versucht es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen.

dasnd.de/hohmann

Buchstäblich den Boden unter den Füßen verlierend, versuche ich mich an dem Metallhandlauf festzuhalten. Ich erreiche mit Mühe und Not das rettende Metallobjekt, da windet es sich unter meinem Griff und reckt sich in die andere Richtung. Es biegt sich von mir fort, schlängelt sich davon.

Oder variierend: Es hat den Aggregatzustand gewechselt, ist flüssig geworden, schmilzt unter der Berührung meiner Hände, die Nägel krallen sich in die Handballen. Oder: Der Handlauf bricht zusammen, löst sich von der Wand und fällt auf den Boden. Man hört keinen Ton, aber man sieht noch die Löcher, die in der Wand zurückgeblieben sind. Oder: Das Metall zerbröselt zwischen meinen Fingern. Wieder schneiden mir meine langen Fingernägel in meinen Handballen.

So unterschiedlich die profan anmutenden Horrorszenarien auch sind, das Ende des Traums ist immer gleich: Ich falle. Und bevor ich auf dem (ohnehin verschwindenden) Boden aufkomme, wache ich auf. Wenn ich aufwache, ist nichts mehr so, wie es scheint. Das Zimmer, das ich vom Bett aus sehe, zerfällt in seine Einzelteile. Die Wände wirken nicht mehr solide, ebenso wie die Gegenstände ihrer Funktion beraubt scheinen. Die Wahrnehmung selbst – in ihrer differenzierten Licht- und Schattenhaftigkeit – ist in den Vordergrund gerückt.

Wenn man etwas erkennt oder zumindest zu erkennen glaubt, stoppt man dabei unbewusst den Erkenntnisprozess. Der Zustand der Assoziation sowie der Zustand der Dissoziation ist unterbrochen. Man sieht, man identifiziert, man benennt, man kategorisiert. Was aber, wenn das Tasten im Halbdunkeln bleibt? Wenn das Vage bejaht wird, sich die Ein- und Zuordnung zwar ab und an einstellt, dann jedoch wieder verliert und durch eine neue ersetzt wird? Ist das eine Kuckucksuhr oder ein echter Kuckuck?

Denn immerhin findet das Erkennen ja nicht nur visuell statt, sondern mit allen Sinnen. Das Käuzchen ruft, wir halten es für echt und dann wieder für falsch. Manchmal ist das Gras besonders grün, weil es Fake ist. Und manchmal ist es auch besonders weich, ebenso wie der Teppich im Kinderzimmer. Die Hüfte ein wenig zu breit, um entspannt auf der Schaukel sitzen zu können, die Beine ein wenig zu lang, um smooth die Rutsche herunterzurutschen. Also klemmt man den Körper, in dem man sich selbst noch fremd fühlt, ambitioniert zwischen die Metallketten oder die weiß angelaufenen Hartplastikteile der Rutsche und verharrt dort, mimt eine entspannte Haltung, mimt, dass einem weder schwindelig noch schlecht wäre von der Zigarette. Die Unterscheidung zwischen echt und unecht verschwimmt.

Ich denke an Erwachsene, die nachts auf die Spielzeuge ihrer Kinder treten, wenn sie durch das dunkle Kinderzimmer gehen, in dem das Kind aufgewacht ist. Vielleicht weint es oder brabbelt im Schlaf. Der Schmerz in der Fußsohle lässt die Erwachsene zum Kind werden, das heißt zu der, die eigentlich betreut werden sollte, statt zu betreuen. Spielzeuge werden zu etwas potenziell Gefährlichem. Auch die Rollenverteilung ist dynamisch. Auf dem Teppich bleiben leichte Blutspuren – es ist und bleibt unklar, ob es die Spuren des Kindes sind, das kürzlich Nasenbluten hatte, oder eines der Elternteile, das sich an einem Teil der Murmelbahn verletzt hat oder an einem Playmobil-Pirat.

Eltern im Kinderzimmer sind zu groß für die Gimmicks, die sie umgeben – sie werden zu Ries*innen. Im Kontrast dazu sind Jugendliche, die auf Spielplätzen in Vorstädten ihre ersten Zigaretten rauchen, nur ein kleines bisschen überdimensioniert für die Spielgeräte. Die Proportionen verschieben sich stetig; nur ein, zwei Jahre früher waren sie hier, spielend, noch am richtigen Platz. Jetzt sind sie es wieder, aber in einer anderen Rolle.

Auf einer Parkbank steht: »I was here«. Vielleicht ist dieses kleine, profane Stück Selbstvergewisserung erst einmal genug. Es muss nicht näher definiert werden, wer dieses »Ich« und was dieses »Hier« ist – es bleibt ebenso austauschbar, wie es spezifisch ist.

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