Kriminelle Kumpanei

Elf Wohnungen von Mitarbeitenden der Polizei wurden durchsucht. Sie stehen im Verdacht, einen Kollegen geschützt zu haben

Ein Polizist auf dem Bahnsteig am S-Bahnhof Charlottenburg.
Ein Polizist auf dem Bahnsteig am S-Bahnhof Charlottenburg.

Die Polizei, deine Freundin und Helferin – einige Beamt*innen scheinen diese Aufgabe allerdings etwas zu wörtlich zu nehmen. So ließ die Staatsanwaltschaft Berlin am Mittwochmorgen elf Wohnungen von Polizist*innen durchsuchen, weil sie im Verdacht stehen, einen Kollegen bei einem Diebstahl geschützt zu haben. Streng genommen halfen sie ihm nicht dabei, doch entgegen ihrer bekannten Verpflichtung sollen sie es unterlassen haben, Anzeige bei ihren Dienstvorgesetzten zu erstatten.

Bereits am 5. oder 6. Dezember 2021 soll ein Polizeibeamter auf der Dienststelle in Kreuzberg aus dem Dienstschrank seines Kollegen dort eingeschlossene Goldmünzen im Wert von mindestens 600 Euro gestohlen haben. Wegen fehlender Aufbruchspuren ging der damalige Dienststellenleiter davon aus, dass es sich um einen Diebstahl handeln müsse, der von einer*m in diesem Bereich eingesetzten Polizist*in begangen wurde. Vier Frauen und acht Männer, inklusive des Dienststellenleiters, sollen dabei einen Kollegen im Verdacht gehabt haben. Und doch hätten sie versucht, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn zu vermeiden. Der besagte Kollege soll laut Polizei intern wegen seiner Spielsucht bekannt sein.

Nun lautet der Vorwurf Strafvereitelung im Amt. Bei der Durchsuchung beschlagnahmte die Kriminalpolizei die Mobiltelefone der beschuldigten Kolleg*innen. Damit sollen Chatverläufe und weitere Daten ausgewertet werden.

Dass Polizist*innen ihre Kolleg*innen decken, ist nicht außergewöhnlich. Immer wieder kommen Vorfälle von Beamt*innen ans Licht, die zur Straftat ihrer Kamerad*innen schweigen oder vor Gericht Falschaussagen treffen. So beispielsweise bei einem Fall 2020 in Brandenburg, bei dem ein Pressefotograf von einem Beamten gewaltsam zu Boden gedrückt und gewürgt wurde, während mindestens drei weitere Kolleg*innen dabei zuschauten, ohne einzugreifen. Die vor Gericht erschienenen Polizist*innen revidierten ihre Falschaussagen – dass der Fotograf von selbst gestürzt sei – erst, nachdem dieser ein Videomaterial als Beweis vorgelegt hatte.

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Auch der Diebstahl vom Dezember 2021 war lediglich bekannt geworden, nachdem ein Chatverlauf des mutmaßlichen Diebes und des Opfers ausgewertet worden waren. So sollen beide gemeinsam im August 2023 nach ihrem Dienst unter Verwendung eines zivilen Dienstwagens sowie Vortäuschung einer angeblichen Personenkontrolle einen 62-jährigen Autofahrer beraubt haben. Aus dessen Wagen entnahmen die beiden Polizist*innen mehr als 57 000 Euro Bargeld sowie zwei Mobiltelefone. Woher die beiden wussten, dass sich so viel Bargeld im Auto befand, ist noch unklar.

Der Fall flog auf, da sich der Autofahrer bei der Polizei meldete. Daraufhin kam es zur Auswertung älterer Chatverläufe, in denen offenbar auch vom Diebstahl der Goldmünzen im Jahr 2021 die Rede war. Dabei stellte sich auch heraus, dass offenbar weitere Kolleg*innen einen Verdacht unausgesprochen ließen. DNA-Gutachten erhärteten den Tatverdacht gegen den festgenommenen Beschuldigten, der auch hoch verschuldet sein soll. Gegen ihn wurde bereits am 3. September 2023 ein Dienstverbot ausgesprochen.

Auf nd-Anfrage zur Häufigkeit solcher Vertuschungen unter Kolleg*innen bat die Pressestelle der Polizei Berlin, sich ausschließlich an die Staatsanwaltschaft zu wenden.

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