Overtravelled in O.

Wann reicht es mit den Reichen?

  • Thomas Schaefer
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn das Zwischenahner Meer zu klein geworden ist.
Wenn das Zwischenahner Meer zu klein geworden ist.

Samstagmittag, Wochenmarkt in O. in O.; die Ferien sind schon ein Weilchen vorbei, aber noch sind sich nicht alle Heimgekehrten über den Weg gelaufen, zum Beispiel diese hier: A. hat soeben beim Wurststand, wo man hingeht, ein paar Sachen eingekauft, zwei Scheiben Serranoschinken, ein Stück mariniertes Lammfilet und so weiter. Ihr Söhnchen hat die obligatorische Treckerwurst in Empfang genommen, eine Weile angeglotzt, sie dann mit seinen Fingerchen zerpflückt und schließlich die Wurstfragmente in den Kindermund gestopft, als plötzlich …

B.: Nein wie schön! Seid ihr auch wieder im Land! Seit wann denn?

A.: Seit Samstag, bevor die Schule angefangen hat. Eigentlich wollten wir ja schon am Freitag wieder da sein, aber ich war so fertig, weil nach den sechs Wochen der Alltag wieder losging, und da hatte Peter dann eine so niedliche Idee …

B.: Ach ja? Was denn für eine?

A.: Also, Peter hat mitgekriegt, dass es mir echt mies ging, und dann haben wir …

B.: Na los, was denn?

A.: Da hat er mir ganz spontan eine neue Segelyacht gekauft!

B.: Nein! Wirklich?

A.: Ja, stell dir vor. Und sie ist noch größer als unsere alte!

B.: Wirklich! Wie süß!

A.: Und der Clou kommt ja noch …

B.: Mein Gott, nun spann mich doch nicht dauernd so auf die Folter …

A.: Sie ist dasselbe Baujahr wie ich. Ist das nicht romantisch?

B.:    Aber total. Dein Peter … Was hast du nur für ein Glück. Woran der alles denkt. Und liegt sie wieder auf dem Zwischenahner Meer?

A.: Ach nein, das ist uns inzwischen etwas zu klein. Sie liegt auf der Ostsee, Schleimündung.

B.: Wirklich! Wie toll ist das denn! Und da fahrt ihr heute hin?

A.: Hatten wir vor, aber weißt du, nach den sechs Wochen Reisen sind wir echt ein bisschen overtravelled. Wir machen heute einfach mal Oldenburg.

B.: Du Arme. Aber ich kann das so gut verstehen. Wir waren ja …

Und so geht es weiter, und so geht es fort, so reden sie: am italienischen Kaffeestand, wo man hingeht, um bei Latte und Ciabatta ein kleines Marktpäuschen einzulegen, und am Fischstand, wo man hingeht, und am Olivenstand, wo man auch hingeht, wo aber gerade ein Tumult aufgekommen ist, ausgelöst wodurch auch immer. Die Marktfrau schimpft herum, dass sie seit fünf Uhr auf den Beinen sei und noch keine Pause gehabt hätte, und dass es ihr jetzt aber endgültig reiche mit diesen Leuten. Und es reicht ja auch wirklich. Und wenn ihr jetzt glaubt, das alles sei nur ausgedacht, aus einer Laune heraus oder weil gerade nichts anderes anlag – wenn ihr euch da mal nicht täuscht.   

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