- Wirtschaft und Umwelt
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Früherkennung unnötig aufgebläht
Trotz Nachbesserungen weiter Kritik am Präventionsgesetz
Die Namenswahl fiel diesmal eindeutig und knapp aus: Gesundes-Herz-Gesetz heißt eine neue Regelung, die vom Bundeskabinett am Mittwoch auf den Weg gebracht wurde. Ebenfalls allgemein akzeptiert ist das Ziel eines solchen Vorhabens: Wenn in Deutschland Herz-Kreislauf-Erkrankungen seit Jahren an der Spitze der Todesursachen stehen, ist es Zeit, einmal etwas Grundlegendes dafür zu unternehmen, dass weniger Menschen erkranken.
Schon der Referentenentwurf aus dem Gesundheitsministerium hatte sowohl bei Ärzten als auch bei Krankenkassen massive Kritik ausgelöst. Trotz einiger Nachbesserungen hält sich die Zustimmung in Grenzen. Insbesondere etliche Kassenverbände sehen die Gefahr, dass hier die Kosten wachsen, ein Nutzen aber kaum absehbar ist. So bleibt es bei dem von Anfang an vorgesehenen flächendeckenden Screening von Heranwachsenden zur Früherkennung von Fettstoffwechselstörungen. Allein dafür ist der Aufwand hoch.
Hinzu kommt eine Ausweitung des Zugangs zu Disease-Managament-Programmen (DMP). Diese existieren für verschiedene chronische Erkrankungen und sollen die Versorgung verbessern. Das Gesetz will sie auch für bestimmte Risikogruppen öffnen, etwa für Menschen mit Prä-Diabetes. Auch hier könnten die Kosten, die von den gesetzlichen Kassen zu decken wären, erheblich ansteigen: 34 Millionen zusätzliche Teilnehmer wären möglich, bei den Hausärzten liefe das auf 32 zusätzliche Arbeitstage pro Jahr hinaus. Vor Mehrkosten »in beitragsrelevanter Höhe« für die gesetzlichen Krankenkassen warnt Carola Reimann, AOK-Vorstandsvorsitzende, und nennt 3,8 Milliarden Euro pro Jahr. Sie kritisiert, dass im Gesetz genannte Einsparpotenziale unseriös seien, weil Belege für die Wirksamkeit der Maßnahmen fehlten.
Außerdem sollen Ärzte in Zukunft mit den Chronikerprogrammen Qualitätsziele erfüllen und dann höher vergütet werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) für das Gesundheitswesen, wichtigstes Organ der Selbstverwaltung, hält das für schwierig, weil hier vieles vom Mitwirken der Patienten abhängt. Immerhin wurde dem G-BA im Rahmen des Gesetzes überhaupt wieder Verantwortung zugeschrieben. So soll er Vorgaben für ein altersgestaffeltes zusätzliche Screening festlegen. Und eben die Verordnungsfähigkeit sogenannter Statinen gesetzlich neu regeln – sprich ausweiten. Die Medikamente sollen Blutfettwerte verbessern. Die Kommunikation zum Gesetzentwurf weckt den Eindruck, als würden die Lipidsenker zwei Millionen Patienten ohne Grund vorenthalten. Dass Ärzte sehr wohl bereits individuell abwägen, für welche Menschen diese Medikamente überhaupt zu empfehlen sind, geht dabei unter. Was ebenfalls zu anhaltender Kritik am Gesetzentwurf beitragen dürfte.
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