Werbung

H48: Senat sieht wenig Chancen auf Ankauf

Der Senat hat ein landeseigenes Wohnungsunternehmen mit einer Ankaufsprüfung des Neuköllner Hausprojekts beauftragt

Aus sozialen Bewegung bekommt die H48 Unterstützung
Aus sozialen Bewegung bekommt die H48 Unterstützung

Wohnraum oder Gewerbe? Eigentlich ist diese Frage im Neuköllner Hausprojekt H48 einfach zu beantworten: Seit den 80ern leben in Räumen eines alten Gewerbehofes in der Hermannstraße 48 Menschen zur Miete. Rechtlich ist diese Frage aber umstritten und führt zu Problemen. Denn auf dem Papier sind die Mietverträge Gewerbemietverträge, für die ein wesentlich schwächerer Kündigungsschutz gilt. Zumindest der Vermieter sieht das so und will die mehr als 60 Mieter*innen schnell loswerden. Kündigungsschreiben landeten schon im Juli im Briefkasten der Mieter*innen.

Um diese vor Verdrängung zu schützen, hat der Senat die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land (SuL) gebeten, eine Ankaufsprüfung vorzunehmen. Das geht aus der noch nicht veröffentlichten Antwort der Senatsverwaltung für Wohnen auf eine Anfrage des wohnungspolitischen Sprechers der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Niklas Schenker, hervor, die »nd« exklusiv vorliegt. Bereits zuvor, im März 2023, habe es Kontakte zwischen der SuL und dem Anwalt des Eigentümers gegeben, die aber ohne Ergebnis endeten, da der Eigentümer nicht verkaufen wolle.

Passiert ist offenbar seither wenig. Auch das bezirkliche Vorkaufsrecht, das durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stark eingeschränkt ist, wurde geprüft. Die unklaren Vertragsverhältnisse stellen dafür laut Senat ein Hindernis dar: Die Tatsache, dass das zum Kaufobjekt gehörende Gewerbegebäude zu einem großen Teil zu Wohnzwecken genutzt werde, stelle eine »erhebliche rechtliche Problematik« dar, so die Senatsverwaltung für Wohnen. Die Erfolgsaussichten für einen Vorkauf seien gering.

Unabhängig davon, ob die SuL das Gebäude kauft oder nicht ist, müssen sich zunächst Gerichte mit der H48 beschäftigen. Eine Räumungsklage gegen eine Wohnung im Gebäude ist ausgesetzt, bis geklärt ist, ob ein Gewerbe- oder ein Wohnmietverhältnis vorliegt. Diese Frage wird derweil vor dem Amtsgericht Neukölln verhandelt. Der Senat hat sich unabhängig davon schon festgelegt: »Wenn Gewerberäume nicht als Wohnraum genehmigt sind, können sie nicht rechtmäßig als solcher genutzt werden. Mieterinnen und Mieter von Gewerberäumen haben keinen Anspruch auf sozialen Kündigungsschutz, wie er im Wohnraummietrecht existiert«, führt die Verwaltung aus.

Der Anwalt der Mieter*innen, Benjamin Hersch, widerspricht: »Die baurechtliche Widmung spielt für das Vertragsverhältnis erst mal keine Rolle.« Wenn ein Zivilgericht feststelle, dass es sich um ein Wohnmietverhältnis handele, greife auf jeden Fall der Kündigungsschutz, erklärt der Mietrechtsexperte gegenüber »nd«. Das Amtsgericht Neukölln wird am kommenden Donnerstag eine Entscheidung verkünden.

»Ich habe den Eindruck, dass der Senat in der Vergangenheit keinen ernsthaften Versuch unternommen hat, die Hermannstraße 48 anzukaufen und die Mieter*innen damit vor Verdrängung zu bewahren«, so Niklas Schenker zu »nd«. Es müsse dringend geprüft werden, wie die Nutzung des Vorkaufsrechts ermöglicht werden kann.

»Das Haus hat eine tolle Mietergemeinschaft, die einfach einen Neuköllner Querschnitt abbildet: Rentner*innen leben neben Studierenden, Künstler*innen neben Handwerker*innen«, so Schenker weiter. Es sei die Aufgabe des Senats, diese »Berliner Mischung« zu bewahren. »Ansonsten ist es zu spät, die Mieter*innen gekündigt und die Hermannstraße 48 bald ein weiterer seelenloser und teurer Betonklotz.«

Selbstverwaltung abgelehnt: Mieter*innen droht die Kündigung
Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal