- Politik
- Ausschusvorsitze im Bundestag
Mein rechter, rechter Platz bleibt frei
AfD scheitert mit Klage für Ausschussvorsitze vor dem Bundesverfassungsgericht
Stephan Brandner sitzt seit 2017 für die AfD im Bundestag. Vom 31. Januar 2018 bis zum 19. November 2019 war er Vorsitzender des Rechtsausschusses des Parlaments. Dann wurde er abgewählt. Ein bislang einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik. Brandner ist ein AfD-Politiker wie aus dem Bilderbuch. Bei Auftritten attackiert er verbal regelmäßig alles, was nicht ins Weltbild der extrem rechten Partei passt. Migrant*innen, queere Menschen und Umweltaktivist*innen werden immer wieder Ziel von Brandners Pöbeleien.
Soweit wäre das alles nichts besonderes, wenn Brandner nicht Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestags gewesen wäre. Eine Aufgabe, bei der Politiker*innen ein Gremium organisieren und überparteilich repräsentieren sollen. Der AfD-Mann kam diesen Aufgaben nur schlecht nach. Sein Interesse an Rechtspolitik sei gering gewesen, urteilt der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner bei der mündlichen Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht im Frühjahr. Brandners Erfüllung repräsentativer Aufgaben, auch nicht besser. Im Oktober 2019 fordern der Deutsche Anwaltverein (DAV) und der Deutsche Juristinnenbund (djb) den Rücktritt von Brandner. Er hatte beim Neujahrsempfang des DAV für einen Skandal gesorgt. Und nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle hatte Brandner auf Twitter von Politiker*innen gesprochen, die vor der Synagoge »lungern«. Über den jüdischen Publizisten Michel Friedman hatte er gespottet, dass jede Minute, die er im Fernsehen sei, der AfD neue Anhänger*innen bringe.
»Die Durchführung von Wahlen der Ausschussvorsitze bewegt sich im Rahmen der dem Bundestag zustehenden Geschäftsordnungsautonomie.«
Bundesverfassungsgericht
Dem Rechtsausschuss des Bundestags reichten die Pöbeleien. Er wählte Brandner ab. Das hatte es zuvor noch nicht gegeben. Brauch ist es im Bundestag, dass die Ausschussvorsitze proportional zum Wahlanteil verteilt werden. Die jeweiligen Vorsitzenden werden durch Zustimmung der Ausschussmitglieder bestätigt. In der aktuellen Wahlperiode ist die AfD mit Vorschlägen für den Vorsitz in mehreren Ausschüssen gescheitert. Sie werden jetzt von den Stellvertreter*innen aus anderen Parteien geführt. Der Vorsitz bleibt unbesetzt.
Die AfD hatte vor dem Bundesverfassungsgericht sowohl gegen die Abwahl Brandners als auch gegen die Nicht-Wahl ihrer Kandidaten für Ausschussvorsitze geklagt. Sie sieht ihre im Grundgesetz festgeschriebenen Oppositionsrechte missachtet. Doch die Partei ist auf ganzer Linie gescheitert. Karlsruhe lehnte die Klagen als unbegründet ab.
Die Richter*innen erklärten, dass es richtig sei, dass Ausschüsse ein »Spiegelbild« der Parlamentszusammensetzung sein sollen. Die Funktionen in den Ausschüssen müssten dies aber nicht. »Die Durchführung von Wahlen zur Bestimmung der Ausschussvorsitze und die Abwahl vom Vorsitz des Rechtsausschusses bewegen sich jedoch im Rahmen der dem Bundestag zustehenden Geschäftsordnungsautonomie«, heißt es in der Mitteilung des Bundesverfassungsgerichts zu der Entscheidung.
Die Interpretation von zwei unterschiedlichen Paragrafen eben jener Geschäftsordnug war es, die im Vorfeld dafür sorgte, dass die Entscheidung mit Spannung erwartet wurde. In Paragraf 12 der Geschäftsordnung heißt es, »die Regelung des Vorsitzes in den Ausschüssen sei im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen vorzunehmen«, in Paragraf 58 hingegen: »Die Ausschüsse bestimmen ihre Vorsitzenden und deren Stellvertreter nach den Vereinbarungen im Ältestenrat.« Die Auslegung nach Paragraf 58 gibt den Mitgliedern der Ausschüsse die Möglichkeit, ihren Vorsitz selbst zu bestimmen. Dieser Argumentation folgte das Gericht. Das Einzige, worüber es bei den Anträgen der AfD zu entscheiden habe, sei das Willkürverbot gewesen. Willkür konnte das Gericht aber nicht feststellen. Die AfD sei in allen Ausschüssen vertreten und könne dort mitarbeiten.
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