Darum geht es im neu-entfachten Haushaltsstreit der Ampel

Ein Rechtsgutachten stellt die Etat-Pläne der Regierungskoalition infrage. Olaf Scholz sagt dennoch, »das geht« – Lindner stellt sich quer

Sie streiten schon wieder: Das Ampelspitzentrio aus Wirtschaftsminister Robert Habeck, Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner ist sich bei der Haushaltsfrage immer noch uneinig.
Sie streiten schon wieder: Das Ampelspitzentrio aus Wirtschaftsminister Robert Habeck, Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner ist sich bei der Haushaltsfrage immer noch uneinig.

Die Ampel streitet schon wieder in aller Öffentlichkeit. Und schon wieder war es Christian Lindner, der den Streit entfachte – indem er am Sonntag über die Ergebnisse eines Rechtsgutachtens zum Haushalt 2025 sprach, bevor die Koalition darüber beraten konnte. Aber nicht nur über die Vorgehensweise des Finanzministers, sondern auch über den Inhalt des Gutachtens ist man sich offenbar uneinig. Christian Lindner sagt: Rechtlich geht das nicht, Olaf Scholz sagt: Das geht. Wer hat nun recht?

Bei der Auseinandersetzung um das von Lindner in Auftrag gegebene Gutachten geht es um Folgendes: Um die noch bestehende Finanzierungslücke für den Haushalt 2025 von 17 auf acht Milliarden Euro zu verringern, ohne mehr Neuschulden aufzunehmen, wollte die Ampel-Koalition einige Buchungstricks anwenden. Zum einen sollten ungenutzte Gelder in Höhe von 4,9 Milliarden Euro, die eigentlich für die Gaspreisbremse vorgesehen waren, für andere Zwecke genutzt werden. Außerdem sollten Ausgaben für Bahn und Autobahn per Darlehen finanziert werden, die von der Schuldenbremse ausgenommen wären – eine Idee direkt aus dem Bundeskanzleramt.

Sofort nach Veröffentlichung der Haushaltspläne meldeten Rechtsexperten juristische Zweifel an – die Buchungstricks könnten verfassungswidrig sein. Die CDU drohte, genau wie letztes Jahr, vorm Bundesverfassungsgericht zu klagen. Damit Lindners Etat nicht, genau wie letztes Jahr, in Karlsruhe scheitert, gab er ein Gutachten zur Bewertung der Pläne in Auftrag.

Der Bielefelder Rechtsprofessor Johannes Hellermann und der unabhängige wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums äußerten darin übereinstimmend Zweifel an der Idee, bei der KfW liegende, ungenutzte 4,9 Milliarden Euro für die Gaspreisbremse im Haushalt für andere Zwecke zu nutzen.

Die Bewertungen zum Vorhaben, Bahn und Autobahngesellschaft Darlehen statt Zuschüsse zu zahlen, fielen weniger eindeutig aus. Unter bestimmten Voraussetzungen sei das rechtlich umsetzbar, erklärte Hellermann. Deshalb meldete sich wohl auch der Kanzler mit der Nachricht aus dem Urlaub: Die Darlehen-Finanzierung geht.

Der wissenschaftliche Beirat sieht darin allerdings Risiken, weil womöglich weder Bahn noch Autobahn das geliehene Geld aus eigenen Einnahmen zurückzahlen könnten. Die Bahn ist schon hoch verschuldet und die Autobahngesellschaft hat gar keine eigenen Einnahmen. Letzteres könnte gesetzlich aber geändert werden, meint Hellermann. Bisher erhält die GmbH die Einnahmen durch die Lkw-Maut über den Bundeshaushalt, über eine Gesetzesänderung könnte sie die Maut als direkte Eigeneinnahme erhalten.

Das Finanzministerium argumentiert, die dazu nötigen Reformen seien aufwendig, politisch umstritten und vor einem Haushaltsbeschluss nicht umsetzbar. Im Fall der Bahn lasse sich das Problem dagegen über eine Eigenkapitalspritze lösen.

Und es gibt noch ein weiteres Problem, das den dritten Hauhaltstrick der Ampel betrifft: Lindner bezifferte die noch bestehende Finanzierungslücke auf rund fünf Milliarden Euro. Darüber hinaus geht er aber davon aus, dass neun Milliarden Euro von den Ministerien ohnehin nicht ausgegeben werden – nennt sich »globale Minderausgabe«. Diese Vorgehensweise ist grundsätzlich üblich, diesmal könnte es aus Sicht der Union aber schiefgehen. Angesichts der aktuell schrumpfenden wirtschaftlichen Entwicklung sei mit steigenden Ausgaben zu rechnen, vor allem im Sozialbereich, argumentierte Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU).

Bis nächste Woche sollen die Beratungen eigentlich abschlossen sein und dann ins parlamentarische Verfahren gehen. Ob das in nur einer Woche gelingen kann, ist bislang unklar. Denn es ist zu erwarten, dass die Verhandlungen zeitintensiv werden. Für die ursprüngliche Einigung saßen die drei Koalitionsspitzen Scholz, Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck über hundert Stunden lang am Verhandlungstisch. Der Bundeskanzler ist aber gerade im Urlaub und wollte nebenbei in den nächsten zwei Tagen noch bei den Olympischen Spielen in Paris vorbeischauen.

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