Die Kraft des Vulva-Emojis

Triebgesteuert und frei zugleich: Die Comicheldin Fungirl

Schon bald auf vielen T-Shirts? Comicheldin Fungirl
Schon bald auf vielen T-Shirts? Comicheldin Fungirl

Elizabeth Pichs Fungirl ist ein Comic-Charakter, der berühmt werden könnte: Unkontrolliert und selbstbestimmt rasselt sie von einer peinlichen bis katastrophischen Situation in die nächste. Dabei ist sie ebenso vulgär wie freundlich, denn sie meint es nur gut. Das unterscheidet sie von André Franquins Büroboten Gaston, mit dem sie oft verglichen wird, der faul ist, egoistisch und weltabgewandt in dem Chaos, das er regelmäßig anrichtet. Diese schlaksige junge Frau hingegen ist den Menschen zugewandt und möchte kommunizieren. Auch wenn sie am liebsten »ihre Tage zu Hause damit verbringt, zu masturbieren, Take-away-Pizza zu essen und alte Sitcoms zu schauen«, wie sie vom Schweizer Verlag Edition Moderne vorgestellt wird. »Triebgesteuert ist das perfekte Wort, sie zu beschreiben«, sagt die Deutsch-Amerikanerin Elizabeth Pich aus Saarbrücken.

Zuerst erschienen die Episoden von »Fungirl« auf Englisch, erst im Frühjahr als Sammelband auf Deutsch, der nun die zweite Auflage erlebt. Pich war sich lange unsicher, wie ihre Heldin in deutscher Übersetzung wirkt. Dank der Arbeit von Christoph Schuler sehr gut, kann man sagen. Für Deutschlandfunk Kultur ist das auch ein Zeichen, dass »sich die Comicwelt in Deutschland weiterentwickelt«. Denn noch immer gelten viele deutsche Comics ebenso wie viele deutsche Romane als ernst und getragen, als tendenziell witz- und lustfeindlich. Oft wurde hierzulande das Brutale im US-Cartoon, von »Tom und Jerry« über Robert Crumb bis »South Park«, als etwas zu herb empfunden, wie auch die krassen britischen Pointen über den Tod und die französische Drastik von Jean-Marc Reiser bis »Charlie Hebdo«. »Fungirl« geht in diese Richtung, ist aber sublimer: Minimalistisch grob gezeichnete Figuren ohne Nase und Mund (aber durchaus mit Bärten) erleben krasse Dinge in lieblich-konventionell kolorierter Umgebung.

Vor allem ist Fungirl nicht machistisch, sondern feministisch konnotiert, nicht gerade woke, aber sehr anspruchsvoll auftretend, ob nun in der Bar, in der Kirche, im Supermarkt oder im Krankenhaus. Das führt lustigerweise regelmäßig zu Konflikten mit ihrem fast schon überreflektiert wirkenden, sehr höflichen männlichen Mitbewohner, einem Kindergärtner, und dessen Freundin, einer Krankenschwester, die gerne Ärztin werden würde, die früher auch schon einmal mit Fungirl zusammen war, was den Kindergärtner an seinen sexuellen Fähigkeiten zweifeln lässt. Und dann jobbt sie auch noch bei einem Bestatter, den sie regelmäßig schockiert – Achtung, dieser Comic enthält Scherze mit Leichen!

Fungirl kämpft mit Bechern voller Menstruationsblut gegen bedrohlich blöde Burschenschaftler und steigt spontan in der Bar auf den Tresen, um zu verkünden, wer sie am besten geleckt hat, Männer wie Frauen. Siegerin ist »die mysteriöse Bibliothekarin« mit dicken Brillengläsern – »in ihrer Freizeit schreibt sie gerne Bücher im Stil von Charles Dickens«, weshalb Fungirl sie fragt: »Und gehen wir zu dir? Ich habe große Erwartungen.« Sie selbst geht in einer langen traumartigen Sequenz durch die Wüste und die Berge, um das »Ministerium für Emojis« aufzusuchen, damit sie einen »Vulva-Emoji« anmelden kann. Als sie es geschafft hat, bringt dieses Emoji die Erde zum Beben.

Fungirl ist also keineswegs eine »Versagerin ohne Ehrgeiz und Ziel«, was ihr eine Berufsberaterin mitgeteilt hat, sondern eine beeindruckende Persönlichkeit, die sich vielleicht schon bald auf vielen T-Shirts findet.

Elizabeth Pich: Fungirl. A. d. Amerik. v. Christoph Schuler. Edition Moderne, 256 S., br., 26 €.

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