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Oder-Brücke: Freundschaftsbeweis in Weiß

Neue Oderbrücke kann nur der erste Schritt für Ostbahn-Ausbau sein

Polen, Berlin und Brandenburg wünschen sich mehr als Dieseltriebzüge auf der neuen Oderbrücke.
Polen, Berlin und Brandenburg wünschen sich mehr als Dieseltriebzüge auf der neuen Oderbrücke.

Rauchtöpfe zünden und eine dichte Wolke in Regenbogenfarben wabert über die Oder. Was der ahnungslose Beobachter für eine Demonstration für queere Rechte an der Grenze von Brandenburg und Polen halten könnte, ist tatsächlich Teil der Feierlichkeiten zur Wiedereröffnung der Zugverbindung von Berlin nach Kostrzyn am Mittwochvormittag.

Tatsächlich fahren die Züge der Linie RB26 bereits seit Montagfrüh wieder über den fertiggestellten Neubau der Brücke über die Oder. Dreieinhalb Jahre endeten die von der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) betriebenen Dieseltriebzüge in Küstrin-Kietz am deutschen Ufer der Oder. Am dortigen Bahnhof stehen, wie eine Mahnung, noch die zwei Kleinbusse, mit denen mehr schlecht als recht in dieser Zeit die letzten paar Kilometer bis nach Polen überbrückt worden sind.

Normale Busse konnten wegen der maroden parallelen Straßenbrücke nicht fahren, und so litten polnische Pendlerinnen und Pendler unter langen Fahrzeiten – wenn sie überhaupt in die Ersatzbusse mit der viel zu geringen Kapazität kamen. Dass auch heute noch auf dem Parkplatz in Küstrin-Kietz rund 250 Autos abgestellt sind, fast alle mit polnischen Kennzeichen, spricht Bände.

Doch nun soll alles besser werden. Mit einem eleganten Bogen überbrückt das neue Bauwerk die Oder. Zwei Gleise liegen auf der Brücke, die so gebaut ist, dass später auch noch eine Oberleitung gespannt werden kann. Ausgelegt ist sie für Tempo 120. Auf der Vorgängerbrücke durften die Züge zuletzt nur noch 30 Kilometer pro Stunde fahren. Sie bestand aus Teilen der ehemaligen Karniner Brücke, die einst die direkte Strecke aus Berlin auf die Insel Usedom über den Peenestrom führte.

50 Millionen Euro hat der Bund in den Neubau der 260 Meter langen Brücke mit dem 130 Meter langen Bogen investiert. Ingrid Felipe gerät ins Schwärmen über das »neue, moderne, wunderschöne Bauwerk«, das auch technisch sehr innovativ sei. Denn die Hänger der Brücke sind aus Carbonfasern gefertigt. 300 Tonnen kann jeder der nur je nicht mal 100 Kilo wiegenden 88 Hänger tragen, berichtet die Vorständin für Infrastrukturplanung und -projekte der DB Infrago, die bis zum Jahreswechsel noch DB Netz hieß. Weil das Carbon so leicht ist, konnte auch ein Viertel des sonst nötigen Brückenstahls eingespart werden. »Weltweit einzigartig« sei der Einsatz der Technologie bei Eisenbahnbrücken bisher.

Ursprünglich hätte die neue Brücke bereits im Dezember 2022 eröffnet werden sollen, der Termin wurde mehrmals verschoben. »Aber mit Corona hatte nun tatsächlich keiner gerechnet, und diese Brücke wurde während und auch trotz der Pandemie gebaut, trotz Materialengpässen, Lieferkettenverzögerungen und auch besonderen zusätzlichen Herausforderungen in der Bautechnologie«, sagt Infrastrukturvorständin Ingrid Felipe.

Die neue Brücke kann aber nur ein erster Schritt sein. Berlin, Brandenburg und Polen wollen aus der sogenannten Ostbahn eine neue Schienenarterie machen. Zu ihrer Eröffnung war sie eine der wichtigsten Strecken Preußens, denn sie verband Berlin mit dem damaligen Königsberg, dem heutigen Kaliningrad.

»Wir sind auch bereit, unseren Beitrag zu leisten für den Ausbau der Ostbahn, für den Ausbau der Strecke 203 in Polen. Und deswegen ist heute für mich ein guter Tag«, sagt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).

Es werde immer wieder auf das große Güterverkehrspotenzial hingewiesen, räumt Michael Theurer (FDP) ein. Er ist Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Vielleicht könne auch der Fernverkehr irgendwann mal diese wichtige Strecke wieder stärker nutzen, so Theurer weiter und kommt auch noch auf die strategische Bedeutung bis ins Baltikum zu sprechen, die »dieser Strecke zugeschrieben« werde.

Denn die zweigleisige und elektrifizierte Strecke von Berlin nach Frankfurt (Oder) ist bereits jetzt fast voll ausgelastet. Mit Güterzügen, Eurocitys und dem RE1, der teilweise alle 20 Minuten zwischen Magdeburg und Frankfurt (Oder) verkehrt. Die großteils eingleisige und nicht elektrifizierte Ostbahn kann weder viel Entlastung bieten noch als leistungsfähige Umleitung dienen. Der zunehmende Güterverkehr allein für das Tesla-Werk in Grünheide sorgt für weiteren Handlungsdruck.

Doch die Bundesregierung hat diesen Umstand bisher weitgehend an sich abperlen lassen. Nur auf Druck des Verkehrsausschusses ist die Ostbahn in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden, allerdings nur als »potenzieller Bedarf«. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) verhinderte in Brüssel Ende vergangenen Jahres gegen den Willen Polens, der EU-Kommission und des EU-Parlaments, dass die Strecke von der EU in die »Transeuropäischen Netze« aufgenommen wird. Damit gibt es zunächst keine Chance auf EU-Zuschüsse für den Ausbau.

Jakub Majewski, Aufsichtsratsvorsitzender der polnischen Eisenbahn PKP, verweist in seiner Rede noch einmal auf die »schwierige geopolitische Situation« – gemeint ist der russische Angriffskrieg auf die Ukraine – und sagt: »Umso wichtiger sind infrastrukturelle Verbindungen, effizient und modern, die den Personen- und Gütertransport ermöglichen und auf Gefahrensituationen reagieren können.«

Der Fahrgastverband Pro Bahn fordert eine Verbesserung der aktuellen Situation. »Das Deutschlandticket muss künftig bis Kostrzyn gültig sein«, so ein Sprecher. Woanders gelte es auch bis zum ersten Bahnhof im Ausland. »Ansonsten wird der Pendler-Parkplatz in Küstrin-Kietz voll bleiben.«

»Wir sind auch bereit, unseren Beitrag zu leisten für den Ausbau der Ostbahn.«

Dietmar Woidke (SPD)
Ministerpräsident Brandenburg
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