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Der Frosch als Vorbild
Mit allerlei Schwimmstilen versucht der Mensch die Fortbewegung im Wasser
Am Anfang war der Frosch. Bereits im frühen 16. Jahrhundert empfahl der Schweizer Gelehrte Nikolaus Wynmann im weltweit ersten Schwimm-Lehrbuch, die Beinbewegungen von Fröschen nachzuahmen. Für ihn war amphibienartiges Brustschwimmen die einzig richtige Schwimmart.
Da die Kirche nicht akzeptieren wollte, dass ein derart niederes Lebewesen zum Vorbild auserkoren wurde, landete das Buch prompt auf dem Index. Der steilen Karriere des Brustschwimmens in Mitteleuropa hat das nicht geschadet. Auch heute lernen Kinder in Deutschland als Erstes diesen Schwimmklassiker und versuchen fleißig, »Froschbeine« zu machen. Viele Erwachsene haben daher nie etwas anderes als Brustschwimmen gelernt. Dabei ist dieser Stil aus orthopädischer Sicht nicht optimal – vor allem dann, wenn die Technik falsch ist.
»Wenn ich im Schwimmbad bin, beobachte ich viele Brustschwimmvarianten«, berichtet die Orthopädin und ehemalige Leistungsschwimmerin Barbara Gellrich aus Wiesbaden, die das deutsche Schwimm-Nationalteam als Mannschaftsärztin betreut. »Manche Leute hängen fast senkrecht im Wasser und machen ein Hohlkreuz. Das ist unter anderem nicht gut für die Hals- und Lendenwirbelsäule.« Bei richtiger Technik liegt der Körper dagegen fast waagerecht im Wasser, was die Rückenmuskulatur entspannt.
Doch viele Freizeitschwimmer möchten den Kopf trocken halten und strecken ihn daher aus dem Wasser. Für die Halswirbelsäule bringt eine solche Haltung Belastungen mit sich. Bei richtiger Technik wird der Kopf dagegen in die Bewegung integriert. »In der Gleitphase legt man ihn ins Wasser«, sagt Helge Knigge, Dozent an der Deutschen Sporthochschule Köln. Das verhindert nicht nur eine Überstreckung, sondern ist auch physiologisch sinnvoll: »Wenn der ganze Körper im Wasser liegt, hat man den größten Auftrieb. Wir werden leichter und gleiten besser.«
Auch für die Knie kann Brustschwimmen belastend sein. Problematisch wird es vor allem, wenn sportlich geschwommen wird, wie der Sportwissenschaftler erklärt: Die »Schwunggrätsche«, die heute Standard ist, ist eine hochkomplexe Bewegung, bei der die Unterschenkel nach außen rotieren, was die Kniegelenke beansprucht. Vereinfacht gesagt werden die Fersen Richtung Po gezogen, die Füße nach außen gedreht, die Unterschenkel in einem Bogen nach außen geschwungen und wieder zusammengeführt. »Von 100 Freizeitschwimmern, wie man sie in öffentlichen Bädern beobachten kann, macht kaum jemand eine solche Schwunggrätsche«, sagt Knigge. Die meisten beugen und strecken die Beine irgendwie. »Sie sind dadurch vielleicht langsam, schaden aber auch ihren Gelenken nicht.«
Dagegen hat das Rückenschwimmen, gesundheitlich betrachtet, viele Vorteile. Die Orthopädin Gellrich fände es ideal, würden Kinder diesen Stil als Erstes lernen. »Man liegt entspannt im Wasser, ohne die Halswirbelsäule zu überstrecken, und kann jederzeit Luft holen«, sagt sie. Bei einer kompletten Schwimmbewegung müssen so viele verschiedene Muskeln arbeiten, dass man damit ein rückenstärkendes Ganzkörpertraining erreicht.
Helge Knigge kommt beim Stichwort Rückenschwimmen sogar regelrecht ins Schwärmen. »Es handelt sich um eine runde, rhythmische Bewegung.« Beim gängigen Rückenkraul werden die Arme abwechselnd nach hinten bewegt. Ein solches alternierendes Bewegungsmuster ist dem Menschen vom Gehen her vertraut und hat daher einen entspannenden Effekt.
In der Praxis stößt die Begeisterung fürs Rückenschwimmen schnell an ihre Grenzen: Da man sich in dieser Position kaum orientieren kann, läuft man Gefahr, im Becken mit anderen zu kollidieren oder an den Beckenrand zu prallen.
Auch beim Kraulen kann die Orientierung Schwierigkeiten bereiten, da Sehen und Hören eingeschränkt sind. Davon abgesehen ist dieser Schwimmstil unter medizinischen Gesichtspunkten sehr empfehlenswert: Macht man es richtig, bilden Kopf und Körper eine Ebene, sodass die Nackenmuskulatur entspannt bleibt. Viele Muskelpartien, vor allem aber Arm- und Schultermuskulatur, werden gefordert; zudem ist der Energieverbrauch hoch, sodass sich ein beachtlicher Trainingseffekt ergibt.
Allerdings sind technische Fehler, die Schulterprobleme und Rückenschmerzen bereiten können, beim Kraulen häufiger als beim Brustschwimmen, wie Gellrich erklärt. Vor allem die Atmung ist beim Kraulen gewöhnungsbedürftig: Es bereitet Anfängern oft Probleme, sie in die Bewegung zu integrieren und gegen den Wasserwiderstand auszuatmen. Die frühere Leistungssportlerin empfiehlt deshalb, einen Schnorchel zu verwenden, damit die Konzentration auf die Bewegung besser gelingt.
Noch komplizierter ist das Schmetterlingsschwimmen, das im Breitensport daher auch so gut wie keine Rolle spielt. »Die Motorik muss man als Kind lernen«, sagt Gellrich, die 1978 Deutsche Meisterin über 200 Meter Schmetterling bzw. Delfin war. »Für längere Strecken eignet sich der Stil nicht.« Dagegen findet sie es sinnvoll, sich gelegentlich in Seitenlage zu begeben. »Seitenschwimmen« wird heute normalerweise nicht mehr unterrichtet, doch kann man sich darin ruhig ab und zu versuchen: Dabei legt man sich seitlich ins Wasser, macht mit dem unteren Arm eine Schub- und mit dem oberen eine Kraulbewegung. Nach ein, zwei Bahnen legt man sich auf die andere Seite. Überhaupt empfiehlt die Orthopädin, beim Schwimmen öfter die Position zu verändern und zwischen den Stilen zu wechseln.
Die Fachwelt ist sich darin einig, dass Schwimmen grundsätzlich ein äußerst gesunder Sport ist. Dennoch sollten Einsteiger bei Vorerkrankungen ihren Hausarzt fragen, ob Schwimmen unbedenklich ist. Bei Gelenkproblemen aller Art sollte man sich Tipps vom Orthopäden holen.
Optimal ist es, auch als Erwachsener ein paar Schwimmstunden zu nehmen, um die Technik zu verbessern. Oder einen neuen Stil zu üben. So erzählt Gellrich zum Beispiel von einer über 50-jährigen Patientin, die problemlos Kraulen gelernt hat. »Viele Erwachsene nehmen noch Klavier- oder Malstunden. Genauso gut könnten sie in einen Schwimmkurs investieren.«
»Viele Erwachsene nehmen noch Klavier- oder Malstunden. Genauso gut könnten sie in einen Schwimmkurs investieren.«
Barbara Gellrich Orthopädin
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