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Armee und Wagner kontrollieren im Norden Malis nur die Städte
Tuareg-Experte Georg Klute sieht unter der Militärjunta keine Chance für Wiederbelebung des Friedensvertrages von 2015
Die UN-Mission Minusma in Mali, an der auch die Bundeswehr beteiligt war, hat dem Land keine Stabilität gebracht und wurde Ende 2023 beendet. Wie hat sich die Instabilität in Mali weiter entwickelt?
Vorab: Die Minusma war in eine problematische Struktur eingebettet. Neben ihrer Friedens- und Stabilisierungsmission existierte eine französische Kampfmission – zunächst Serval, dann Barkhane. Das ist eine Konstellation, die der in Afghanistan vergleichbar war. Hier wie dort ist das gescheitert. 2020 und 2021 hat das Militär in Mali geputscht und die gewaltsame Machtergreifung damit begründet, dass die Sicherheitslage so schlecht sei. Dafür verantwortlich gemacht worden sind die Franzosen und die Minusma. Nachdem die Franzosen und dann die Minusma das Land verlassen hatten, wurden russische Wagner-Söldner geholt. Seither scheint sich die Sicherheitslage verschlechtert zu haben, insbesondere was die Opferzahlen unter Zivilisten angeht, die sich seit Abzug der Minusma mehr als verdoppelt haben.
Georg Klute ist emeritierter Professor für Ethnologie Afrikas an der Universität Bayreuth. Seit 1973 gehört der nördliche Sahel (Algerien, Mali, Niger) zu seinen Arbeits- und Forschungsschwerpunkten. Mit dem Verein Tamat setzt er sich im Sahel für die Förderung von Kultur und Bildung, Entwicklungszusammenarbeit und Völkerverständigung ein.
Sie haben seit vielen Jahren gute Kontakte in den Norden Malis. Wie ist dort die Situation?
Unser Verein Tamat hat mit Ausbruch des Bürgerkrieges 2012 den Norden von Mali verlassen müssen, nachdem wir fast zehn Jahre lang dort tätig gewesen sind. Zuvor aber habe ich von 1987 bis 2011 regelmäßig den Norden Malis bereist. Die malische Militärregierung mit Unterstützung von Wagner kann sich auf die Fahnen schreiben, dass es der malischen Armee gelungen ist, im November 2023 den Hauptort der Region, Kidal, zu besetzen. Rebellen und dschihadistische Gruppen haben die Stadt, aber keineswegs die Region verlassen. Man kann also sagen, dass Mali die Städte, aber keinesfalls das flache Land kontrolliert. Hier unternehmen malische Armee und Wagner Patrouillen, bei denen sie bei der Suche nach Rebellen und Dschihadisten ohne großes Zögern Opfer unter der Zivilbevölkerung in Kauf nehmen. Viele Menschen haben die Region verlassen und sind nach Algerien oder nach Mauretanien geflüchtet. Letzteres vor allem Menschen aus der Region Timbuktu. Andere können nicht so leicht wegziehen, weil sie Nomaden oder Bewässerungsgartenbauern sind und von ihrem Land und ihren Tieren leben.
Es scheint, dass sich in Mali die Kluft zwischen dem Norden und dem Süden immer weiter vertieft. Teilen Sie diese Ansicht?
Ja, unbedingt. Um die sich vertiefende Kluft zwischen Norden und Süden zu überwinden, bräuchte es einen charismatischen, friedensliebenden Politiker, eine malischen Nelson Mandela. Auf der anderen Seite scheint es fast ein Ding der Unmöglichkeit, dass andere Staaten beziehungsweise die internationale Gemeinschaft die Abspaltung Nordmalis und die Errichtung eines Tuaregstaates Azawad anerkennen würden. Deshalb sind Norden und Süden aufeinander angewiesen und müssen einen Modus vivendi finden.
Lässt sich der Friedensvertrag mit den Tuareg 2015 wieder beleben?
Es wäre wünschenswert. Ich hatte die Gelegenheit, in Bamako, Malis Hauptstadt, ein knappes Jahr nach Abschluss des Friedensvertrages von 2015 über das Abkommen zu diskutieren. Viele sind wie ich der Ansicht gewesen, dass es sich um einen guten Vertrag handelt. Während die Tuareg-Rebellen den Friedensvertrag unterstützt und seine Umsetzung gefordert haben, gab es auf malischer Seite sozusagen von Anfang an Zweifel an der Qualität der Vereinbarungen. Die waren darin begründet, dass der Vertrag besondere Maßnahmen für den Norden vorsah. Mit der Militärjunta in Mali wurde klar, dass sie keineswegs an die Umsetzung der Vereinbarungen dachte. So hat sie Anfang dieses Jahres den Vertrag auch offiziell aufgekündigt. Eine Wiederbelebung scheint nur dann aussichtsreich, wenn, erstens, die jetzige Militärregierung durch eine Zivilregierung ersetzt würde, die geschlossene Verträge anerkennt, und wenn zweitens Hass und Rachegelüste auf beiden Seiten überwunden werden könnten.
Anfang Juli haben sich die Putschregierungen von Niger, Mali und Burkina Faso in der »Allianz der Sahelstaaten« zusammengeschlossen. Macht das für Malis interne Probleme einen Unterschied?
Der sich abzeichnende Staatenbund verschafft ihnen in der Region Westafrika mehr Gewicht, auch militärisch, vergrößert aber auch die interne Heterogenität. Ich denke, Mali gewinnt militärisch durch den Zusammenschluss, könnte aber politisch verlieren.
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