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Bundespolizei für Internetüberprüfung von Schengen-Reisenden

Wer mit Visum in die EU einreisen will, soll »repressive Kontrollansätze« hinnehmen

Für die Prüfung von Visa-Anträgen fordert die deutsche Bundespolizei eine »intensive Nutzung« von offenen Online-Quellen, einschließlich sozialer Medien.
Für die Prüfung von Visa-Anträgen fordert die deutsche Bundespolizei eine »intensive Nutzung« von offenen Online-Quellen, einschließlich sozialer Medien.

Vor einer Woche hat der Bundestag das von der Ampel-Koalition hastig gezimmerte »Sicherheitspaket« erstmals beraten. Es enthält einen Gesetzesvorschlag, wonach Behörden für die Bearbeitung von Asylanträgen Gesichtserkennung nutzen und mit dieser Technologie das Internet durchsuchen dürfen. Die Pläne stehen nicht isoliert: Auch für die Prüfung von Visa-Anträgen fordert die deutsche Bundespolizei eine »intensive Nutzung« von offenen Online-Quellen, einschließlich sozialer Medien. So steht es in einem Dokument, das die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch mit einer Einordnung der Journalistin Kelly Bescherer am Donnerstag online gestellt hat.

Mit der Maßnahme soll der Visa-Betrug verhindert und dahinterstehende kriminelle Netzwerke aufgedeckt werden. In einigen Fällen seien darin auch Mitarbeiter*innen von Visa-Büros involviert, heißt es in dem Dokument. Um die 30 000 Menschen reisten jedes Jahr mit gefälschten Visa in die Europäische Union ein, meist handele es sich dabei um Staatsangehörige aus dem Iran, der Türkei und Syrien.

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Das »Handbuch Visa-Betrug: Präventive Maßnahmen und repressive Kontrollansätze« hat die Bundespolizei im vergangenen Dezember erstellt. Es richtet sich an europäische Strafverfolgungsbehörden, Grenz- und Asylbehörden sowie Visa-Stellen von diplomatischen Missionen im Ausland. Der damalige spanische Ratsvorsitz hat das Handbuch deshalb an alle EU-Staaten verteilt. Es war zunächst als Verschlusssache eingestuft, nach einer Anfrage von Statewatch wurde es jedoch freigegeben.

Der Vorschlag betrifft Staatsangehörige aus mehr als 100 Ländern, die für eine Einreise in den Schengen-Raum für bis zu drei Monate ein Visum beantragen müssen. Die Bearbeitung ihrer Anträge erfolgt häufig nach subjektiven Kriterien, einschließlich der Glaubwürdigkeit der angegebenen Reisegründe und der Wahrscheinlichkeit, dass sie den Schengen-Raum nach Ablauf des Visums wieder verlassen. Diese Bewertung will die Bundespolizei mit der Analyse von Accounts in sozialen Medien erweitern.

Wertvolle Informationen aus dem Internet seien etwa die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen oder die zuletzt besuchten Orte, heißt es in dem Handbuch. Auch berufliche Profile in sozialen Medien könnten Rückschlüsse auf den tatsächlichen Beruf und somit das Einkommen der Antragsteller erlauben. Sämtliche Informationen seien von Vorteil, wenn die Betroffenen in einem deutschen Konsulat vorsprechen müssen. Interviewer könnten dann gezieltere Fragen stellen.

Schließlich sollen Statistiken zu mutmaßlich gefälschten Visa für die Bearbeitung von zukünftigen Anträgen genutzt werden. So könnte etwa die europäische Grenzagentur Frontex aus Daten wie Geschlecht, Alter, Herkunft und Reiseroute der Antragsteller ein »Risikoprofil« für die betreffenden Länder erstellen. So macht es derzeit bereits die Bundespolizei.

Die Nutzung von Open Source Intelligence (OSINT) zur Informationsgewinnung, insbesondere im Internet, ist nicht neu, für deutsche Polizei- oder Migrationsbehörden aber nur begrenzt erlaubt. Für die Beobachtung vor allem in sozialen Netzwerken hat sich der Begriff »SOCMINT« (Social Media Intelligence) etabliert. Zu ihrer Auswertung gibt es jedoch Bedenken: Ein Bericht eines UN-Sonderberichterstatters zum Thema Terrorismus und Menschenrechte betont, dass auch öffentlich zugängliche Informationen in die Privatsphäre fallen könnten.

Während in Europa noch darüber debattiert wird, sind Visa-Antragsteller in den USA bereits verpflichtet, ihre Social-Media-Informationen anzugeben. Für das elektronische US-Einreisegenehmigungssystem ESTA, das für Reisende mit Kurzzeitvisa eingerichtet wurde, ist dies noch optional. Die Nichtangabe kann jedoch zur Ablehnung eines Antrags führen.

Sowohl Frontex als auch die Europäische Asylagentur hatten vor einigen Jahren selbst eine Beobachtung sozialer Medien begonnen, um neue Migrationsrouten ausfindig zu machen und vermeintliche Schleuser zu identifizieren. Der Europäische Datenschutzbeauftragte hat diese Praxis aber mangels einer entsprechenden Erlaubnis zur Verarbeitung persönlicher Daten gestoppt.

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