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1. FC Magdeburg: Erstaunliche Einheitsfront und Blumen des Bösen
BallHaus Ost: Als einziger ostdeutscher Klub trotz der FCM in Liga zwei dem Ansturm des Westens
Im flachen Bördeland, wo sich Biber und Wildschwein gern gute Nacht sagen, bastelt der 1. FC Magdeburg emsig an seinem Fußballmärchen. Trainer Christian Tietz, im Februar 2021 gekommen, lässt die Elbestädter einen offensiven Fußball spielen, der die Herzen der Menschen hüpfen lässt: Blau-weiß gewandet strömen sie in Scharen ins Heinz-Krügel-Stadion und singen 90 Minuten wie ein Mann und eine Frau. Pflichtprogramm! Allein des infernalischen Lärms wegen, sollte jeder Fußballliebende einmal diesen Orkan erleben, auch wenn es sich empfiehlt, aus Gründen der Vorsicht in lokalen Tarnfarben zu erscheinen.
Die Stadion-Bevölkerung ist friedlich, reagiert aber allergisch auf rot-weiße Farbkombinationen, da diese für heißblütige Magdeburgerinnen das Böse illustrieren. Das kommt aus Halle. In Halle werden die Doofen nicht alle, philosophiert man in hiesigen Breiten. Philisterhafte Zungen behaupten, es wäre in Magdeburg an der Elbe genau dasselbe. Ja, der Fußballmensch, immer gern zu Spott bereit, wenn der Nachbar vorwitzig im Vorgarten krakeelt. Weil der FCM in Liga zwei als letzter verbliebener ostdeutscher Klub dem Ansturm des Westens trotzt, Halle hingegen in der Regionalliga alle viere von sich streckt, kann man die Blumen des Bösen an der Elbe getrost im Gewächshaus der Pein lassen.
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Der 1. FC Magdeburg in der 2. Bundesliga, ach ist das schön! In Berlin wenigstens für meine Lebensgefährtin und die Schar ihrer Leidensgenossinnen und -genossen, die seit dem Aufstieg 2021 viel Grund zur Freude haben. Im Magdeburger Tollhausstadion gibt der Block U den Takt vor. Schlau wie die Bördefüchse sind, haben sie aus Gründen der Stimmung die Einheitsfront (Achtung Ironie!) gegründet. Soll heißen: Egal ob Kutte, Ultra oder normaler Schreihals – alle sind beim Anfeuern gleich viel wert. Die Ultras sind ein Teil des Ganzen und müssen sich nicht, beispielsweise in einer engen Südkurve, ihrem persönlichen Hühnerstall, permanent ihrer selbst vergewissern. Davon können sich einige Fanszenen eine Scheibe abschneiden. Nur gemeinsam sind wir stark.
Ein mildschweiniges Pflegeunternehmen ist Hauptsponsor des 1. FC Magdeburg und schenkt dem Trikotbetrachter ein Bild des Friedens in einer Zeit, wo in Dortmund ein Rüstungsunternehmen Sponsor werden darf und der Mensch sich in seiner Boshaftigkeit auf diversen Schauplätzen in Europa, Asien und Afrika in bewährter Kriegermanier verlustiert und massakriert.
Schalke besuchte Magdeburg am vergangenen Sonntag, das Spiel ging 2:2 aus, falls das jemand von euch nicht mitbekommen hat. Der Kick wogte kornfeldesk hin und her, mal führte Gelsenkirchen, dann der FCM, am Ende keiner.
Ein Teil der Schalker Fanszene wurde leider von der Betrachtung des Zweitligaspiels abgehalten. Die Bundespolizei befürchtete eine gewalttätige Auseinandersetzung und ließ rund 400 Gästefans nicht ins Stadion. Sie wurden über Stunden festgehalten und erkennungsdienstlich behandelt. Fanvertreter protestierten und erkannten Sippenhaft gegen friedliebende Fußballanhänger. Die Polizei sah nur Straftäter. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte (begraben).
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