Kürzungen: Batterieforschung ohne Saft

Die deutsche Bundesregierung will die Forschungsförderung für Energiespeicher drastisch kürzen

  • Manfred Ronzheimer
  • Lesedauer: 7 Min.
Blick in den Trockenraum des Batterieforschungszentrums Electrochemical Energy Technology MEET an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster
Blick in den Trockenraum des Batterieforschungszentrums Electrochemical Energy Technology MEET an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster

Energiespeicher sind für Energiewende und Elektromobilität von zentraler Bedeutung. Trotzdem sollen in der Forschungspolitik des Bundes die Mittel für die Batterieforschung gekürzt werden. Experten warnen vor den negativen Folgen für die technologische Souveränität Deutschlands.

Eigentlich gehört den Batterien die Energiezukunft. Für eine nachhaltige Energieproduktion und -nutzung werden sie in immer mehr Bereichen benötigt. Sei es für reichweitenstarke Elektrofahrzeuge im Verkehr oder für langlebige Stromspeicher in Haushalten und Industrie. Überdies können sie Leistungsschwankungen bei der Herstellung von »grünem Strom« aus Sonnen- und Windkraft abpuffern. Die Batteriebranche gilt daher als eine Schlüsselindustrie für Deutschland. Die technische Vielfältigkeit hat breite Forschungsanstrengungen zur Voraussetzung. Dazu zählt auch die Grundlagenforschung, wie etwa im Fach Elektrochemie an den Hochschulen.

Bei dieser Bedeutung war es für die Fachwelt überraschend, dass jetzt im Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 ein massiver Einschnitt in der staatlichen Förderung vorgesehen ist. Bislang fließen rund 155 Millionen Euro jährlich an öffentlichen Mitteln in die Batterieforschung an den Universitäten und Instituten. Davon wird ein knappes Drittel aus dem Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert. Weitere Mittel stammen aus dem Klima- und Transformationsfonds, der vom Bundeswirtschaftsministerium verwaltet wird.

Minus von mehr als einem Fünftel

Nun sind für das kommende Jahr im Etatentwurf der Bundesregierung nur noch 118 Millionen Euro für die Batterieforschung vorgesehen – ein Minus von 37 Millionen Euro, mehr als ein Fünftel. Noch schlimmer: Mit dem Geld werden nur noch laufende Projekte bis zu ihrem Ende in 2028 gefördert. Neue Forschungsvorhaben werden nicht mehr finanziert. Ein wissenschaftliches Zukunftsfeld wird mitten in der Energietransformation für beendet erklärt. Die Experten in Forschung und Energiewirtschaft sind schockiert.

»Wir werden in Deutschland nicht mehr international wettbewerbsfähig sein, weil das eine Vollbremsung ist«, urteilt Kai-Christian Möller, der die »Batterie-Allianz« der Fraunhofer-Forschungsinstitute koordiniert. »Die Arbeitsgruppen werden ausbluten«, sieht Möller voraus. »Die laufen mit den Projekten jetzt aus in den nächsten paar Jahren, dann ist das Fass leer und man muss in fünf Jahren wieder von vorn anfangen«, so die deprimierte Erwartung des Batterieforschers. »Die ganze Welt setzt auf Elektromobilität und wir glauben, in einer eigenen Blase zu leben«, kommentiert Martin Winter, seines Zeichens renommierter Batterieforscher und Gründungsdirektor des MEET Batterieforschungszentrums der Universität Münster, »Diese Kürzung ist wirklich eine Maßnahme, um die Batterieforschung in Deutschland zu beenden«, lautet sein Urteil. »Die Beschränkung der Mittel wird dazu führen, dass wir überall in Deutschland Stellen abbauen werden – auch in NRW und auch Münster.«

Konsterniert ist auch die Wirtschaftsseite, die einen Verlust an technologischer Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland heraufziehen sieht. Allen voran die Automobilindustrie, die sich in einer verschärften Umstrukturierung befindet und auf die neue Generation von leistungsstarken Batterien für die Elektromobilität dringend angewiesen ist. Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, wertet den Förderstopp als einen »Widerspruch zwischen den gesetzten Zielen und der tatsächlichen Politik«.

Dabei hatte es sich in den letzten Jahren wieder gut angelassen im Forschungsfeld der Elektrochemie, das nach einem Generationswechsel in den 90er Jahren zeitweilig ausgeblutet war, weil die Hochschulen frei werdende Professuren aus Spargründen nicht wieder besetzten. Als dann die strategische Bedeutung der Batterietechnik wieder ins Bewusstsein der Forschungspolitik gelangte, setzte eine massive Förderung ein. So investierte das BMBF unter anderem in das Ulmer Helmholtz-Institut (HIU) und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff (ZSW), wo eine Pilotanlage für Kathodenmaterial aufgebaut wurde. Neben dem Bund engagieren sich auch die Länder in der Batterieforschung. So ermittelte die »Schwäbische Zeitung«, dass das Wirtschaftsministerium in Baden-Württemberg zwischen 2022 und 2024 zwölf wirtschaftsnahe Forschungsprojekte mit mehr als sieben Millionen Euro gefördert hat.

Studien benennen Förderbedarfe

In welche Richtung die Batterieforschung in Deutschland mit Förderanreizen eigentlich gelenkt werden müsste, zeigen zwei aktuelle Innovationsstudien auf, die in der vergangenen Woche publiziert wurden: die Studie »Transformationspfade« der Unternehmensberatung Boston Consulting im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und die Untersuchung des früheren EZB-Direktors Mario Draghi über die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit für die EU-Kommission.

Durchgängig betont die BDI-Studie, dass in Deutschland Forschung und Innovation für Zukunftstechnologien gestärkt werden sollten. Das nütze auch den heimischen Herstellern, die dadurch »eine bessere Chance zum Aufbau eines neuen Technologievorsprungs« erhielten und die europäische Souveränität stärken würden. Mit dieser Zielsetzung »sollte Deutschland erheblich offensiver den Aufbau einer starken europäischen Batteriewertschöpfungskette (inkl. der Sicherstellung wettbewerbsfähiger Energiepreise), das Recycling von Batterien und Forschung in zentralen Zukunftstechnologien wie Feststoffbatterien, bidirektionalem Laden und autonomem Fahren unterstützen«, heißt es in der Studie »Transformationspfade«.

Vorprodukte im Fokus

Von Bedeutung ist die Rohstoffbasis. Das gelte vor allem für Halbleitermaterialien, die in vielen Branchen zum Einsatz kommen, die zusammen mehr als die Hälfte der deutschen industriellen Bruttowertschöpfung ausmachen. Diese bezieht Deutschland derzeit zu einem Viertel aus Taiwan, das im Mittelpunkt geopolitischer Spannungen steht. »Ähnliches gilt auch für Batterien – zentrale Komponente im zukünftigen Fahrzeugmarkt und damit wichtigstes Vorprodukt in Deutschlands größtem Industriesektor –, die aktuell zu rund 40 % aus China importiert werden müssen«, konstatiert die BDI-Studie. Zudem werde der Markt für Seltene Erden und deren Weiterverarbeitungsprodukte, wie etwa Permanentmagneten für Elektromotoren und Generatoren, weltweit von China dominiert.

Auf diese Situation sollte laut BDI mit einer strategischen Re-Industrialisierung reagiert werden, um die »Resilienz der deutschen Industriewertschöpfung« zu sichern. Die Studie spricht sich für »eine Lokalisierung der kritischsten Vorprodukte wie Halbleiter und Batterien mit eigener Produktionskapazität in Deutschland und Europa« aus. Allein für den Aufbau von Halbleiterfertigungsstätten in Deutschland seien bis 2030 Investitionen in Höhe von mehr als 50 Milliarden Euro geplant. Von dieser Zahl müssen nach der aktuellen Stornierung der Intel-Investition für eine Chipfabrik bei Magdeburg 30 Milliarden Euro abgezogen werden. Hinzu kämen wiederum rund 28 Milliarden Euro für den Aufbau von Produktionskapazitäten für die deutsche Zellfertigung und die Herstellung von Kathodenmaterialien.

Neben den 28 Milliarden Euro, die bis zum Jahr 2030 für den Aufbau von Kapazitäten für die Batteriezellfertigung benötigt werden, »um knapp 100 % der heimischen E-Auto-Produktion mit Batteriezellen zu versorgen, müssten noch weitere neun Milliarden Euro für den Abbau und die Raffinierung kritischer Rohstoffe investiert werden«. Darunter versteht die Studie den Aufbau von Lithium- und Kupferförderung in Deutschland sowie Verarbeitungskapazitäten für kritische Materialien wie zum Beispiel Nickelsulfat und Lithiumhydroxit.

Fast zwei Drittel der notwendigen Investitionen sollen, wenn es nach der Studie geht, vom privaten Sektor getragen werden, der Rest durch steuerfinanzierte öffentliche Investitionen. Das sind freilich Summen, die bei den jetzt im Bundestag anstehenden Etatberatungen – wo es um die Schließung einer 37-Millionen-Euro-Lücke geht – keine Rolle spielen.

EU ambitionierter als Deutschland

Auf der europäischen Ebene steht die Batterieförderung womöglich höher im Kurs als in Deutschland. »In der EU gibt es vielversprechende Anzeichen für Fortschritte bei Batterietechnologien der nächsten Generation«, konstatiert der Draghi-Report. Während der größte Teil der angekündigten Kapazitäten für die Herstellung von Batterien mit Lithium-Ionen-Chemikalien (als »aktuelle Generation« bezeichnet) bestimmt sei, arbeiteten bereits Unternehmen auf dem Markt für Lithium-Ionen-Batterien und spezialisiertere Neueinsteiger »an Komponenten und Designs, die voraussichtlich die nächste Generation umfassen werden«. Dazu zählen Speichertechnologien auf der Basis von Natrium-Ionen- und Festkörperbatterien. Schon bald soll in der EU mit der Auslieferung von Musterzellen für Natrium-Ionen-Batterien begonnen werden, die auf den Einsatz von Lithium verzichten. Weiter stellt Draghi fest, dass »das Wachstum der öffentlichen Forschungs- und Entwicklungsausgaben in der Batterietechnologie im letzten Jahrzehnt durchschnittlich 18 Prozent pro Jahr« betrug. Damit wurde das Wachstum der gesamten Energieforschungs- und -entwicklungsausgaben in den EU-Mitgliedsstaaten deutlich übertroffen. Was Draghi nicht erwähnt: Deutschland schickt sich gerade an, diesen europäischen Kurs in der Batterieforschung zu verlassen.

»Man muss in fünf Jahren wieder von vorn anfangen.«

Kai-Christian Möller 
Fraunhofer-Allianz Batterien
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