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China und Philippinen: Kette von Konfrontationen
Neue Chinesisch-philippinische Schiffskollision sorgt für Verstimmung zwischen Peking und Manila
Die Vorwürfe, die Montag von hoher See kamen, waren heftig. Das chinesische Schiff, das da rund 100 Kilometer von der philippinischen Insel Palawan entfernt fuhr, habe durch »aggressive Manöver« einem Schiff der philippinischen Küstenwache ein Loch verpasst, erklärte Jonathan Malaya vom Nationalen Sicherheitsrat der Philippinen. Geng Yu, Sprecher von Chinas Küstenwache, hielt dagegen und mahnte: Zwei Schiffe der Philippinen seien »unprofessionell und gefährlich gefahren, so kam es zu einer Kollision«.
Was ist genau passiert? In der Nacht von Sonntag auf Montag, kurz vor halb vier Uhr Ortszeit, gerieten im Südchinesischen Meer je zwei Schiffe aus China und den Philippinen aneinander. Beide Seiten werfen sich Aggressionen vor. Kein Wunder: Auf die Region um die Sabina-Untiefe, wo die Zusammenstöße geschahen, erheben beide Staaten Anspruch.
Viele erheben Anspruch auf rohstoffreiche Region
Der Vorfall reiht sich in eine längere Kette von Konfrontationen zwischen China und den Philippinen ein. Dabei sorgt diese Auseinandersetzung gewissermaßen für besondere Unruhe. Denn eigentlich wollten sich die beiden Staaten gerade miteinander vertragen haben. Erst im Juli hatten China und die Philippinen eine Vereinbarung getroffen, mit der genau solchen Vorfällen vorgebeugt werden sollte. Konkret geht es dabei um die angespannte Situation rund um die Second-Thomas-Untiefe, die wie die Sabina-Untiefe einen Teil der Spratly-Inselgruppe bildet. Auf diese rohstoffreiche Region erheben neben China auch die Philippinen, Vietnam, Taiwan, Malaysia und Brunei Ansprüche.
Im Jahr 1997 ließen die Philippinen an der Second-Thomas-Untiefe ein Schiff stranden, das seither als Außenposten der Küstenwache genutzt wird, der immer wieder mit Gütern versorgt werden muss. China sieht dies als Provokation und hat die Versorgungsmissionen durch philippinische Schiffe wiederholt behindert. Ende Juli, kurz nach der jüngsten Vereinbarung, gelang so eine Mission dann – allerdings nicht ohne nachträglichen Streit. Inzwischen deutet sich an: Eine weitere ungehinderte Mission wird es vorerst wohl nicht geben.
Dabei ist der Streit Teil eines viel größeren Konflikts. Die Spratly-Inseln, die geografisch gesehen im Zentrum Südostasiens liegen, sind von zentraler Bedeutung für Chinas Großmachtstrategien. Sie liegen innerhalb der sogenannten Neun-Striche-Linie, einer von Chinas Regierung gezeichneten Gebietsabsteckung, um ihre Territorialansprüche im Südchinesischen Meer zu definieren. Für China sind diese Gebiete längst nicht nur wegen der Rohstoffe wichtig. Da eine Großmacht nach eigenem Verständnis auch über eine bewegliche Marine verfügen muss, ist die Kontrolle dieser Gebiete zentral für Chinas Einfluss auf Handelsrouten und den Zugang zu den Weltmeeren. So fällt China hier vor allem durch Kompromisslosigkeit auf. 2016 entschied der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag, dass China keine Ansprüche auf die Spratly-Inseln habe. Philippinische Fischer hätten dort historisch gewachsene Rechte. Doch Chinas Regierung ignoriert dieses Urteil.
Die Philippinen wiederum haben sich in den vergangenen Jahren wechselhaft verhalten. Als zwischen 2016 und 2022 der oft pekingnahe Populist Rodrigo Duterte das Land regierte, erklärte dieser, er wolle mit China keinen Streit haben. Einen Krieg könne man ohnehin nicht gewinnen. Duterte distanzierte sich auch von den USA, die auf den Philippinen lange Zeit Militärbasen unterhielten.
Balanceakt in Manila
Seit 2022 aber der Diktatorensohn Ferdinand Marcos Junior Präsident wurde, scheinen sich die Philippinen wieder den USA anzunähern. Mit Washington wurde eine Vereinbarung getroffen, dass das US-Militär neue Stützpunkte in den Philippinen öffnen dürfe. Im März sicherte die US-Regierung den Philippinen auch im Konflikt mit China über die Spratly-Inseln Unterstützung zu. China kritisierte dies und warnte die USA davor, die Souveränität Chinas zu verletzen.
Dabei ist man in der philippinischen Hauptstadt Manila höchst vorsichtig, sich nicht als ausschließlicher Partner der USA zu sehen. Der wichtigste Handelspartner ist China, die USA wiederum sind nicht nur beliebt im südostasiatischen Inselstaat. »Es ist bekannt, dass die Philippinen von der Partnerschaft der USA kaum ökonomisch profitieren«, sagt Clarita Carlos, Politikprofessorin an der University of the Philippines in Manila und einst Regierungsberaterin. »Aber China zeigt sich streitlustig«, fügt sie hinzu. So sei in Manila ein Balanceakt nötig. Präsident Marcos Junior versuche dies, so Carlos. »Er ist weder pro USA noch pro China.« US-Außenminister Antony Blinken erklärte zuletzt, man stehe an der Seite Manilas, wenn China deren Rechte verletze. Im Ernstfall fiele es den Philippinen wohl schwer, Hilfe abzulehnen.
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