- Politik
- BMBF-Förderaffäre
Stark-Watzinger: Mit dem Rücken an die Wand gepresst
Nach neuem Leak zur BMBF-Förderaffäre erhöht sich der Druck auf die Bildungsministerin
Ein Leak interner Wire-Chats wirft neue Fragen im Förderskandal um die Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger auf – Fragen, die das Ministerium (BMBF) unbeantwortet lässt. Damit erhöht sich der Druck auf die FDP-Politikerin erneut.
Noch einmal der Hintergrund: Nachdem im Mai an der Freien Universität Berlin ein propalästinensisches Protestcamp gewaltsam von der Polizei geräumt worden war, sprachen sich Hunderte Lehrende in einem offenen Brief gegen den Polizeieinsatz aus. Wie »Panorama« im Juni enthüllte, wurde daraufhin im Ministerium überprüft, ob es möglich wäre, Unterzeichnern die Fördergelder zu streichen – ein Auftrag, der die Wissenschaftsfreiheit verletzt.
Stark-Watzinger will von dem Vorgang in ihrem Ministerium nichts gewusst haben und behauptet, sie habe von dem Prüfautrag erst im Zuge der »Panorama«-Recherche erfahren. Die Staatssekretärin Sabine Döring wurde für die Prüfung verantwortlich gemacht und in den frühzeitigen Ruhestand versetzt.
Aus Sicht von Beobachtern deutet vieles darauf hin, dass die Erzählung der Ministerin nicht stimmt. Konkrete Belege, dass Stark-Watzinger schon vorher von dem Prüfauftrag gewusst hat, gibt es bislang noch nicht. Das könnte auch daran liegen, dass das BMBF verweigert, die Wire-Kommunikation der Leitungsebene zu veröffentlichen, obwohl es durch das Informationsfreiheitsgesetz dazu verpflichtet ist, jegliche dienstliche Kommunikation freizugeben. Das BMBF argumentiert, es handele sich um private Kommunikation.
Geleakte Chats, die das ARD-Hauptstadtstudio am Samstag in Teilen veröffentlichte, belegen aber, dass sich die BMBF-Leitungsebene per Wire auch dienstlich zu dem offenen Brief austauschte und auch Stark-Watzinger aktiv beteiligt war.
In den Chats schreibt etwa der Kommunikationsleiter des BMBF über Lehrende, es gehe »denen nicht um ›Wissenschaftsfreiheit‹, sondern um eine politisch bis radikale Haltung, die wir bekämpfen«. Seine Empfehlung sei, eher »offensiv« vorzugehen. »Es gibt eine Fehlstellung, die sollte adressiert werden.« Zuvor hatte Stark-Watzinger dazu geschrieben: »Man kann nicht erwarten, dass man alles sagen kann und dann keinen Gegenwind ertragen.« Auch Döring meldete sich im Chat: »Meine Vermutung ist, dass mit Blick auf Wissenschaftsfreiheit rechtlich eine Lücke besteht. Ich gehe dem mal nach.«
Am 13. Mai sprach Stark-Watzinger den offenen Brief erneut an. Es gebe Sätze, die ihr zu weit gingen. Staatssekretär Jens Brandenburg fragte, ob er die Fraktion darauf ansetzen solle, dagegenzuhalten. Die Ministerin antwortete auf den Vorschlag: »Ja, fände ich gut.«
Wie kann also das BMBF weiter an der Behauptung festhalten, es handele sich bei den Chats um privaten Austausch? Warum hat die Ministerin nach Andeutungen zu rechtlichen Prüfung von »Lücken in der Wissenschaftsfreiheit« nicht interveniert? Eine wirkliche Antwort auf die bohrenden Fragen der Journalisten in der Bundespressekonferenz am Montag konnte die BMBF-Sprecherin nicht liefern. Stattdessen wiederholte sie mehrfach die bekannte Erzählung des Ministeriums: Der Chat sei privat, Ministeriumsmitarbeitende müssten auch die Möglichkeit haben, sich privat auszutauschen.
Die Plattform Frag den Staat hatte die Wire-Kommunikation im Rahmen einer IFG-Anfrage angefordert. Das BMBF lehnte den Antrag mit der Begründung mit der Begründung ab, »die erbetenen Nachrichten des Messengerdienstes ‘Wire' stellen keine amtlichen Informationen i.S.d. § 2 Nr. 1 IFG dar«. Frag Den Staat konnte allerdings per gerichtlichem Eilantrag bewirken, dass besagte Wire-Chats nicht gelöscht werden dürfen.
Auch Sabine Döring hatte gegen das Ministerium geklagt. Das BMBF hatte ihr verweigert sich öffentlich zu dem Fall zu äußern. Als Beamtin, auch im einstweiligen Ruhestand, ist die Staatssekretärin a.D. zwar zur Verschwiegenheit verpflichtet. Stark-Watzinger hätte diese Verschwiegenheitspflicht aber aufheben können. Das zuständige Verwaltungsgericht Minden hat Dörings Antrag abgewiesen, also muss sie weiter schweigen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.