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Ludwig Elm: Unübersehbare Zeichen gesetzt

Der Historiker Ludwig Elm wird 90

  • Mario Keßler
  • Lesedauer: 3 Min.
Ludwig Elm
Ludwig Elm

Im beschaulichen Potsdam im Norden des US-Staates New York – der Ort ist natürlich von deutschen Auswanderern gegründet worden – fand 2008 eine Konferenz statt, die dem »Soll und Haben« der DDR-Historiker gewidmet war. Sie wurden nach 1990 an den Rand des deutschen Wissenschaftsbetriebes gedrängt, doch organisierten sich viele von ihnen in einer »zweiten Wissenschaftskultur«, darunter in der Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen, zu deren aktivsten Beiträgern über viele Jahre Ludwig Elm gehörte. Zwar ist die Elm Street im amerikanischen Potsdam nicht nach ihm benannt (Elm bedeutet Ulme auf Englisch), doch hat der gleichnamige Historiker, der an jener Konferenz mitwirkte, in Wissenschaft und Wissenschaftspolitik unübersehbare Zeichen gesetzt, an die hier erinnert werden darf.

Der im thüringischen Greußen Geborene absolvierte eine Lehre als Landwirtschaftsgehilfe, studierte 1952 Landwirtschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und 1953 bis 1956 Geschichte und Philosophie in Leipzig. Sein weiterer Weg vollzog sich an der Universität Jena, wo er nach Promotion und Habilitation Professor für Wissenschaftlichen Sozialismus mit Schwerpunkt Geschichte wurde. Elm forschte und schrieb vor allem über bürgerlich-liberale Parteien und Verbände im Wilhelminischen Deutschland sowie über konservative Strömungen und Ideologien in der Bundesrepublik.

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Der Historiker, schließlich Prorektor für Gesellschaftswissenschaften an der Universität Jena und Abgeordneter des Kulturbundes in der DDR-Volkskammer, suchte und fand internationale Verbindungen auch jenseits aufgenötigter Grenzen. Wie viele andere DDR-Wissenschaftler musste auch er 1991 in den Vorruhestand gehen. Seitdem hat er in zahlreichen Publikationen, in denen er rückblickend auch die eigene Verdrängung mancher Probleme nicht aussparte, zur DDR-Geschichtswissenschaft Stellung genommen.

Mit vollem Recht aber verteidigt Elm sein wissenschaftliches Wirken gegen die nach 1990 modisch gewordene pauschale Abwertung. Seit 1964 legte er in quellenfundierten, stilistisch geschliffenen Forschungen zum westdeutschen Konservatismus dessen Verbindungen zum antidemokratischen Denken der Weimarer Republik, zum Faschismus wie zum Rechtsextremismus der Nachkriegsjahre offen; ein Problem, dem sich der Hauptstrom bundesdeutscher Historiker erst jüngst zugewandt hat. Zu den wichtigsten seiner über zwanzig Buchmonographien zählen »Zwischen Fortschritt und Reaktion. Geschichte der Parteien der liberalen Bourgeoisie in Deutschland 1893–1918«, »Hochschule und Neofaschismus. Zeitgeschichtliche Studien zur Hochschulpolitik der BRD« und »Aufbruch ins Vierte Reich? Zur Herkunft und Wesen einer konservativen Utopie« sowie »Der deutsche Konservatismus nach Auschwitz«. Seine 2018 publizierte Autobiografie »Geschichte eines Historikers. Erinnerungen aus drei deutschen Staaten« beleuchtet ohne jede Skandalisierung seine Arbeit als Wissenschaftler, Wissenschaftspolitiker, Abgeordneter der Volkskammer sowie von 1994 bis 1998 auch des Deutschen Bundestages.

Politisch war Ludwig Elm für die PDS unter anderem in der Enquete-Kommission des Bundestages tätig, die sich mit der Aufarbeitung der DDR befasste. Er verließ die Partei Die Linke jedoch 2008, enttäuscht vom, wie er es sieht, Anpassungskurs an den Zeitgeist. Der zeige sich auch darin, dass »vor allem Westdeutsche vom ostdeutschen linken Wählerpotenzial profitierten«, indem sie gutdotierte Positionen als Mandatsträger und im politischen Apparat der Partei einnähmen. Politische, nicht immer unumstrittene Wortmeldungen des Marxisten aber waren auch in den folgenden Jahren unübersehbar.

Am 10. August vollendet Ludwig Elm sein 90. Lebensjahr. Herzlichen Glückwunsch, lieber Lutz!

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