Haushaltseinigung, die zweite

Mit Ach und Krach hat sich die Ampel-Regierung auf einen Etat 2025 geeinigt – zum zweiten Mal. Der Entwurf wirft immer noch Fragen auf

Wochenlang haben die drei Ampel-Männer um eine Haushaltseinigung für 2025 gerungen: Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner.
Wochenlang haben die drei Ampel-Männer um eine Haushaltseinigung für 2025 gerungen: Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner.

Die Ampel-Regierung ist längst als »Streitampel« bekannt. Doch keine Aufgabe dürfte die Koalition aus SPD, Grüne und FDP so an ihre Grenzen gebracht haben, wie die Aufstellung des Haushalts 2025. Nun ist es doch gelungen – im zweiten Anlauf und nur wenige Stunden vor der Deadline, die sich die Koalitionäre gesetzt hatten. Mit dem mühsam errungenen Kompromiss dürfte niemand so wirklich zufrieden sein, denn trotz der Nachbesserungen gibt es verfassungsrechtliche Bedenken.

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Rechtlich fragwürdiger Erstentwurf

Schon im Juli hatte sich das Spitzentrio aus Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf einen Etat verständigt. Das Problem: Um die Schuldenbremse einzuhalten und weitere Einsparungen zu vermeinden, bedienten sich die Koalitionäre einiger Haushaltstricks, die rechtliche Zweifel aufwarfen.

Im Erstentwurf klaffte noch eine Lücke von 17 Milliarden Euro. Die wollte man als sogenannte Globale Minderausgaben (GMA) verbuchen. Das heißt, dass die Regierung damit rechnet, die Summe im laufenden Haushaltsjahr noch einzusparen, etwa indem eingeplante Gelder in den verschiedenen Ministerien nicht abgefrufen werden. Dieses Instrument ist zwar üblich, in dieser Höhe laut Rechtsexperten aber juristisch wackelig, weil unklar ist, ob man so viel Geld in der aktuellen Wirtschaftslage tatsächlich einsparen kann.

Um die GMA auf acht Milliarden Euro abzusenken, wollte die Ampel-Koalition verschiedene Buchungstricks anwenden. Zum einen sollten ungenutzte Gelder in Höhe von 4,9 Milliarden Euro, die eigentlich für die Gaspreisbremse vorgesehen waren, für andere Zwecke genutzt werden. Außerdem sollten Ausgaben für Bahn und Autobahn per Darlehen finanziert werden, die von der Schuldenbremse ausgenommen wären.

Vor einer Woche bestätigte ein vom Finanzministerium beauftragtes Gutachten dann, was Juristen schon vermutet hatten: Die Buchungstricks wären rechtlich angreifbar, insbesondere das KfW-Modell und das Darlehn an die Autobahn GmbH – für Letzteres wäre eine relativ aufwendige Gesetzesänderung notwenig gewesen. Genau diese rechtlichen unsicherheiten wollte Christian Lindner unbedingt vermeiden, damit sein Haushalt nicht wie schon im vergangenen Jahr noch einmal vor dem Bundesverfassungsgericht fällt.

Das Haushaltslochloch bleibt groß

Das Spitzentrio musste also wieder an den Verhandlungstisch – mitten in Scholz' Sommerurlaub. Das Ergebnis: Der Bund wandelt Zuschüsse an die Bahn in Höhe von 4,5 Milliarden Euro um in zusätzliches Eigenkapital für die Infrastruktursparte der Deutschen Bahn AG. Der Vorteil: Die Eigenkapitalerhöhung bleibt geht an der Schuldenbremse vorbei. Damit sinkt die GMA auf 12,5 Milliarden.

Und die Ampel hatte noch zwei weitere Tricks in petto: Das in der Gaskrise verstaatlichte Unternehmen Uniper soll 300 Millionen Euro mehr an den Bund zurückzahlen. 200 weitere Millionen Euro kratzen Scholz, Habeck und Lindner zumindest auf dem Papier zusammen, indem sie den EU-Energiekrisenbeitrag absenken. Bleibt also eine Globale Minderausgabe von 12 Milliarden Euro – eine Rekordsumme, die angesichts der angespannten Wirtschaftslage nicht leicht wieder einzusparen ist.

Die Zeit, bis Freitag eine Lösung zu finden drängte auch deshalb, weil der Bundestag vor der Haushaltswoche im September noch ausreichend Zeit haben soll, sich mit dem Zahlenwerk zu befassen. Danach stimmen die Parlamentarier über den Entwurf ab.

»Da hat sich keiner mit Ruhm bekleckert«

»Nach monatelangem koalitionsinternen Streit ein zweites Mal einen Haushalt zu präsentieren, der verfassungsrechtlich fragwürdig ist, zeigt die ganze Handlungsunfähigkeit dieser Regierung«, kritisierte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), die Einigung. Unionsfraktionsvize Ulrich Lange (CSU) sprach von einem »Harakiri-Haushalt«.

Die Opposition könnte gegen den Haushalt klagen. Möglich ist, dass die Union, wie schon im vergangenen Jahr, gegen die Ampel vor Gericht zieht.

Lindner selbst gibt sich mit der Einigung nicht wirklich zufrieden. Der FDP-Chef hob zwar hervor, dass die Schuldenbremse weiter eingehalten werde und Steuern nicht erhöht würden. Auch sieht er keine verfassungsrechtlichen Probleme. Allerdings ließ Lindner auch Missmut über die verbleibende Milliardenlücke von 12 Milliarden Euro erkennen. »In der Koalition war nicht mehr möglich«, sagte Lindner am Freitagabend in den ARD-Tagesthemen.

Vizekanzler Habeck hadert vor allem mit dem Vorlauf zum neuen Kompromiss. »Das hätte alles leiser, nicht öffentlich, passieren sollen«, sagte er über den öffentlich ausgetragenen Streit. »Da hat sich keiner mit Ruhm bekleckert.« Auch SPD-Chef Lars Klingbeil räumte bei RTL/N-TV ein: »Diskussion ist okay, aber es hätte an vielen Stellen leiser sein können. Es hätte auch vertraulicher sein können. Und gerade die öffentliche Inszenierung von Streit hat sicherlich keiner der drei Ampel-Parteien geholfen, das wäre nicht nötig gewesen.«

Diskussion um Auswirkungen auf die Bahn

Ungemach droht der Koalition wegen eines neuen Finanzierungsmodells für die Deutsche Bahn, das für Konkurrenten höhere Trassenpreise und für deren Kunden höhere Fahrpreise nach sich ziehen könnten. Nach dem Kompromiss der Koalitionsspitzen soll die Infrastruktursparte der Deutschen Bahn AG zusätzliches Eigenkapital im Umfang von 4,5 Milliarden Euro bekommen. Das soll direkte Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt ersetzen.

Außerdem soll die Bahn ein Darlehen des Bundes in Höhe von 3 Milliarden Euro erhalten. Bisher war eine Eigenkapitalerhöhung von rund 5,9 Milliarden Euro vorgesehen. Damit soll die Bahn Investitionen zur Sanierung des maroden Schienennetzes vornehmen. Mehr Eigenkapital für die Bahn kann aus Finanzierungsgründen steigende Trassenpreise bedeuten – also Gebühren für die Nutzung des Schienennetzes, eine Art Schienenmaut.

Staatsrechtler Korioth merkte an: »Die Bahn hat bekanntermaßen wirtschaftliche Schwierigkeiten, ist immer wieder defizitär, weshalb eine Rückzahlung des Darlehens nicht unbedingt einkalkuliert werden kann. Und bei einer im Kompromiss vereinbarten Laufzeit des Kredits von 34 Jahren stellt sich schon die Frage, ob die Rückzahlungsfähigkeit hier nicht doch auch in der Koalition bezweifelt wird.« Nicht unüblich wären ihm zufolge zehn bis zwölf Jahre.

Auch CSU-Politiker Lange ist wenig zuversichtlich: »Die hoch verschuldete Bahn wird die Kredite nicht zurückzahlen können und die Eigenkapitalerhöhung wie schon diverse Male zuvor irgendwo im Konzern versenken.«

Die Allianz pro Schiene sieht das Finanzierungsmodell ebenfalls »ausgesprochen kritisch«, wie der Leiter Verkehrspolitik des Bahnverbandes, Andreas Geißler, betonte. »Eigenkapitalerhöhungen anstelle der eigentlich üblichen Baukostenzuschüsse führen zu höheren Trassenpreisen, machen also in der Konsequenz die Nutzung der Schieneninfrastruktur für Eisenbahnverkehrsunternehmen und damit die Wirtschaft und Reisenden erheblich teurer«, erläuterte Geißler. Mit Agenturen

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