- Wirtschaft und Umwelt
- Anti-Klimaschutz-Populismus
Desinformation zum Klimawandel: Zerrbild »Öko-Diktatur«
Die Narrative der Klimakrisen-Leugnungsszene fordern die Umweltpolitik heraus
Wir haben noch Hunderte Jahre Zeit, um von fossilen Brennstoffen loszukommen. Niemand weiß es genau.« Dieses Zitat stammt aus einem viel beachteten Gespräch zwischen dem US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Tesla-Chef Elon Musk. Der Satz, der aus dem Munde Trumps niemanden überraschen dürfte, ist ein Paradebeispiel für Anti-Klimaschutz-Populismus. In dem auf der Social-Media-Plattform X veröffentlichten Gespräch von Milliardär zu Milliardär wurden aber noch weitere faktenfreie Behauptungen in die Öffentlichkeit geprustet.
An kaum einem anderen Thema entlädt sich die gesellschaftliche Polarisierung derart heftig wie an der Klimakrise – auch hierzulande. Mit welchen Narrativen gearbeitet wird und inwiefern die deutsche Umweltpolitik gefährdet ist, mit diesen Fragen setzt sich eine jüngst erschienene Publikation des Umweltbundesamtes (UBA) über »umweltbezogenen Populismus« auseinander. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung wird hier »die Geschichte des von der Elite betrogenen Volkes« erzählt. Ob bei den Querdenker*innen, den Klimawandelleugner*innen, bei der AfD oder Trump – dem unscharf verwendeten Volksbegriff stehen stets korrupte Eliten gegenüber. Obgleich es natürlich wirtschaftlich und politisch mächtige Gruppen gibt, die durch Einflussnahme verschiedener Art ihre Interessen durchzusetzen versuchen, liegen der populistischen Anti-Establishment-Logik weder eine Systemanalyse noch nachgewiesene Machtverhältnisse zugrunde.
»Die Klimakrise ist inszeniert«: Hier werden entweder die Krise an sich, der menschliche Einfluss auf diese oder die negativen Folgen geleugnet.
»Umweltpolitik ist per se sozial ungerecht«: Die berechtigte Sorge über eine ungerechte Transformation wird laut UBA-Analyse instrumentalisiert, um die Energiewende als Programm »zulasten von Geringverdiener*innen« in Verruf zu bringen. Dabei gehen die AfD, Trump in den USA oder Marine Le Pen in Frankreich offensiv gegen Umverteilung durch höhere Kapital- oder Vermögenssteuern vor.
»Die Öko-Diktatur droht«: In dieser Erzählung von populistischen wie auch neoliberalen Stimmen wird Klimapolitik als totalitär und als Angriff auf traditionelle Lebensweisen diffamiert.
»Globale Kräfte lenken den Nationalstaat«: Hier sind es die EU, der Weltklimarat IPCC oder die Vereinten Nationen, die den Nationalstaat zum Umweltschutz zwingen wollen. Ein Narrativ, das besonders häufig mit Verschwörungserzählungen wie Q‑Anon oder »Great Reset« verknüpft ist.
»Klimapolitik zerstört Heimat und Natur«: Natürlich stellt die Transformation auch eine Gefahr für die Natur dar, was kritisch diskutiert werden muss. Doch auch hier geht es lediglich um pauschale Ablehnung jeglicher Klimapolitik. »Auffällig ist hier ebenfalls die selektive Anwendung der Argumentationslogik«, schreibt das UBA. Während Windräder vermeintlich das Landschaftsbild zerstörten, gelte dieses Argument nicht für den Kohleabbau. dz
Die Eliten, die wahlweise den Klimawandel erfunden haben, selbst das Wetter manipulieren oder Deutschland zerstören wollen, werden in der Wissenschaft, der Klimabewegung oder den Medien verortet, auch bei Parteien bestimmter Richtungen. Erstaunlich selten vermuten die Populist*innen die Eliten in Konzernen – und noch seltener in fossilen oder Automobil-Konzernen. Dieser vereinfachte Anti-Elitismus hat vielfache Überschneidungen mit den populären Verschwörungserzählungen, schreiben die Autor*innen in der UBA-Studie. Grundlegend geht es um den Konflikt zwischen »grünen Eliten« und einem vermeintlich homogenen Volk, zu dessen Stimme sich die populistischen Akteur*innen erklären. Dabei wird die Vielfalt von Weltanschauungen und Lebensstilen delegitimiert, schließlich greift diese das Bild eines einheitlichen Volkswillens an. Durch starken Fokus auf eine völkisch-nationalistische Identität hätten populistische Erzählungen komplexe Überschneidungen mit »Phänomenen wie Rechtsextremismus oder Rassismus«.
Dabei ist diesen Populist*innen in der Regel auch die Widersprüchlichkeit der eigenen Argumentation einerlei. Die AfD kritisiert etwa, dass globale Kräfte Deutschland Klimaschutz vorschreiben würden, um dann wieder zu warnen, dass die Bundesregierung den deutschen Wirtschaftsstandort mit einem klimapolitischen Alleingang zerstöre. Solange die übergeordnete Erzählung von den Eliten und dem gemeinen Volk bedient werde, sei das für die Verbreitung kein Hindernis, heißt es in der Publikation. Das Papier nennt auch einige besonders eifrige Akteur*innen wie die AfD, den pseudowissenschaftlichen Verein »Europäisches Institut für Klima und Energie« (EIKE) sowie Boulevard- und rechte Alternativmedien.
Von CDU bis FDP
Wie stark verwurzelt die Narrative auch in konservativen Parteien und bei klimaschädlichen Konzernen ist, kommt nur am Rande vor. Aber auch der CDU-Energiepolitiker Jens Spahn (CDU) warnte bereits vor einer »Klimadiktatur«, der frühere FDP-Vizefraktionschef Michael Theurer vor einer »Öko-Diktatur«.
EIKE stehen sowohl Politiker*innen der AfD als auch von FDP und Union nahe. Der Verein wiederum unterhält enge Beziehungen zum Heartland Institute. Diese konservative US-Denkfabrik spielt eine zentrale Rolle in der Klimawandelleugnungsszene und wird von diversen Mineralölkonzernen mitfinanziert, darunter Exxon Mobil.
In Großbritannien war eine Verschärfung des Polizeigesetzes, mit der nun härter gegen Klimaproteste vorgegeangen werden kann, wesentlich von dem rechten Thinktank Policy Exchange beeinflusst. Der damalige Premierminister Rishi Sunak bedankte sich bei diesem für die Unterstützung. Policy Exchange gehört ebenso wie Heartland und einige deutschsprachige, unter anderem FDP-nahe Organisationen zum Atlas Network. Dieses wird wiederum von zahlreichen fossilen Energiekonzernen mitfinanziert.
Das Umweltbundesamt betont die Bedeutung von Aufklärung und Klimabildung. Doch das wird nicht ausreichen. Beispielsweise müsste auch mehr Transparenz in den Lobbyismus gebracht werden. Zwar gibt es mittlerweile ein Lobbyregister, das aber laut Kritikern noch einige Lücken hat.
Der rhetorische Alarmismus der Populist*innen spricht laut UBA besonders die Verlustängste von Menschen an, die sich selbst als überdurchschnittlich krisenbetroffen wahrnehmen. Das ständige Versäumnis, Klimamaßnahmen sozialpolitisch zu begleiten – so steigt der CO2-Preis, während das versprochene Klimageld immer noch auf sich warten lässt –, ist Wasser auf die Mühlen der populistischen Erzählungen. Natürlich wäre ein Klimageld nur ein Anfang. Es gäbe aber genügend klimagerechte Instrumente, die sich zudem eines großen Rückhalts in der Bevölkerung erfreuen, wie Umfragen zeigen. Das reicht von einem dicht ausgebauten ÖPNV mit günstigen Tarifen über eine wie auch immer ausgestaltete Reichensteuer bis hin zu Maßnahmen wie Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich.
All das ist möglich und könnte uns vermutlich ein weiteres öffentliches Gespräch zwischen Trump und Musk ersparen. Oder wie es der bekannte Klimaaktivist Bill McKibben nannte: »das dümmste Klimagespräch aller Zeiten«.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.