Flüchtlingsabwehr: Leises Grummeln bei den Grünen

»Migrationstreffen«: Partei hat Probleme mit Grenzkontrollen, unterstützt aber mehr Abschiebungen und Zurückweisungen. Union bricht Gespräche ab

Der Parlamentsgeschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Thorsten Frei (r.), und andere Unionspolitiker, erklärten die Verhandlungen mit der Bundesregierung über die »Eindämmung irregulärer Migration« für gescheitert.
Der Parlamentsgeschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Thorsten Frei (r.), und andere Unionspolitiker, erklärten die Verhandlungen mit der Bundesregierung über die »Eindämmung irregulärer Migration« für gescheitert.

Lange hatten die Spitzen von CDU und CSU offen gelassen, ob sie zum zweiten Treffen zum Zwecke der einer »besseren Steuerung und Kontrolle der Migration« am Dienstag erscheinen würden. Sie taten es dann doch – und wurden von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit weitreichenden Vorschlägen empfangen, mit denen die Einreise von noch mehr Menschen verhindert werden soll.

Dennoch verließen die Teilnehmenden der Union im Bundestag die Gespräche am Dienstagnachmittag und erklärten, die Zusammenkunft habe keine Einigung gebracht. Weitere Zusammenkünfte dieser Art werde es nicht geben. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, kritisierte, die von Faeser vorgelegten Pläne zielten nicht auf zusätzliche Zurückweisungen, wie von der Union gefordert, sondern auf beschleunigte Verfahren im Land. Sie würden damit den Herausforderungen nicht gerecht. Die Union werde aber »alles unterstützen, was unserem Land hilft«.

Die Vorschläge der Innenministerin waren gleichwohl sehr weitreichend. Demnach soll die Bundespolizei künftig, wenn eine bei unerlaubter Einreise aufgegriffene Person um Asyl bittet, gleich prüfen, ob ein anderer EU-Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dabei solle ein Rückgriff auf die Identifizierungsdatenbank Eurodac helfen.

Weiter soll die Bundespolizei feststellen, ob es freie Haftplätze gibt und gegebenenfalls beim zuständigen Gericht Haft beantragen, damit die Menschen nicht untertauchen können. Man will auf »schnelles Handeln der Justiz der Länder« dringen. Diese müssten unter anderem ausreichend Haftplätze in Grenznähe bereitstellen. Derzeit gibt es in Deutschland 800 Abschiebehaftplätze, nach Ansicht von Faeser sind das zu wenig. Gibt es keine Zelle, soll eine »feste Zuweisung und Wohnsitzauflage« erfolgen. Über eventuelle Klagen der Betroffenen gegen ihre Überstellung in andere Staaten sollen die Verwaltungsgerichte »zügig« entscheiden.

Laut Bundesregierung setzt Deutschland »weiter auf ein enges kooperatives Zusammenwirken mit den Nachbarstaaten etwa durch gemeinsame Streifen und gemeinsame Polizeizentren an den Grenzen«. Ein unmittelbares Zurückweisen an den Grenzen über die heutige Praxis hinaus würde diese Zusammenarbeit massiv gefährden.

Thorsten Frei hatte schon vor dem Treffen moniert, dass es Äußerungen aus der Koalition gebe, die Zweifel daran aufkommen ließen, dass sich SPD, FDP und Grüne beim Thema einig seien.

Tatsächlich trugen Vertreter der Grünen im Bundestag erhebliche Bedenken gegen mehr Zurückweisungen vor. Zugleich hieß es vor dem Treffen am Dienstag aus Grünen-Regierungskreisen, man wolle eine »bessere Kontrolle und Steuerung« der Migration. Dafür brauche es praxistaugliche Maßnahmen. Nach der Prüfung durch das Bundesinnenministerium sei klar, dass die Vorschläge von Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) für umfassende Zurückweisungen an den deutschen Landgrenzen »europarechtskonform eindeutig nicht machbar sind«.

Sinnvoll finden auch Grünen-Regierungsmitglieder schnellere Abschiebungen. Außerdem schlagen sie vor, die als Teil der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems der EU vorgesehene Registrierung inklusive der Grenzverfahren an der EU-Außengrenze in Deutschland an den Flughäfen vorzuziehen.

»Wenn Grenzkontrollen helfen, die Sicherheit zu erhöhen, sollten sie durchgeführt werden«, hieß es aus Grünen-Regierungskreisen weiter. Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge, mahnte derweil: »Bundesweite Grenzkontrollen bedeuten Lkw-Schlangen, Lieferkettenprobleme und höhere Preise.« Sie wirkten ähnlich negativ wie Zollerhöhungen. Das schade dem »Wirtschaftsstandort Deutschland, unseren Unternehmen und dem freien Handel«. 
Mit Agenturen

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.